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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

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Das Schnupftuch.
Die braune Königin der schlummernden Natur,
Die durch die schwere Luft mit stiller Hofstatt fuhr,
Die Nacht, der Schuldner Trost, der Liebenden Ver-
traute,
Hielt ihren Nachzug auf, als sie die Welt durchschaute.
Sie sah den jungen Graf im Lehnstuhl hingestreckt;
Ein angenehmes Roth, das seine Wangen deckt,
Sein dunkelbraunes Haar, das sich nachläßig krümmet,
Und um den schlanken Hals in großen Locken schwimmet,
Nahm gleich der Göttin Herz zu seinem Vortheil ein.
So braucht man oft nicht klug, man braucht nur schön
zu seyn.
Sie näherte sich ihm, und sah in seinem Herzen
Ein trauriges Gemisch von Pein und Liebesschmerzen.
Sein Schutzgeist, ganz bewegt von seinem Ungemach,
Trat zu der Göttin hin, und bückte sich, und sprach:
Regentin, deren Trost der König oft entbehret,
Wenn
Das Schnupftuch.
Die braune Koͤnigin der ſchlummernden Natur,
Die durch die ſchwere Luft mit ſtiller Hofſtatt fuhr,
Die Nacht, der Schuldner Troſt, der Liebenden Ver-
traute,
Hielt ihren Nachzug auf, als ſie die Welt durchſchaute.
Sie ſah den jungen Graf im Lehnſtuhl hingeſtreckt;
Ein angenehmes Roth, das ſeine Wangen deckt,
Sein dunkelbraunes Haar, das ſich nachlaͤßig kruͤmmet,
Und um den ſchlanken Hals in großen Locken ſchwimmet,
Nahm gleich der Goͤttin Herz zu ſeinem Vortheil ein.
So braucht man oft nicht klug, man braucht nur ſchoͤn
zu ſeyn.
Sie naͤherte ſich ihm, und ſah in ſeinem Herzen
Ein trauriges Gemiſch von Pein und Liebesſchmerzen.
Sein Schutzgeiſt, ganz bewegt von ſeinem Ungemach,
Trat zu der Goͤttin hin, und buͤckte ſich, und ſprach:
Regentin, deren Troſt der Koͤnig oft entbehret,
Wenn
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[88/0096] Das Schnupftuch. Die braune Koͤnigin der ſchlummernden Natur, Die durch die ſchwere Luft mit ſtiller Hofſtatt fuhr, Die Nacht, der Schuldner Troſt, der Liebenden Ver- traute, Hielt ihren Nachzug auf, als ſie die Welt durchſchaute. Sie ſah den jungen Graf im Lehnſtuhl hingeſtreckt; Ein angenehmes Roth, das ſeine Wangen deckt, Sein dunkelbraunes Haar, das ſich nachlaͤßig kruͤmmet, Und um den ſchlanken Hals in großen Locken ſchwimmet, Nahm gleich der Goͤttin Herz zu ſeinem Vortheil ein. So braucht man oft nicht klug, man braucht nur ſchoͤn zu ſeyn. Sie naͤherte ſich ihm, und ſah in ſeinem Herzen Ein trauriges Gemiſch von Pein und Liebesſchmerzen. Sein Schutzgeiſt, ganz bewegt von ſeinem Ungemach, Trat zu der Goͤttin hin, und buͤckte ſich, und ſprach: Regentin, deren Troſt der Koͤnig oft entbehret, Wenn

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/96>, abgerufen am 05.05.2024.