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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

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Erster Gesang.
Weiß, wie der Frühlingsschnee, der Pfirsichblüthen
deckt.
Die Schönheit wählet sich sehr ungleich Unterthanen.
Man kan sehr häßlich seyn, bey zwey und dreyßig Ahnen.
Das Kammermädchen siegt im schimmernden Pallast
Oft mehr, als ihre Frau, die ihren Spiegel haßt.
Die Zwietracht sprach zu ihr: Jch habe dir erzählet
Lisette, daß mir längst mein bestes Schnupftuch fehlet.
Du weißt, Graf Hold hat es. Er prahlt damit herum,
Geh hin, und nimms ihm weg, so wird der Prahler
stum.
Jch will im Ernst dafür auf deine Heirath denken,
Dein gnädges Fräulein seyn, und fürstlich dich beschen-
ken.

So sprach sie, und verschwand. Lisette macht sich
auf,
Durch dies Gesicht verführt, putzt sich, und betet drauf.
Zwar sprach sie bey sich selbst: Wie wird mir das be-
fohlen!
Jch soll von ihrem Graf das Schnupftuch wiederholen?
Sie
A 5

Erſter Geſang.
Weiß, wie der Fruͤhlingsſchnee, der Pfirſichbluͤthen
deckt.
Die Schoͤnheit waͤhlet ſich ſehr ungleich Unterthanen.
Man kan ſehr haͤßlich ſeyn, bey zwey und dreyßig Ahnen.
Das Kammermaͤdchen ſiegt im ſchimmernden Pallaſt
Oft mehr, als ihre Frau, die ihren Spiegel haßt.
Die Zwietracht ſprach zu ihr: Jch habe dir erzaͤhlet
Liſette, daß mir laͤngſt mein beſtes Schnupftuch fehlet.
Du weißt, Graf Hold hat es. Er prahlt damit herum,
Geh hin, und nimms ihm weg, ſo wird der Prahler
ſtum.
Jch will im Ernſt dafuͤr auf deine Heirath denken,
Dein gnaͤdges Fraͤulein ſeyn, und fuͤrſtlich dich beſchen-
ken.

So ſprach ſie, und verſchwand. Liſette macht ſich
auf,
Durch dies Geſicht verfuͤhrt, putzt ſich, und betet drauf.
Zwar ſprach ſie bey ſich ſelbſt: Wie wird mir das be-
fohlen!
Jch ſoll von ihrem Graf das Schnupftuch wiederholen?
Sie
A 5
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[9/0017] Erſter Geſang. Weiß, wie der Fruͤhlingsſchnee, der Pfirſichbluͤthen deckt. Die Schoͤnheit waͤhlet ſich ſehr ungleich Unterthanen. Man kan ſehr haͤßlich ſeyn, bey zwey und dreyßig Ahnen. Das Kammermaͤdchen ſiegt im ſchimmernden Pallaſt Oft mehr, als ihre Frau, die ihren Spiegel haßt. Die Zwietracht ſprach zu ihr: Jch habe dir erzaͤhlet Liſette, daß mir laͤngſt mein beſtes Schnupftuch fehlet. Du weißt, Graf Hold hat es. Er prahlt damit herum, Geh hin, und nimms ihm weg, ſo wird der Prahler ſtum. Jch will im Ernſt dafuͤr auf deine Heirath denken, Dein gnaͤdges Fraͤulein ſeyn, und fuͤrſtlich dich beſchen- ken. So ſprach ſie, und verſchwand. Liſette macht ſich auf, Durch dies Geſicht verfuͤhrt, putzt ſich, und betet drauf. Zwar ſprach ſie bey ſich ſelbſt: Wie wird mir das be- fohlen! Jch ſoll von ihrem Graf das Schnupftuch wiederholen? Sie A 5

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/17>, abgerufen am 25.04.2024.