Da, wo Versailles sich mit stolzem Haupt erhebet, Und wo die Kunst die Flur trotz der Natur belebet; Wo der Galanterie so mancher Sieg gelingt, Wo mancher Staatsmann lügt, und mancher Mar- quis singt: Liegt ein verschonter Wald von Zeit und Sturm und Winden, Den Seladons nur sehn, und Clelien nur finden. Hier hat bey einem Volk, das nie beständig ist, Das Schwür im Friedensschluß, wie in der Eh, ver- gißt, Und voller Mitleid nur auf deutsche Treue schauet, Sich die Galanterie ein prächtig Schloß erbauet. Ein Mädchen, schön und wild, steht an dem stolzen Thor; Die volle Brust ist bloß, den Leib umhüllt nur Flor, Der mehr verräth, als deckt; Verführung heißt die Dame, Doch bey Franzosen ist nur Artigkeit ihr Name. Verstellung trägt allhier der edlen Treue Kleid,
Und
Der Renommiſt.
Da, wo Verſailles ſich mit ſtolzem Haupt erhebet, Und wo die Kunſt die Flur trotz der Natur belebet; Wo der Galanterie ſo mancher Sieg gelingt, Wo mancher Staatsmann luͤgt, und mancher Mar- quis ſingt: Liegt ein verſchonter Wald von Zeit und Sturm und Winden, Den Seladons nur ſehn, und Clelien nur finden. Hier hat bey einem Volk, das nie beſtaͤndig iſt, Das Schwuͤr im Friedensſchluß, wie in der Eh, ver- gißt, Und voller Mitleid nur auf deutſche Treue ſchauet, Sich die Galanterie ein praͤchtig Schloß erbauet. Ein Maͤdchen, ſchoͤn und wild, ſteht an dem ſtolzen Thor; Die volle Bruſt iſt bloß, den Leib umhuͤllt nur Flor, Der mehr verraͤth, als deckt; Verfuͤhrung heißt die Dame, Doch bey Franzoſen iſt nur Artigkeit ihr Name. Verſtellung traͤgt allhier der edlen Treue Kleid,
Und
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0156"n="92"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Renommiſt.</hi></fw><lb/><lg><l>Da, wo Verſailles ſich mit ſtolzem Haupt erhebet,</l><lb/><l>Und wo die Kunſt die Flur trotz der Natur belebet;</l><lb/><l>Wo der Galanterie ſo mancher Sieg gelingt,</l><lb/><l>Wo mancher Staatsmann luͤgt, und mancher Mar-<lb/><hirendition="#et">quis ſingt:</hi></l><lb/><l>Liegt ein verſchonter Wald von Zeit und Sturm und<lb/><hirendition="#et">Winden,</hi></l><lb/><l>Den Seladons nur ſehn, und Clelien nur finden.</l><lb/><l>Hier hat bey einem Volk, das nie beſtaͤndig iſt,</l><lb/><l>Das Schwuͤr im Friedensſchluß, wie in der Eh, ver-<lb/><hirendition="#et">gißt,</hi></l><lb/><l>Und voller Mitleid nur auf deutſche Treue ſchauet,</l><lb/><l>Sich die Galanterie ein praͤchtig Schloß erbauet.</l><lb/><l>Ein Maͤdchen, ſchoͤn und wild, ſteht an dem ſtolzen<lb/><hirendition="#et">Thor;</hi></l><lb/><l>Die volle Bruſt iſt bloß, den Leib umhuͤllt nur Flor,</l><lb/><l>Der mehr verraͤth, als deckt; Verfuͤhrung heißt die<lb/><hirendition="#et">Dame,</hi></l><lb/><l>Doch bey Franzoſen iſt nur Artigkeit ihr Name.</l><lb/><l>Verſtellung traͤgt allhier der edlen Treue Kleid,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Und</fw><lb/></l></lg></div></body></text></TEI>
[92/0156]
Der Renommiſt.
Da, wo Verſailles ſich mit ſtolzem Haupt erhebet,
Und wo die Kunſt die Flur trotz der Natur belebet;
Wo der Galanterie ſo mancher Sieg gelingt,
Wo mancher Staatsmann luͤgt, und mancher Mar-
quis ſingt:
Liegt ein verſchonter Wald von Zeit und Sturm und
Winden,
Den Seladons nur ſehn, und Clelien nur finden.
Hier hat bey einem Volk, das nie beſtaͤndig iſt,
Das Schwuͤr im Friedensſchluß, wie in der Eh, ver-
gißt,
Und voller Mitleid nur auf deutſche Treue ſchauet,
Sich die Galanterie ein praͤchtig Schloß erbauet.
Ein Maͤdchen, ſchoͤn und wild, ſteht an dem ſtolzen
Thor;
Die volle Bruſt iſt bloß, den Leib umhuͤllt nur Flor,
Der mehr verraͤth, als deckt; Verfuͤhrung heißt die
Dame,
Doch bey Franzoſen iſt nur Artigkeit ihr Name.
Verſtellung traͤgt allhier der edlen Treue Kleid,
Und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/156>, abgerufen am 30.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.