Selbst das schöne Geschlecht ist halb zu Männern ge- worden. Hüte schmücken den Kopf, und Amazonenhabite Oft zu zerrissenen Hemdern gehn auf den Dörfern in Schaaren. Daß die Schöne zu Wien auf leichten Pferden dahin- fliegt, Von dem lauten Geschrey des frohen Volkes begleitet, Hab ich leider gesehn! doch soll ich sogar noch erleben, Daß, wie die Helden der Alten die Dame selber sich fähret, Und durch edlen Muth die blendende Schönheit erhebet. Nein, ich wäre nicht Neid, wofern ich dies ruhig er- laubte! Wenigstens soll doch die Fahrt zu einem Trauerspiel werden!
Schleunig schwinget er sich mit ausgespreiteten Flügeln Ueber die schreckliche Höle hinaus, die den Wütrich be- herbergt.
Und die Nacht hieng düster herab vom wolkigten Himmel Ueber die niedern Hütten des eingeschlafenen Landmanns. Jetzo giengen, erlöst von ihren ehernen Ketten,
Lange
Der Phaeton.
Selbſt das ſchoͤne Geſchlecht iſt halb zu Maͤnnern ge- worden. Huͤte ſchmuͤcken den Kopf, und Amazonenhabite Oft zu zerriſſenen Hemdern gehn auf den Doͤrfern in Schaaren. Daß die Schoͤne zu Wien auf leichten Pferden dahin- fliegt, Von dem lauten Geſchrey des frohen Volkes begleitet, Hab ich leider geſehn! doch ſoll ich ſogar noch erleben, Daß, wie die Helden der Alten die Dame ſelber ſich faͤhret, Und durch edlen Muth die blendende Schoͤnheit erhebet. Nein, ich waͤre nicht Neid, wofern ich dies ruhig er- laubte! Wenigſtens ſoll doch die Fahrt zu einem Trauerſpiel werden!
Schleunig ſchwinget er ſich mit ausgeſpreiteten Fluͤgeln Ueber die ſchreckliche Hoͤle hinaus, die den Wuͤtrich be- herbergt.
Und die Nacht hieng duͤſter herab vom wolkigten Himmel Ueber die niedern Huͤtten des eingeſchlafenen Landmanns. Jetzo giengen, erloͤſt von ihren ehernen Ketten,
Lange
<TEI><text><body><divn="1"><lg><l><pbfacs="#f0368"n="304"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Phaeton.</hi></fw></l><lb/><l>Selbſt das ſchoͤne Geſchlecht iſt halb zu Maͤnnern ge-<lb/><hirendition="#et">worden.</hi></l><lb/><l>Huͤte ſchmuͤcken den Kopf, und Amazonenhabite</l><lb/><l>Oft zu zerriſſenen Hemdern gehn auf den Doͤrfern in<lb/><hirendition="#et">Schaaren.</hi></l><lb/><l>Daß die Schoͤne zu Wien auf leichten Pferden dahin-<lb/><hirendition="#et">fliegt,</hi></l><lb/><l>Von dem lauten Geſchrey des frohen Volkes begleitet,</l><lb/><l>Hab ich leider geſehn! doch ſoll ich ſogar noch erleben,</l><lb/><l>Daß, wie die Helden der Alten die Dame ſelber ſich faͤhret,</l><lb/><l>Und durch edlen Muth die blendende Schoͤnheit erhebet.</l><lb/><l>Nein, ich waͤre nicht Neid, wofern ich dies ruhig er-<lb/><hirendition="#et">laubte!</hi></l><lb/><l>Wenigſtens ſoll doch die Fahrt zu einem Trauerſpiel<lb/><hirendition="#et">werden!</hi></l></lg><lb/><lg><l>Schleunig ſchwinget er ſich mit ausgeſpreiteten<lb/><hirendition="#et">Fluͤgeln</hi></l><lb/><l>Ueber die ſchreckliche Hoͤle hinaus, die den Wuͤtrich be-<lb/><hirendition="#et">herbergt.</hi></l></lg><lb/><lg><l>Und die Nacht hieng duͤſter herab vom wolkigten<lb/><hirendition="#et">Himmel</hi></l><lb/><l>Ueber die niedern Huͤtten des eingeſchlafenen Landmanns.</l><lb/><l>Jetzo giengen, erloͤſt von ihren ehernen Ketten,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Lange</fw><lb/></l></lg></div></body></text></TEI>
[304/0368]
Der Phaeton.
Selbſt das ſchoͤne Geſchlecht iſt halb zu Maͤnnern ge-
worden.
Huͤte ſchmuͤcken den Kopf, und Amazonenhabite
Oft zu zerriſſenen Hemdern gehn auf den Doͤrfern in
Schaaren.
Daß die Schoͤne zu Wien auf leichten Pferden dahin-
fliegt,
Von dem lauten Geſchrey des frohen Volkes begleitet,
Hab ich leider geſehn! doch ſoll ich ſogar noch erleben,
Daß, wie die Helden der Alten die Dame ſelber ſich faͤhret,
Und durch edlen Muth die blendende Schoͤnheit erhebet.
Nein, ich waͤre nicht Neid, wofern ich dies ruhig er-
laubte!
Wenigſtens ſoll doch die Fahrt zu einem Trauerſpiel
werden!
Schleunig ſchwinget er ſich mit ausgeſpreiteten
Fluͤgeln
Ueber die ſchreckliche Hoͤle hinaus, die den Wuͤtrich be-
herbergt.
Und die Nacht hieng duͤſter herab vom wolkigten
Himmel
Ueber die niedern Huͤtten des eingeſchlafenen Landmanns.
Jetzo giengen, erloͤſt von ihren ehernen Ketten,
Lange
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/368>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.