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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Wirkungen des elektrischen Stroms auf den Magneten.
magnetischen Meridian zu erhalten strebt, und die drehende Kraft
des Stromes, welche sie senkrecht zur Ebene des Meridians zu stellen
sucht. Die Nadel nimmt daher eine mittlere Lage n' s' an, in wel-
cher die auf sie wirkenden Componenten der erdmagnetischen Kraft
n' x und der drehenden Kraft n' y sich das Gleichgewicht halten. Die
Componente von n' x ist aber n' x. sin. a und die Componente von n'
y = n' y. sin. b. Es muss daher n' x. sin. a = n' y. sin. b oder,
da der Winkel b den Winkel a zu einem rechten ergänzt, also sin. b
= cos. a ist, n' x. sin. a = n' y. cos. a, demnach n' y = n' x. tgt. a sein.
Vergleicht man Ströme von verschiedener Intensität J, J', welche verschie-
dene Ablenkungen a, a' erzeugen, so verhalten sich somit J:J' = tgt.
a : tgt. a'. Die Instrumente, mittelst deren nach dem angegebenen Princip
die Messungen ausgeführt werden, nennt man Tangentenbussolen.
Wo es sich um die Messung starker Ströme handelt, kann man als
kreisförmigen Leiter (Fig. 234) einen einzigen breiten Kupferstreifen
wählen. Sollen schwächere Ströme gemessen werden, so wählt man
statt dessen mehrfache Lagen eines übersponnenen Kupferdrahtes, die
um einen kreisförmigen Rahmen gewickelt werden. Indem man so
den Strom mehrfach um die Magnetnadel herumleitet, wird die Wir-
kung auf dieselbe vervielfältigt. Die Ablenkungen liest man in der
Regel auf einem horizontalen, getheilten Kreise ab. Wo es sich um
die genaue Messung kleiner Ablenkungen handelt, kann statt dessen
die in §. 133 Fig. 82 beschriebene Spiegelablesung gewählt werden.

Wir haben im vorigen §. erwähnt, dass man sich der Tangentenbussole auch
bedienen kann, um die Stromstärke in absolutem elektromagnetischem Maasse zu mes-
sen. Hierzu dient folgende Erwägung. Es sei r der Radius des Bussolenkreises, so
würde, wenn in diesem Kreise ein Strom = 1 fliesst, derselbe eine r2 p mal so grosse
Wirkung ausüben, als wenn derselbe die Einheit der Fläche umflösse. Wenn wir
das magnetische Moment der Magnetnadel, in absolutem Maasse ausgedrückt, = m
und die Stromstärke nach demselben Maass (s. den vorigen §.) = 1 setzen, so wird
daher das von dem Strom auf die beiden Pole der Nadel ausgeübte Drehungsmoment
n' y nach dem Gesetz der magnetischen Fernewirkung (§. 331) = [Formel 1] sein.
Setzen wir die Intensität des Erdmagnetismus = x, so muss sonach, damit Gleichge-
wicht bestehe, mx. sin. [Formel 2] . cos. a sein, woraus folgt
[Formel 3] . tgt. a.
Hat man daher x in absolutem Maass bestimmt, so lässt sich unmittelbar auch die
Stromstärke i nach absolutem Maasse finden.

Sobald die Ablenkungen grösser werden, sind die Tangenten der
Winkel nicht mehr genau den Stromstärken proportional, weil sich dann
die Lage der Pole der Magnetnadel zu dem Strom merklich verändert.
Um diesen Uebelstand zu vermeiden, hat man der Bussole noch eine an-
dere, übrigens seltener gebrauchte Einrichtung gegeben. Dieselbe besteht

Wirkungen des elektrischen Stroms auf den Magneten.
magnetischen Meridian zu erhalten strebt, und die drehende Kraft
des Stromes, welche sie senkrecht zur Ebene des Meridians zu stellen
sucht. Die Nadel nimmt daher eine mittlere Lage n' s' an, in wel-
cher die auf sie wirkenden Componenten der erdmagnetischen Kraft
n' x und der drehenden Kraft n' y sich das Gleichgewicht halten. Die
Componente von n' x ist aber n' x. sin. α und die Componente von n'
y = n' y. sin. β. Es muss daher n' x. sin. α = n' y. sin. β oder,
da der Winkel β den Winkel α zu einem rechten ergänzt, also sin. β
= cos. α ist, n' x. sin. α = n' y. cos. α, demnach n' y = n' x. tgt. α sein.
Vergleicht man Ströme von verschiedener Intensität J, J', welche verschie-
dene Ablenkungen α, α' erzeugen, so verhalten sich somit J:J' = tgt.
α : tgt. α'. Die Instrumente, mittelst deren nach dem angegebenen Princip
die Messungen ausgeführt werden, nennt man Tangentenbussolen.
Wo es sich um die Messung starker Ströme handelt, kann man als
kreisförmigen Leiter (Fig. 234) einen einzigen breiten Kupferstreifen
wählen. Sollen schwächere Ströme gemessen werden, so wählt man
statt dessen mehrfache Lagen eines übersponnenen Kupferdrahtes, die
um einen kreisförmigen Rahmen gewickelt werden. Indem man so
den Strom mehrfach um die Magnetnadel herumleitet, wird die Wir-
kung auf dieselbe vervielfältigt. Die Ablenkungen liest man in der
Regel auf einem horizontalen, getheilten Kreise ab. Wo es sich um
die genaue Messung kleiner Ablenkungen handelt, kann statt dessen
die in §. 133 Fig. 82 beschriebene Spiegelablesung gewählt werden.

Wir haben im vorigen §. erwähnt, dass man sich der Tangentenbussole auch
bedienen kann, um die Stromstärke in absolutem elektromagnetischem Maasse zu mes-
sen. Hierzu dient folgende Erwägung. Es sei r der Radius des Bussolenkreises, so
würde, wenn in diesem Kreise ein Strom = 1 fliesst, derselbe eine r2 π mal so grosse
Wirkung ausüben, als wenn derselbe die Einheit der Fläche umflösse. Wenn wir
das magnetische Moment der Magnetnadel, in absolutem Maasse ausgedrückt, = m
und die Stromstärke nach demselben Maass (s. den vorigen §.) = 1 setzen, so wird
daher das von dem Strom auf die beiden Pole der Nadel ausgeübte Drehungsmoment
n' y nach dem Gesetz der magnetischen Fernewirkung (§. 331) = [Formel 1] sein.
Setzen wir die Intensität des Erdmagnetismus = x, so muss sonach, damit Gleichge-
wicht bestehe, mx. sin. [Formel 2] . cos. α sein, woraus folgt
[Formel 3] . tgt. α.
Hat man daher x in absolutem Maass bestimmt, so lässt sich unmittelbar auch die
Stromstärke i nach absolutem Maasse finden.

Sobald die Ablenkungen grösser werden, sind die Tangenten der
Winkel nicht mehr genau den Stromstärken proportional, weil sich dann
die Lage der Pole der Magnetnadel zu dem Strom merklich verändert.
Um diesen Uebelstand zu vermeiden, hat man der Bussole noch eine an-
dere, übrigens seltener gebrauchte Einrichtung gegeben. Dieselbe besteht

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[521/0543] Wirkungen des elektrischen Stroms auf den Magneten. magnetischen Meridian zu erhalten strebt, und die drehende Kraft des Stromes, welche sie senkrecht zur Ebene des Meridians zu stellen sucht. Die Nadel nimmt daher eine mittlere Lage n' s' an, in wel- cher die auf sie wirkenden Componenten der erdmagnetischen Kraft n' x und der drehenden Kraft n' y sich das Gleichgewicht halten. Die Componente von n' x ist aber n' x. sin. α und die Componente von n' y = n' y. sin. β. Es muss daher n' x. sin. α = n' y. sin. β oder, da der Winkel β den Winkel α zu einem rechten ergänzt, also sin. β = cos. α ist, n' x. sin. α = n' y. cos. α, demnach n' y = n' x. tgt. α sein. Vergleicht man Ströme von verschiedener Intensität J, J', welche verschie- dene Ablenkungen α, α' erzeugen, so verhalten sich somit J:J' = tgt. α : tgt. α'. Die Instrumente, mittelst deren nach dem angegebenen Princip die Messungen ausgeführt werden, nennt man Tangentenbussolen. Wo es sich um die Messung starker Ströme handelt, kann man als kreisförmigen Leiter (Fig. 234) einen einzigen breiten Kupferstreifen wählen. Sollen schwächere Ströme gemessen werden, so wählt man statt dessen mehrfache Lagen eines übersponnenen Kupferdrahtes, die um einen kreisförmigen Rahmen gewickelt werden. Indem man so den Strom mehrfach um die Magnetnadel herumleitet, wird die Wir- kung auf dieselbe vervielfältigt. Die Ablenkungen liest man in der Regel auf einem horizontalen, getheilten Kreise ab. Wo es sich um die genaue Messung kleiner Ablenkungen handelt, kann statt dessen die in §. 133 Fig. 82 beschriebene Spiegelablesung gewählt werden. Wir haben im vorigen §. erwähnt, dass man sich der Tangentenbussole auch bedienen kann, um die Stromstärke in absolutem elektromagnetischem Maasse zu mes- sen. Hierzu dient folgende Erwägung. Es sei r der Radius des Bussolenkreises, so würde, wenn in diesem Kreise ein Strom = 1 fliesst, derselbe eine r2 π mal so grosse Wirkung ausüben, als wenn derselbe die Einheit der Fläche umflösse. Wenn wir das magnetische Moment der Magnetnadel, in absolutem Maasse ausgedrückt, = m und die Stromstärke nach demselben Maass (s. den vorigen §.) = 1 setzen, so wird daher das von dem Strom auf die beiden Pole der Nadel ausgeübte Drehungsmoment n' y nach dem Gesetz der magnetischen Fernewirkung (§. 331) = [FORMEL] sein. Setzen wir die Intensität des Erdmagnetismus = x, so muss sonach, damit Gleichge- wicht bestehe, mx. sin. [FORMEL]. cos. α sein, woraus folgt [FORMEL]. tgt. α. Hat man daher x in absolutem Maass bestimmt, so lässt sich unmittelbar auch die Stromstärke i nach absolutem Maasse finden. Sobald die Ablenkungen grösser werden, sind die Tangenten der Winkel nicht mehr genau den Stromstärken proportional, weil sich dann die Lage der Pole der Magnetnadel zu dem Strom merklich verändert. Um diesen Uebelstand zu vermeiden, hat man der Bussole noch eine an- dere, übrigens seltener gebrauchte Einrichtung gegeben. Dieselbe besteht

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/543>, abgerufen am 22.12.2024.