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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763].

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Dritter Gesang.
schwachen Halse herabhangen, wenn sie der stürmische
Regen belastet. Hektor zog ihn heraus aus dem
Strom, und legte ihn zu seinen Füßen. Die Naja-
den, durch das Geschrey erschreckt, flohen aus ihren
Wohnungen im Schilf, und der Flußgott hob sein
moosigtes Haupt hervor, und murrte und schalt, da
er Blut sah. Wie ein großmüthiger Löwe, wenn
er unvermuthet auf einen unbewafneten Mann stößt,
der im Walde wandelte, und seinen Gedanken nach-
hieng, oder in ein lehrreiches Buch vergraben war;
er reißt ihn zu Boden, aber sobald er ihn todt lie-
gen sieht, schämt er sich seines unwürdigen Sieges,
schüttelt die zottigte Mähne, und geht unwillig nach
seiner Höhle zurück. Also stand Hektor über der
Leiche des Hasen unzufrieden und finster, und brach

bald
Z 3

Dritter Geſang.
ſchwachen Halſe herabhangen, wenn ſie der ſtuͤrmiſche
Regen belaſtet. Hektor zog ihn heraus aus dem
Strom, und legte ihn zu ſeinen Fuͤßen. Die Naja-
den, durch das Geſchrey erſchreckt, flohen aus ihren
Wohnungen im Schilf, und der Flußgott hob ſein
mooſigtes Haupt hervor, und murrte und ſchalt, da
er Blut ſah. Wie ein großmuͤthiger Loͤwe, wenn
er unvermuthet auf einen unbewafneten Mann ſtoͤßt,
der im Walde wandelte, und ſeinen Gedanken nach-
hieng, oder in ein lehrreiches Buch vergraben war;
er reißt ihn zu Boden, aber ſobald er ihn todt lie-
gen ſieht, ſchaͤmt er ſich ſeines unwuͤrdigen Sieges,
ſchuͤttelt die zottigte Maͤhne, und geht unwillig nach
ſeiner Hoͤhle zuruͤck. Alſo ſtand Hektor uͤber der
Leiche des Haſen unzufrieden und finſter, und brach

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[357/0421] Dritter Geſang. ſchwachen Halſe herabhangen, wenn ſie der ſtuͤrmiſche Regen belaſtet. Hektor zog ihn heraus aus dem Strom, und legte ihn zu ſeinen Fuͤßen. Die Naja- den, durch das Geſchrey erſchreckt, flohen aus ihren Wohnungen im Schilf, und der Flußgott hob ſein mooſigtes Haupt hervor, und murrte und ſchalt, da er Blut ſah. Wie ein großmuͤthiger Loͤwe, wenn er unvermuthet auf einen unbewafneten Mann ſtoͤßt, der im Walde wandelte, und ſeinen Gedanken nach- hieng, oder in ein lehrreiches Buch vergraben war; er reißt ihn zu Boden, aber ſobald er ihn todt lie- gen ſieht, ſchaͤmt er ſich ſeines unwuͤrdigen Sieges, ſchuͤttelt die zottigte Maͤhne, und geht unwillig nach ſeiner Hoͤhle zuruͤck. Alſo ſtand Hektor uͤber der Leiche des Haſen unzufrieden und finſter, und brach bald Z 3

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/421>, abgerufen am 25.04.2024.