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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Wärme.
man sich einen prismatischen Körper senkrecht zu seiner Längsaxe
in dünne, parallele Schichten zerlegt, so geschieht, wenn eine End-
schichte des Körpers erwärmt wird, die Fortpflanzung zur nächsten
Schichte um so schneller, je grösser der Temperaturunterschied ist, sie
ist aber ausserdem abhängig von einem für jeden Körper constanten
Coefficienten, der die Wärmeleitungsfähigkeit des betreffenden Körpers
ausdrückt. Bezeichnen wir diesen Coefficienten mit k, die Tempera-
tur, auf welche die Endschichte erwärmt wurde, mit t', und die Tem-
peratur der zweiten Schichte mit t, so wird demnach die Geschwin-
digkeit der Wärmeleitung ausgedrückt durch k (t' -- t). Soll nun
die Wärme nicht bloss von einer Schichte auf eine nächste, sondern
durch einen ganzen Stab von der Länge l sich fortpflanzen, so wird
dies eine l-mal längere Zeit brauchen, die Geschwindigkeit der Fort-
pflanzung wird also jetzt gemessen durch den Ausdruck
[Formel 1] .
Dieser Ausdruck wird = k, wenn t' -- t und l beide = 1 werden,
d. h. k ist diejenige Wärmemenge, welche in der Zeiteinheit auf eine
in der Einheit der Entfernung befindliche Schichte übergeht, wenn
der Temperaturunterschied 1° beträgt. Die Grösse k bezeichnet man
als die innere Wärmeleitungsfähigkeit der Substanz.


277
Aeussere Lei-
tungsfähigkeit.
Relative Lei-
tungsfähigkeit.

Die innere Wärmeleitungsfähigkeit eines Körpers können wir
niemals direct bestimmen, weil jene Vorgänge der Emission und Ab-
sorption niemals auf die Schichten des Körpers beschränkt bleiben,
sondern weil derselbe immer zugleich nach aussen Wärme ausstrahlt.
Dadurch muss eine entfernte Schichte sich langsamer erwärmen, als
der inneren Leitungsfähigkeit entspricht, und sie kann überdies nie-
mals auf denjenigen Temperaturgrad sich erwärmen, welchen die erste
Schichte besitzt, sondern sie wird in einen stationären Zustand ge-
rathen, sobald sie an ihre Umgebung in der Zeiteinheit ebenso viel
Wärme abgiebt, als sie von der vorangehenden Schichte zugeführt
erhält. Der wirkliche Wärmezustand eines Körpers hängt daher nicht
bloss von seiner innern sondern auch von seiner äussern Wärme-
leitungsfähigkeit ab. Entsprechend dem Coefficienten für die innere
Leitungsfähigkeit bezeichnet man die äussere durch diejenige Wärme-
menge h, welche von der Flächeneinheit in der Zeiteinheit nach aussen
abgegeben wird, wenn die Temperaturdifferenz der Oberfläche und
der Umgebung 1° beträgt. Diese äussere Wärmeleitungsfähigkeit ist
aber eine zusammengesetzte Erscheinung: sie ist theils abhängig von
dem Emissionsvermögen des Körpers theils von dem Absorptionsver-
mögen seiner Umgebung. Lässt man den Körper im luftleeren Raume
erkalten, so kommt bloss sein Emissionsvermögen zur Beobachtung;
lässt man ihn in der Luft erkalten, so tritt gleichzeitig die Absorption

Von der Wärme.
man sich einen prismatischen Körper senkrecht zu seiner Längsaxe
in dünne, parallele Schichten zerlegt, so geschieht, wenn eine End-
schichte des Körpers erwärmt wird, die Fortpflanzung zur nächsten
Schichte um so schneller, je grösser der Temperaturunterschied ist, sie
ist aber ausserdem abhängig von einem für jeden Körper constanten
Coëfficienten, der die Wärmeleitungsfähigkeit des betreffenden Körpers
ausdrückt. Bezeichnen wir diesen Coëfficienten mit k, die Tempera-
tur, auf welche die Endschichte erwärmt wurde, mit t', und die Tem-
peratur der zweiten Schichte mit t, so wird demnach die Geschwin-
digkeit der Wärmeleitung ausgedrückt durch k (t' — t). Soll nun
die Wärme nicht bloss von einer Schichte auf eine nächste, sondern
durch einen ganzen Stab von der Länge l sich fortpflanzen, so wird
dies eine l-mal längere Zeit brauchen, die Geschwindigkeit der Fort-
pflanzung wird also jetzt gemessen durch den Ausdruck
[Formel 1] .
Dieser Ausdruck wird = k, wenn t' — t und l beide = 1 werden,
d. h. k ist diejenige Wärmemenge, welche in der Zeiteinheit auf eine
in der Einheit der Entfernung befindliche Schichte übergeht, wenn
der Temperaturunterschied 1° beträgt. Die Grösse k bezeichnet man
als die innere Wärmeleitungsfähigkeit der Substanz.


277
Aeussere Lei-
tungsfähigkeit.
Relative Lei-
tungsfähigkeit.

Die innere Wärmeleitungsfähigkeit eines Körpers können wir
niemals direct bestimmen, weil jene Vorgänge der Emission und Ab-
sorption niemals auf die Schichten des Körpers beschränkt bleiben,
sondern weil derselbe immer zugleich nach aussen Wärme ausstrahlt.
Dadurch muss eine entfernte Schichte sich langsamer erwärmen, als
der inneren Leitungsfähigkeit entspricht, und sie kann überdies nie-
mals auf denjenigen Temperaturgrad sich erwärmen, welchen die erste
Schichte besitzt, sondern sie wird in einen stationären Zustand ge-
rathen, sobald sie an ihre Umgebung in der Zeiteinheit ebenso viel
Wärme abgiebt, als sie von der vorangehenden Schichte zugeführt
erhält. Der wirkliche Wärmezustand eines Körpers hängt daher nicht
bloss von seiner innern sondern auch von seiner äussern Wärme-
leitungsfähigkeit ab. Entsprechend dem Coëfficienten für die innere
Leitungsfähigkeit bezeichnet man die äussere durch diejenige Wärme-
menge h, welche von der Flächeneinheit in der Zeiteinheit nach aussen
abgegeben wird, wenn die Temperaturdifferenz der Oberfläche und
der Umgebung 1° beträgt. Diese äussere Wärmeleitungsfähigkeit ist
aber eine zusammengesetzte Erscheinung: sie ist theils abhängig von
dem Emissionsvermögen des Körpers theils von dem Absorptionsver-
mögen seiner Umgebung. Lässt man den Körper im luftleeren Raume
erkalten, so kommt bloss sein Emissionsvermögen zur Beobachtung;
lässt man ihn in der Luft erkalten, so tritt gleichzeitig die Absorption

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[414/0436] Von der Wärme. man sich einen prismatischen Körper senkrecht zu seiner Längsaxe in dünne, parallele Schichten zerlegt, so geschieht, wenn eine End- schichte des Körpers erwärmt wird, die Fortpflanzung zur nächsten Schichte um so schneller, je grösser der Temperaturunterschied ist, sie ist aber ausserdem abhängig von einem für jeden Körper constanten Coëfficienten, der die Wärmeleitungsfähigkeit des betreffenden Körpers ausdrückt. Bezeichnen wir diesen Coëfficienten mit k, die Tempera- tur, auf welche die Endschichte erwärmt wurde, mit t', und die Tem- peratur der zweiten Schichte mit t, so wird demnach die Geschwin- digkeit der Wärmeleitung ausgedrückt durch k (t' — t). Soll nun die Wärme nicht bloss von einer Schichte auf eine nächste, sondern durch einen ganzen Stab von der Länge l sich fortpflanzen, so wird dies eine l-mal längere Zeit brauchen, die Geschwindigkeit der Fort- pflanzung wird also jetzt gemessen durch den Ausdruck [FORMEL]. Dieser Ausdruck wird = k, wenn t' — t und l beide = 1 werden, d. h. k ist diejenige Wärmemenge, welche in der Zeiteinheit auf eine in der Einheit der Entfernung befindliche Schichte übergeht, wenn der Temperaturunterschied 1° beträgt. Die Grösse k bezeichnet man als die innere Wärmeleitungsfähigkeit der Substanz. Die innere Wärmeleitungsfähigkeit eines Körpers können wir niemals direct bestimmen, weil jene Vorgänge der Emission und Ab- sorption niemals auf die Schichten des Körpers beschränkt bleiben, sondern weil derselbe immer zugleich nach aussen Wärme ausstrahlt. Dadurch muss eine entfernte Schichte sich langsamer erwärmen, als der inneren Leitungsfähigkeit entspricht, und sie kann überdies nie- mals auf denjenigen Temperaturgrad sich erwärmen, welchen die erste Schichte besitzt, sondern sie wird in einen stationären Zustand ge- rathen, sobald sie an ihre Umgebung in der Zeiteinheit ebenso viel Wärme abgiebt, als sie von der vorangehenden Schichte zugeführt erhält. Der wirkliche Wärmezustand eines Körpers hängt daher nicht bloss von seiner innern sondern auch von seiner äussern Wärme- leitungsfähigkeit ab. Entsprechend dem Coëfficienten für die innere Leitungsfähigkeit bezeichnet man die äussere durch diejenige Wärme- menge h, welche von der Flächeneinheit in der Zeiteinheit nach aussen abgegeben wird, wenn die Temperaturdifferenz der Oberfläche und der Umgebung 1° beträgt. Diese äussere Wärmeleitungsfähigkeit ist aber eine zusammengesetzte Erscheinung: sie ist theils abhängig von dem Emissionsvermögen des Körpers theils von dem Absorptionsver- mögen seiner Umgebung. Lässt man den Körper im luftleeren Raume erkalten, so kommt bloss sein Emissionsvermögen zur Beobachtung; lässt man ihn in der Luft erkalten, so tritt gleichzeitig die Absorption

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/436>, abgerufen am 23.12.2024.