Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Das Schnupftuch.
Jch seh das Schnupftuch schon in deiner Siegeshand,
Das du in dem Triumph von neuem ihr entwandt.
Es soll dem alten Strom bis in das Herz verdrießen,
Wenn er dich morgen sieht das Schnupftuch wieder küs-
sen.

So sprach er, und entwich. Der müde Graf
erwacht,
Nachdem er gähnend noch an seinen Traum gedacht.
Er sah nach seiner Uhr; acht Uhr hat es geschlagen,
Und schnell entschloß er sich des Traumes Rath zu wa-
gen.
Er warf den schlanken Leib in einen Oberrock;
Es wafnete die Hand ein wilder Dornenstock;
Sein Haar flog halbverwirrt, auf das ein Hut sich
drückte,
Den um den weiten Rand ein Strausgefieder schmückte.
Auch ein nachläßger Putz bringt Schönen oft Gefahr.
Er war das Gegentheil von dem, was er sonst war;
Und dennoch war er schön. Mit einem blinden Triebe
Eilt

Das Schnupftuch.
Jch ſeh das Schnupftuch ſchon in deiner Siegeshand,
Das du in dem Triumph von neuem ihr entwandt.
Es ſoll dem alten Strom bis in das Herz verdrießen,
Wenn er dich morgen ſieht das Schnupftuch wieder kuͤſ-
ſen.

So ſprach er, und entwich. Der muͤde Graf
erwacht,
Nachdem er gaͤhnend noch an ſeinen Traum gedacht.
Er ſah nach ſeiner Uhr; acht Uhr hat es geſchlagen,
Und ſchnell entſchloß er ſich des Traumes Rath zu wa-
gen.
Er warf den ſchlanken Leib in einen Oberrock;
Es wafnete die Hand ein wilder Dornenſtock;
Sein Haar flog halbverwirrt, auf das ein Hut ſich
druͤckte,
Den um den weiten Rand ein Strausgefieder ſchmuͤckte.
Auch ein nachlaͤßger Putz bringt Schoͤnen oft Gefahr.
Er war das Gegentheil von dem, was er ſonſt war;
Und dennoch war er ſchoͤn. Mit einem blinden Triebe
Eilt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="6">
              <pb facs="#f0100" n="92"/>
              <fw place="top" type="header">Das Schnupftuch.</fw><lb/>
              <l>Jch &#x017F;eh das Schnupftuch &#x017F;chon in deiner Siegeshand,</l><lb/>
              <l>Das du in dem Triumph von neuem ihr entwandt.</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;oll dem alten Strom bis in das Herz verdrießen,</l><lb/>
              <l>Wenn er dich morgen &#x017F;ieht das Schnupftuch wieder ku&#x0364;&#x017F;-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;en.</hi> </l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>So &#x017F;prach er, und entwich. Der mu&#x0364;de Graf</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">erwacht,</hi> </l><lb/>
              <l>Nachdem er ga&#x0364;hnend noch an &#x017F;einen Traum gedacht.</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;ah nach &#x017F;einer Uhr; acht Uhr hat es ge&#x017F;chlagen,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chnell ent&#x017F;chloß er &#x017F;ich des Traumes Rath zu wa-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">gen.</hi> </l><lb/>
              <l>Er warf den &#x017F;chlanken Leib in einen Oberrock;</l><lb/>
              <l>Es wafnete die Hand ein wilder Dornen&#x017F;tock;</l><lb/>
              <l>Sein Haar flog halbverwirrt, auf das ein Hut &#x017F;ich</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">dru&#x0364;ckte,</hi> </l><lb/>
              <l>Den um den weiten Rand ein Strausgefieder &#x017F;chmu&#x0364;ckte.</l><lb/>
              <l>Auch ein nachla&#x0364;ßger Putz bringt Scho&#x0364;nen oft Gefahr.</l><lb/>
              <l>Er war das Gegentheil von dem, was er &#x017F;on&#x017F;t war;</l><lb/>
              <l>Und dennoch war er &#x017F;cho&#x0364;n. Mit einem blinden Triebe</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Eilt</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0100] Das Schnupftuch. Jch ſeh das Schnupftuch ſchon in deiner Siegeshand, Das du in dem Triumph von neuem ihr entwandt. Es ſoll dem alten Strom bis in das Herz verdrießen, Wenn er dich morgen ſieht das Schnupftuch wieder kuͤſ- ſen. So ſprach er, und entwich. Der muͤde Graf erwacht, Nachdem er gaͤhnend noch an ſeinen Traum gedacht. Er ſah nach ſeiner Uhr; acht Uhr hat es geſchlagen, Und ſchnell entſchloß er ſich des Traumes Rath zu wa- gen. Er warf den ſchlanken Leib in einen Oberrock; Es wafnete die Hand ein wilder Dornenſtock; Sein Haar flog halbverwirrt, auf das ein Hut ſich druͤckte, Den um den weiten Rand ein Strausgefieder ſchmuͤckte. Auch ein nachlaͤßger Putz bringt Schoͤnen oft Gefahr. Er war das Gegentheil von dem, was er ſonſt war; Und dennoch war er ſchoͤn. Mit einem blinden Triebe Eilt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/100
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/100>, abgerufen am 23.11.2024.