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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763].

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Der Phaeton.

Selbst das schöne Geschlecht ist halb zu Männern ge-
worden.

Hüte schmücken den Kopf, und Amazonenhabite
Oft zu zerrissenen Hemdern gehn auf den Dörfern in
Schaaren.

Daß die Schöne zu Wien auf leichten Pferden dahin-
fliegt,

Von dem lauten Geschrey des frohen Volkes begleitet,
Hab ich leider gesehn! doch soll ich sogar noch erleben,
Daß, wie die Helden der Alten die Dame selber sich fähret,
Und durch edlen Muth die blendende Schönheit erhebet.
Nein, ich wäre nicht Neid, wofern ich dies ruhig er-
laubte!

Wenigstens soll doch die Fahrt zu einem Trauerspiel
werden!

Schleunig schwinget er sich mit ausgespreiteten
Flügeln

Ueber die schreckliche Höle hinaus, die den Wütrich be-
herbergt.
Und die Nacht hieng düster herab vom wolkigten
Himmel

Ueber die niedern Hütten des eingeschlafenen Landmanns.
Jetzo giengen, erlöst von ihren ehernen Ketten,
Lange

Der Phaeton.

Selbſt das ſchoͤne Geſchlecht iſt halb zu Maͤnnern ge-
worden.

Huͤte ſchmuͤcken den Kopf, und Amazonenhabite
Oft zu zerriſſenen Hemdern gehn auf den Doͤrfern in
Schaaren.

Daß die Schoͤne zu Wien auf leichten Pferden dahin-
fliegt,

Von dem lauten Geſchrey des frohen Volkes begleitet,
Hab ich leider geſehn! doch ſoll ich ſogar noch erleben,
Daß, wie die Helden der Alten die Dame ſelber ſich faͤhret,
Und durch edlen Muth die blendende Schoͤnheit erhebet.
Nein, ich waͤre nicht Neid, wofern ich dies ruhig er-
laubte!

Wenigſtens ſoll doch die Fahrt zu einem Trauerſpiel
werden!

Schleunig ſchwinget er ſich mit ausgeſpreiteten
Fluͤgeln

Ueber die ſchreckliche Hoͤle hinaus, die den Wuͤtrich be-
herbergt.
Und die Nacht hieng duͤſter herab vom wolkigten
Himmel

Ueber die niedern Huͤtten des eingeſchlafenen Landmanns.
Jetzo giengen, erloͤſt von ihren ehernen Ketten,
Lange
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[304/0368] Der Phaeton. Selbſt das ſchoͤne Geſchlecht iſt halb zu Maͤnnern ge- worden. Huͤte ſchmuͤcken den Kopf, und Amazonenhabite Oft zu zerriſſenen Hemdern gehn auf den Doͤrfern in Schaaren. Daß die Schoͤne zu Wien auf leichten Pferden dahin- fliegt, Von dem lauten Geſchrey des frohen Volkes begleitet, Hab ich leider geſehn! doch ſoll ich ſogar noch erleben, Daß, wie die Helden der Alten die Dame ſelber ſich faͤhret, Und durch edlen Muth die blendende Schoͤnheit erhebet. Nein, ich waͤre nicht Neid, wofern ich dies ruhig er- laubte! Wenigſtens ſoll doch die Fahrt zu einem Trauerſpiel werden! Schleunig ſchwinget er ſich mit ausgeſpreiteten Fluͤgeln Ueber die ſchreckliche Hoͤle hinaus, die den Wuͤtrich be- herbergt. Und die Nacht hieng duͤſter herab vom wolkigten Himmel Ueber die niedern Huͤtten des eingeſchlafenen Landmanns. Jetzo giengen, erloͤſt von ihren ehernen Ketten, Lange

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/368>, abgerufen am 24.11.2024.