Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].Murner in der Hölle. Nur sein Käficht umsonst! Wie mancher CanarienvogelWard von deinen tapferen Ahnen im Käficht zerrissen! Würge dann du auch den plaudernden Spötter, und streu im Triumphe Seine Federn, worauf er stolziert, in alle vier Winde! Also sagte die höllische Göttin. Der Kater er- wachte, Sah mit funkelnden Augen umher, und brüllte nach Blute. Wie ein Blitz sich vom hohen Olymp in die Felder hin- abreißt, Und den blühenden Baum zerschmettert, worunter der Schäfer Oft auf seinem harmonischen Horn die Auen ergötzet: So riß Cyper sich auch, den Nebenbuhler zu tödten, Unter dem Ofen hervor, und sprang so behend, wie ein Panther, Auf den güldenen Käficht. Der Vogel sinket vor Schre- cken Auf den Boden des Käfichts; doch hätt ihn Cyper un- fehlbar Voller Mordsucht gewürgt, wenn nicht der ehrliche Raban Auf das wilde Geschrey dem Vogel zu Hülfe geeilet. Eben
Murner in der Hoͤlle. Nur ſein Kaͤficht umſonſt! Wie mancher CanarienvogelWard von deinen tapferen Ahnen im Kaͤficht zerriſſen! Wuͤrge dann du auch den plaudernden Spoͤtter, und ſtreu im Triumphe Seine Federn, worauf er ſtolziert, in alle vier Winde! Alſo ſagte die hoͤlliſche Goͤttin. Der Kater er- wachte, Sah mit funkelnden Augen umher, und bruͤllte nach Blute. Wie ein Blitz ſich vom hohen Olymp in die Felder hin- abreißt, Und den bluͤhenden Baum zerſchmettert, worunter der Schaͤfer Oft auf ſeinem harmoniſchen Horn die Auen ergoͤtzet: So riß Cyper ſich auch, den Nebenbuhler zu toͤdten, Unter dem Ofen hervor, und ſprang ſo behend, wie ein Panther, Auf den guͤldenen Kaͤficht. Der Vogel ſinket vor Schre- cken Auf den Boden des Kaͤfichts; doch haͤtt ihn Cyper un- fehlbar Voller Mordſucht gewuͤrgt, wenn nicht der ehrliche Raban Auf das wilde Geſchrey dem Vogel zu Huͤlfe geeilet. Eben
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="5"> <pb facs="#f0142" n="134"/> <fw place="top" type="header">Murner in der Hoͤlle.</fw><lb/> <l>Nur ſein Kaͤficht umſonſt! Wie mancher Canarienvogel</l><lb/> <l>Ward von deinen tapferen Ahnen im Kaͤficht zerriſſen!</l><lb/> <l>Wuͤrge dann du auch den plaudernden Spoͤtter, und</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſtreu im Triumphe</hi> </l><lb/> <l>Seine Federn, worauf er ſtolziert, in alle vier Winde!</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Alſo ſagte die hoͤlliſche Goͤttin. Der Kater er-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">wachte,</hi> </l><lb/> <l>Sah mit funkelnden Augen umher, und bruͤllte nach</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Blute.</hi> </l><lb/> <l>Wie ein Blitz ſich vom hohen Olymp in die Felder hin-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">abreißt,</hi> </l><lb/> <l>Und den bluͤhenden Baum zerſchmettert, worunter der</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Schaͤfer</hi> </l><lb/> <l>Oft auf ſeinem harmoniſchen Horn die Auen ergoͤtzet:</l><lb/> <l>So riß Cyper ſich auch, den Nebenbuhler zu toͤdten,</l><lb/> <l>Unter dem Ofen hervor, und ſprang ſo behend, wie ein</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Panther,</hi> </l><lb/> <l>Auf den guͤldenen Kaͤficht. Der Vogel ſinket vor Schre-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">cken</hi> </l><lb/> <l>Auf den Boden des Kaͤfichts; doch haͤtt ihn Cyper un-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">fehlbar</hi> </l><lb/> <l>Voller Mordſucht gewuͤrgt, wenn nicht der ehrliche</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Raban</hi> </l><lb/> <l>Auf das wilde Geſchrey dem Vogel zu Huͤlfe geeilet.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Eben</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0142]
Murner in der Hoͤlle.
Nur ſein Kaͤficht umſonſt! Wie mancher Canarienvogel
Ward von deinen tapferen Ahnen im Kaͤficht zerriſſen!
Wuͤrge dann du auch den plaudernden Spoͤtter, und
ſtreu im Triumphe
Seine Federn, worauf er ſtolziert, in alle vier Winde!
Alſo ſagte die hoͤlliſche Goͤttin. Der Kater er-
wachte,
Sah mit funkelnden Augen umher, und bruͤllte nach
Blute.
Wie ein Blitz ſich vom hohen Olymp in die Felder hin-
abreißt,
Und den bluͤhenden Baum zerſchmettert, worunter der
Schaͤfer
Oft auf ſeinem harmoniſchen Horn die Auen ergoͤtzet:
So riß Cyper ſich auch, den Nebenbuhler zu toͤdten,
Unter dem Ofen hervor, und ſprang ſo behend, wie ein
Panther,
Auf den guͤldenen Kaͤficht. Der Vogel ſinket vor Schre-
cken
Auf den Boden des Kaͤfichts; doch haͤtt ihn Cyper un-
fehlbar
Voller Mordſucht gewuͤrgt, wenn nicht der ehrliche
Raban
Auf das wilde Geſchrey dem Vogel zu Huͤlfe geeilet.
Eben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/142 |
Zitationshilfe: | Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/142>, abgerufen am 30.07.2024. |