Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].Fünfter Gesang. Fama begab sich indes mit ihrer hellen Posaune Durch das Dorf, und ließ sich herab zum Hause des Küsters, Welcher mit majestätischem Ernst die Jugend des Dorfes Vor sich sah. Mit lautem Geschrey, und stammelnder Zunge, Wiederhohlten sie oft die schweren Versuche zum Lesen, Jhm naht sich die Göttin, und spricht: Du Liebling Apollens, Schweigest du ietzt beym Todte des Cypers des gnädi- gen Frauleins, Und versäumst nachlässig, unsterblichen Ruhm zu erlan- gen? Gab die Natur dir umsonst die Wundergabe zu reimen, Neujahrswünsche zu machen, mit mancher poetischen Jnnschrift Häuser und Scheuren zu zieren? Und ietzo wolltest du zaudern, Einen klingenden Vers dem Cyper zu Ehren zu machen? Also goß sie den dichtrischen Trieb in die Seele des Kü- sters, Der sich erhub vom krachenden Thron, aus Binsen ge- flochten, Und
Fuͤnfter Geſang. Fama begab ſich indes mit ihrer hellen Poſaune Durch das Dorf, und ließ ſich herab zum Hauſe des Kuͤſters, Welcher mit majeſtaͤtiſchem Ernſt die Jugend des Dorfes Vor ſich ſah. Mit lautem Geſchrey, und ſtammelnder Zunge, Wiederhohlten ſie oft die ſchweren Verſuche zum Leſen, Jhm naht ſich die Goͤttin, und ſpricht: Du Liebling Apollens, Schweigeſt du ietzt beym Todte des Cypers des gnaͤdi- gen Frauleins, Und verſaͤumſt nachlaͤſſig, unſterblichen Ruhm zu erlan- gen? Gab die Natur dir umſonſt die Wundergabe zu reimen, Neujahrswuͤnſche zu machen, mit mancher poetiſchen Jnnſchrift Haͤuſer und Scheuren zu zieren? Und ietzo wollteſt du zaudern, Einen klingenden Vers dem Cyper zu Ehren zu machen? Alſo goß ſie den dichtriſchen Trieb in die Seele des Kuͤ- ſters, Der ſich erhub vom krachenden Thron, aus Binſen ge- flochten, Und
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Fuͤnfter Geſang.
Fama begab ſich indes mit ihrer hellen Poſaune
Durch das Dorf, und ließ ſich herab zum Hauſe des
Kuͤſters,
Welcher mit majeſtaͤtiſchem Ernſt die Jugend des Dorfes
Vor ſich ſah. Mit lautem Geſchrey, und ſtammelnder
Zunge,
Wiederhohlten ſie oft die ſchweren Verſuche zum Leſen,
Jhm naht ſich die Goͤttin, und ſpricht: Du Liebling
Apollens,
Schweigeſt du ietzt beym Todte des Cypers des gnaͤdi-
gen Frauleins,
Und verſaͤumſt nachlaͤſſig, unſterblichen Ruhm zu erlan-
gen?
Gab die Natur dir umſonſt die Wundergabe zu reimen,
Neujahrswuͤnſche zu machen, mit mancher poetiſchen
Jnnſchrift
Haͤuſer und Scheuren zu zieren? Und ietzo wollteſt du
zaudern,
Einen klingenden Vers dem Cyper zu Ehren zu machen?
Alſo goß ſie den dichtriſchen Trieb in die Seele des Kuͤ-
ſters,
Der ſich erhub vom krachenden Thron, aus Binſen ge-
flochten,
Und
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