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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Lichte.
wenn es auf grössere Genauigkeit ankommt, mit dem Kathetome-
ter
ausgeführt, einem an einem verticalen Maassstab horizontal an-
gebrachten Fernrohr, welches durch eine genaue Mikrometerschraube
an dem Maassstab auf- und abbewegt werden kann. Der Maassstab
ist in Millimeter getheilt, und mit dem Fernrohr bewegt sich auf dem
Maassstab ein Nonius, so dass mit Zuhülfenahme der Lupe leicht
Höhenunterschiede im Stand des Fernrohrs von 0,05 Mm. bestimmt
werden können. Man gebraucht das Kathetometer, um z. B. die Hö-
hen von Flüssigkeitssäulen zu messen (bei Untersuchungen über die
Ausdehnung von Flüssigkeiten durch die Wärme, bei Barometerab-
lesungen), ferner um bei der Untersuchung der Elasticität der Körper
ihre Dehnung durch Gewichte zu bestimmen, u. s. w. Hier und in
manchen andern Fällen lässt sich aber häufig das kostspielige Kathe-
tometer durch das einfache Fernrohr ersetzen. Man befestigt z. B. am
untern Ende des auszudehnenden Körpers einen genauen Maassstab
und bringt mit einem bestimmten Theilstrich dieses Maassstabs die
horizontale Linie des Fadenkreuzes zur Deckung. Nach geschehener
Ausdehnung wird ein anderer Theilstrich mit diesem Faden zusam-
menfallen. In der Physiologie hat man sich solcher Verfahrungswei-
sen bedient, um die Dehnbarkeit der Muskeln und anderer Gewebe
zu messen. Viel häufiger noch als zu Längenmessungen wird das
Fernrohr zu Winkelmessungen gebraucht. Es dient hier namentlich,
um den Gesichtswinkel zu bestimmen, unter welchem ein in der Ferne
befindlicher Gegenstand erscheint. Aus dem Gesichtswinkel kann aber,
wenn wir die Entfernung s des beobachteten Objectes kennen, die
Grösse des letztern berechnet werden. Denn findet sich, dass das
Fernrohr aus seiner horizontalen Richtung um die Winkel a und b
gedreht werden muss, damit die horizontale oder verticale Linie seines
Fadenkreuzes zuerst mit dem einen und dann mit dem andern Ende
des Gegenstandes zusammenfalle, so ist offenbar die gemessene Länge
= s. (tgt. a + tgt. b). Für geodätische Zwecke wendet man das
Fernrohr zu derartigen Messungen in Gestalt des Theodolithen
an, eines Fernrohrs, welches an einem horizontalen und verticalen, mit
Nonius versehenen Winkelkreis gedreht wird.

Da der oben mehrfach erwähnte Nonius ein sehr gebräuchliches Mittel bei
derartigen Messungen ist, so wollen wir denselben hier kurz erläutern. Das Princip
des Nonius besteht darin, dass man eine bestimmte Länge des Maassstabes in eine um
1 grössere Zahl von Theilen eintheilt und die so gewonnene Theilung auf einen beson-
deren Maassstab überträgt: dieser letztere ist dann der Nonius. Man überträgt z. B.
auf den Nonius 11 Millim. eines Millimetermaassstabes und theilt diese Länge in
10 Theile ein: es ist dann jeder Theil des Nonius um 1/10 Millim. grösser als ein
Theil des Maassstabes. Fällt nun auf das Ende einer zu messenden Länge kein
Theilstrich des Millimetermaassstabes, so stellt man den Nullpunkt des Nonius auf
diesen Punkt ein und sieht dann zu, mit welchem weiter unten gelegenen Theilstrich

Von dem Lichte.
wenn es auf grössere Genauigkeit ankommt, mit dem Kathetome-
ter
ausgeführt, einem an einem verticalen Maassstab horizontal an-
gebrachten Fernrohr, welches durch eine genaue Mikrometerschraube
an dem Maassstab auf- und abbewegt werden kann. Der Maassstab
ist in Millimeter getheilt, und mit dem Fernrohr bewegt sich auf dem
Maassstab ein Nonius, so dass mit Zuhülfenahme der Lupe leicht
Höhenunterschiede im Stand des Fernrohrs von 0,05 Mm. bestimmt
werden können. Man gebraucht das Kathetometer, um z. B. die Hö-
hen von Flüssigkeitssäulen zu messen (bei Untersuchungen über die
Ausdehnung von Flüssigkeiten durch die Wärme, bei Barometerab-
lesungen), ferner um bei der Untersuchung der Elasticität der Körper
ihre Dehnung durch Gewichte zu bestimmen, u. s. w. Hier und in
manchen andern Fällen lässt sich aber häufig das kostspielige Kathe-
tometer durch das einfache Fernrohr ersetzen. Man befestigt z. B. am
untern Ende des auszudehnenden Körpers einen genauen Maassstab
und bringt mit einem bestimmten Theilstrich dieses Maassstabs die
horizontale Linie des Fadenkreuzes zur Deckung. Nach geschehener
Ausdehnung wird ein anderer Theilstrich mit diesem Faden zusam-
menfallen. In der Physiologie hat man sich solcher Verfahrungswei-
sen bedient, um die Dehnbarkeit der Muskeln und anderer Gewebe
zu messen. Viel häufiger noch als zu Längenmessungen wird das
Fernrohr zu Winkelmessungen gebraucht. Es dient hier namentlich,
um den Gesichtswinkel zu bestimmen, unter welchem ein in der Ferne
befindlicher Gegenstand erscheint. Aus dem Gesichtswinkel kann aber,
wenn wir die Entfernung s des beobachteten Objectes kennen, die
Grösse des letztern berechnet werden. Denn findet sich, dass das
Fernrohr aus seiner horizontalen Richtung um die Winkel α und β
gedreht werden muss, damit die horizontale oder verticale Linie seines
Fadenkreuzes zuerst mit dem einen und dann mit dem andern Ende
des Gegenstandes zusammenfalle, so ist offenbar die gemessene Länge
= s. (tgt. α + tgt. β). Für geodätische Zwecke wendet man das
Fernrohr zu derartigen Messungen in Gestalt des Theodolithen
an, eines Fernrohrs, welches an einem horizontalen und verticalen, mit
Nonius versehenen Winkelkreis gedreht wird.

Da der oben mehrfach erwähnte Nonius ein sehr gebräuchliches Mittel bei
derartigen Messungen ist, so wollen wir denselben hier kurz erläutern. Das Princip
des Nonius besteht darin, dass man eine bestimmte Länge des Maassstabes in eine um
1 grössere Zahl von Theilen eintheilt und die so gewonnene Theilung auf einen beson-
deren Maassstab überträgt: dieser letztere ist dann der Nonius. Man überträgt z. B.
auf den Nonius 11 Millim. eines Millimetermaassstabes und theilt diese Länge in
10 Theile ein: es ist dann jeder Theil des Nonius um 1/10 Millim. grösser als ein
Theil des Maassstabes. Fällt nun auf das Ende einer zu messenden Länge kein
Theilstrich des Millimetermaassstabes, so stellt man den Nullpunkt des Nonius auf
diesen Punkt ein und sieht dann zu, mit welchem weiter unten gelegenen Theilstrich

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[296/0318] Von dem Lichte. wenn es auf grössere Genauigkeit ankommt, mit dem Kathetome- ter ausgeführt, einem an einem verticalen Maassstab horizontal an- gebrachten Fernrohr, welches durch eine genaue Mikrometerschraube an dem Maassstab auf- und abbewegt werden kann. Der Maassstab ist in Millimeter getheilt, und mit dem Fernrohr bewegt sich auf dem Maassstab ein Nonius, so dass mit Zuhülfenahme der Lupe leicht Höhenunterschiede im Stand des Fernrohrs von 0,05 Mm. bestimmt werden können. Man gebraucht das Kathetometer, um z. B. die Hö- hen von Flüssigkeitssäulen zu messen (bei Untersuchungen über die Ausdehnung von Flüssigkeiten durch die Wärme, bei Barometerab- lesungen), ferner um bei der Untersuchung der Elasticität der Körper ihre Dehnung durch Gewichte zu bestimmen, u. s. w. Hier und in manchen andern Fällen lässt sich aber häufig das kostspielige Kathe- tometer durch das einfache Fernrohr ersetzen. Man befestigt z. B. am untern Ende des auszudehnenden Körpers einen genauen Maassstab und bringt mit einem bestimmten Theilstrich dieses Maassstabs die horizontale Linie des Fadenkreuzes zur Deckung. Nach geschehener Ausdehnung wird ein anderer Theilstrich mit diesem Faden zusam- menfallen. In der Physiologie hat man sich solcher Verfahrungswei- sen bedient, um die Dehnbarkeit der Muskeln und anderer Gewebe zu messen. Viel häufiger noch als zu Längenmessungen wird das Fernrohr zu Winkelmessungen gebraucht. Es dient hier namentlich, um den Gesichtswinkel zu bestimmen, unter welchem ein in der Ferne befindlicher Gegenstand erscheint. Aus dem Gesichtswinkel kann aber, wenn wir die Entfernung s des beobachteten Objectes kennen, die Grösse des letztern berechnet werden. Denn findet sich, dass das Fernrohr aus seiner horizontalen Richtung um die Winkel α und β gedreht werden muss, damit die horizontale oder verticale Linie seines Fadenkreuzes zuerst mit dem einen und dann mit dem andern Ende des Gegenstandes zusammenfalle, so ist offenbar die gemessene Länge = s. (tgt. α + tgt. β). Für geodätische Zwecke wendet man das Fernrohr zu derartigen Messungen in Gestalt des Theodolithen an, eines Fernrohrs, welches an einem horizontalen und verticalen, mit Nonius versehenen Winkelkreis gedreht wird. Da der oben mehrfach erwähnte Nonius ein sehr gebräuchliches Mittel bei derartigen Messungen ist, so wollen wir denselben hier kurz erläutern. Das Princip des Nonius besteht darin, dass man eine bestimmte Länge des Maassstabes in eine um 1 grössere Zahl von Theilen eintheilt und die so gewonnene Theilung auf einen beson- deren Maassstab überträgt: dieser letztere ist dann der Nonius. Man überträgt z. B. auf den Nonius 11 Millim. eines Millimetermaassstabes und theilt diese Länge in 10 Theile ein: es ist dann jeder Theil des Nonius um 1/10 Millim. grösser als ein Theil des Maassstabes. Fällt nun auf das Ende einer zu messenden Länge kein Theilstrich des Millimetermaassstabes, so stellt man den Nullpunkt des Nonius auf diesen Punkt ein und sieht dann zu, mit welchem weiter unten gelegenen Theilstrich

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/318>, abgerufen am 06.05.2024.