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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte.
von 2 Mm. die Drehung im äussersten Roth 34°,98 beträgt. Wendet
man weisses statt des homogenen Lichtes an, so erscheint natürlich
das Centrum der Polarisationsfigur immer gefärbt; denn bei einer
kleineren Drehung, bei welcher Roth vollständig ausgelöscht ist, sind
die andern Farben in um so grösserer Intensität vorhanden, bei einer
stärkeren Drehung sinkt die Intensität der brechbareren Strahlen, und
die der minder brechbaren wächst wieder.

Eine Andeutung über die Ursache der erörterten Erscheinung235
Structur des
Quarzes. Erklä-
rung der Dre-
hungserschei-
nungen.

giebt uns die Krystallform des Quarzes. Die Grundform desselben
ist die Combination der sechsseitigen Säule mit der doppeltsechsseitigen
Pyramide. An den Ecken, an welchen die Kanten der Säule mit
denen der Pyramide zusammenstossen, kommen aber Flächen vor, die
nicht symmetrisch zu den Krystallaxen liegen, und die sich als an-
gehörig Pyramiden oder Rhomboedern auffassen lassen, welche in die
ursprüngliche Krystallform hineingeschoben sind, und deren Axen mit
den Axen der Hauptform des Krystalls nicht zusammenfallen. Wenn
die Ellipse a b (Fig. 180) einen mittelst einer senkrechten Ebene ge-

[Abbildung] Fig. 180.
führten Durchschnitt durch das Ela-
sticitätsellipsoid der Hauptform be-
deutet, so sind c d, e f die Elastici-
tätsellipsoide solcher hemiedrischer
Formen. Fällt nun also ein Licht-
strahl l m senkrecht auf die Platte
S S auf, so würde derselbe, wenn
das Ellipsoid a b allein vorhanden
wäre, unzerlegt hindurchgehen, wäre
dagegen c d das einzige Ellip-
soid, so würde er in einen ordentlichen senkrecht zu S S schwingen-
den Strahl m n und in einen ausserordentlichen, parallel S S schwin-
genden Strahl m o zerfallen; wäre endlich e f das einzige Ellipsoid,
so würde wieder m n der ordentliche und dagegen m p der ausser-
ordentliche Strahl sein. Die beiden Ellipsoide c d und e f zusammen
werden also bewirken, dass der Strahl l m alsbald bei seinem Eintritt
[Abbildung] Fig. 181.
in zwei Paare von Componenten zerfällt, wobei
die eine Componente, die senkrecht zu S S
ist, für beide Paare die nämliche Richtung hat.
Nun kann man jede beliebige lineare Schwin-
gung a b (Fig. 181) bestehend denken aus
zwei Circularschwingungen a c b d und
a d b c, folglich, da jede Circularschwingung
aus zwei senkrecht zu einander polarisirten li-
nearen Schwingungen hervorgeht (s. §. 218),
aus zwei zu einander senkrechten Componen-

Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte.
von 2 Mm. die Drehung im äussersten Roth 34°,98 beträgt. Wendet
man weisses statt des homogenen Lichtes an, so erscheint natürlich
das Centrum der Polarisationsfigur immer gefärbt; denn bei einer
kleineren Drehung, bei welcher Roth vollständig ausgelöscht ist, sind
die andern Farben in um so grösserer Intensität vorhanden, bei einer
stärkeren Drehung sinkt die Intensität der brechbareren Strahlen, und
die der minder brechbaren wächst wieder.

Eine Andeutung über die Ursache der erörterten Erscheinung235
Structur des
Quarzes. Erklä-
rung der Dre-
hungserschei-
nungen.

giebt uns die Krystallform des Quarzes. Die Grundform desselben
ist die Combination der sechsseitigen Säule mit der doppeltsechsseitigen
Pyramide. An den Ecken, an welchen die Kanten der Säule mit
denen der Pyramide zusammenstossen, kommen aber Flächen vor, die
nicht symmetrisch zu den Krystallaxen liegen, und die sich als an-
gehörig Pyramiden oder Rhomboëdern auffassen lassen, welche in die
ursprüngliche Krystallform hineingeschoben sind, und deren Axen mit
den Axen der Hauptform des Krystalls nicht zusammenfallen. Wenn
die Ellipse a b (Fig. 180) einen mittelst einer senkrechten Ebene ge-

[Abbildung] Fig. 180.
führten Durchschnitt durch das Ela-
sticitätsellipsoid der Hauptform be-
deutet, so sind c d, e f die Elastici-
tätsellipsoide solcher hemiëdrischer
Formen. Fällt nun also ein Licht-
strahl l m senkrecht auf die Platte
S S auf, so würde derselbe, wenn
das Ellipsoid a b allein vorhanden
wäre, unzerlegt hindurchgehen, wäre
dagegen c d das einzige Ellip-
soid, so würde er in einen ordentlichen senkrecht zu S S schwingen-
den Strahl m n und in einen ausserordentlichen, parallel S S schwin-
genden Strahl m o zerfallen; wäre endlich e f das einzige Ellipsoid,
so würde wieder m n der ordentliche und dagegen m p der ausser-
ordentliche Strahl sein. Die beiden Ellipsoide c d und e f zusammen
werden also bewirken, dass der Strahl l m alsbald bei seinem Eintritt
[Abbildung] Fig. 181.
in zwei Paare von Componenten zerfällt, wobei
die eine Componente, die senkrecht zu S S
ist, für beide Paare die nämliche Richtung hat.
Nun kann man jede beliebige lineare Schwin-
gung a b (Fig. 181) bestehend denken aus
zwei Circularschwingungen a c b d und
a d b c, folglich, da jede Circularschwingung
aus zwei senkrecht zu einander polarisirten li-
nearen Schwingungen hervorgeht (s. §. 218),
aus zwei zu einander senkrechten Componen-

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[351/0373] Interferenzerscheinungen im polarisirten Lichte. von 2 Mm. die Drehung im äussersten Roth 34°,98 beträgt. Wendet man weisses statt des homogenen Lichtes an, so erscheint natürlich das Centrum der Polarisationsfigur immer gefärbt; denn bei einer kleineren Drehung, bei welcher Roth vollständig ausgelöscht ist, sind die andern Farben in um so grösserer Intensität vorhanden, bei einer stärkeren Drehung sinkt die Intensität der brechbareren Strahlen, und die der minder brechbaren wächst wieder. Eine Andeutung über die Ursache der erörterten Erscheinung giebt uns die Krystallform des Quarzes. Die Grundform desselben ist die Combination der sechsseitigen Säule mit der doppeltsechsseitigen Pyramide. An den Ecken, an welchen die Kanten der Säule mit denen der Pyramide zusammenstossen, kommen aber Flächen vor, die nicht symmetrisch zu den Krystallaxen liegen, und die sich als an- gehörig Pyramiden oder Rhomboëdern auffassen lassen, welche in die ursprüngliche Krystallform hineingeschoben sind, und deren Axen mit den Axen der Hauptform des Krystalls nicht zusammenfallen. Wenn die Ellipse a b (Fig. 180) einen mittelst einer senkrechten Ebene ge- [Abbildung Fig. 180.] führten Durchschnitt durch das Ela- sticitätsellipsoid der Hauptform be- deutet, so sind c d, e f die Elastici- tätsellipsoide solcher hemiëdrischer Formen. Fällt nun also ein Licht- strahl l m senkrecht auf die Platte S S auf, so würde derselbe, wenn das Ellipsoid a b allein vorhanden wäre, unzerlegt hindurchgehen, wäre dagegen c d das einzige Ellip- soid, so würde er in einen ordentlichen senkrecht zu S S schwingen- den Strahl m n und in einen ausserordentlichen, parallel S S schwin- genden Strahl m o zerfallen; wäre endlich e f das einzige Ellipsoid, so würde wieder m n der ordentliche und dagegen m p der ausser- ordentliche Strahl sein. Die beiden Ellipsoide c d und e f zusammen werden also bewirken, dass der Strahl l m alsbald bei seinem Eintritt [Abbildung Fig. 181.] in zwei Paare von Componenten zerfällt, wobei die eine Componente, die senkrecht zu S S ist, für beide Paare die nämliche Richtung hat. Nun kann man jede beliebige lineare Schwin- gung a b (Fig. 181) bestehend denken aus zwei Circularschwingungen a c b d und a d b c, folglich, da jede Circularschwingung aus zwei senkrecht zu einander polarisirten li- nearen Schwingungen hervorgeht (s. §. 218), aus zwei zu einander senkrechten Componen- 235 Structur des Quarzes. Erklä- rung der Dre- hungserschei- nungen.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/373>, abgerufen am 04.05.2024.