Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].Das Schnupftuch. Graf Hold schallt in der Luft, Graf Hold schallt vonden Wänden. Belinde sprach voll Stolz: er kömmt nicht! kömmt er nicht? Und Misvergnügen herrscht in iedem Angesicht. Die Munterkeit erstarb in der verdroßnen Menge; Den matten Damen ward Schnürbrust und Saal zu enge. Sie seufzen tief und laut in ihrem größten Zwang, Und alles denkt, wie sehr wird uns die Zeit hier lang. Die Baroneßin Quant hub sich zuerst vom Sessel, Und alles folgt ihr nach, und brach des Zwanges Fessel. Sie küßt die Frau von Lins, macht manches Abschieds- wort; Fliegt in den Phaeton, und schreyt zum Kutscher: Fort! Und so war es im Buch des Schicksals angeschrieben! Die Damen, welche sonst den ganzen Abend blieben, Empfohlen alle sich; und selbst der Kriegesrath Gieng ohne Sänfte fort, und wagte seinen Staat. Wie
Das Schnupftuch. Graf Hold ſchallt in der Luft, Graf Hold ſchallt vonden Waͤnden. Belinde ſprach voll Stolz: er koͤmmt nicht! koͤmmt er nicht? Und Misvergnuͤgen herrſcht in iedem Angeſicht. Die Munterkeit erſtarb in der verdroßnen Menge; Den matten Damen ward Schnuͤrbruſt und Saal zu enge. Sie ſeufzen tief und laut in ihrem groͤßten Zwang, Und alles denkt, wie ſehr wird uns die Zeit hier lang. Die Baroneßin Quant hub ſich zuerſt vom Seſſel, Und alles folgt ihr nach, und brach des Zwanges Feſſel. Sie kuͤßt die Frau von Lins, macht manches Abſchieds- wort; Fliegt in den Phaeton, und ſchreyt zum Kutſcher: Fort! Und ſo war es im Buch des Schickſals angeſchrieben! Die Damen, welche ſonſt den ganzen Abend blieben, Empfohlen alle ſich; und ſelbſt der Kriegesrath Gieng ohne Saͤnfte fort, und wagte ſeinen Staat. Wie
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Das Schnupftuch.
Graf Hold ſchallt in der Luft, Graf Hold ſchallt von
den Waͤnden.
Belinde ſprach voll Stolz: er koͤmmt nicht! koͤmmt
er nicht?
Und Misvergnuͤgen herrſcht in iedem Angeſicht.
Die Munterkeit erſtarb in der verdroßnen Menge;
Den matten Damen ward Schnuͤrbruſt und Saal zu
enge.
Sie ſeufzen tief und laut in ihrem groͤßten Zwang,
Und alles denkt, wie ſehr wird uns die Zeit hier lang.
Die Baroneßin Quant hub ſich zuerſt vom Seſſel,
Und alles folgt ihr nach, und brach des Zwanges Feſſel.
Sie kuͤßt die Frau von Lins, macht manches Abſchieds-
wort;
Fliegt in den Phaeton, und ſchreyt zum Kutſcher:
Fort!
Und ſo war es im Buch des Schickſals angeſchrieben!
Die Damen, welche ſonſt den ganzen Abend blieben,
Empfohlen alle ſich; und ſelbſt der Kriegesrath
Gieng ohne Saͤnfte fort, und wagte ſeinen Staat.
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Zitationshilfe: | Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/88>, abgerufen am 07.07.2024. |