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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 6. Die reinen Empfindungen.
Richtung abnimmt. Dieser für die Sättigung günstigste
Helligkeitswerth ist übrigens nicht für alle Farbenempfin-
dungen der nämliche, sondern er stuft sich von Roth nach
Blau derart ab, dass er für Roth am höchsten, für Blau am
niedrigsten liegt. Hieraus erklärt sich die bekannte Er-
scheinung, dass in der Dämmerung, also bei schwacher
Helligkeitsempfindung, die blauen Farbentöne z. B. an Ge-
mälden noch deutlich empfunden werden, während die rothen
schon schwarz aussehen.

18. Sieht man von dieser etwas verschiedenen Lage
der Punkte maximaler Sättigung in der Linie der Helligkeits-
grade jeder einzelnen Farbe ab, so lässt sich nun der Be-
ziehung, in welche durch den allmählichen Uebergang in
Weiß einerseits und in Schwarz anderseits das System der
farbigen Helligkeitsempfindungen zu dem der reinen
oder farblosen Helligkeitsempfindungen tritt, offenbar am
einfachsten in folgender Weise Ausdruck geben. Denkt man
sich das System der reinen Farbentöne oder der Farben im
Maximum ihrer Sättigung wie oben als Kreislinie dargestellt,
und denkt man sich in dem Mittelpunkte der zu dieser Linie
gehörigen Kreisfläche die Linie der reinen Helligkeitsempfin-
dungen als senkrechte Gerade derart aufgetragen, dass in
den Mittelpunkt des Kreises die dem Minimum der Sättigung
entsprechende farblose Empfindung fällt, so werden sich in
analoger Weise die Farbensysteme zunehmender und ab-
nehmender Helligkeit oben und unten von jenem Kreis
größter Farbensättigung auftragen lassen. Dabei wird dann
aber hier wie dort die allmähliche Abnahme der Sättigungen
durch den immer mehr abnehmenden Halbmesser der con-
tinuirlich aneinander gefügten Farbenkreise auszudrücken
sein, bis endlich an den beiden Endpunkten der Linie der
reinen Helligkeitsempfindungen die Kreise ganz verschwinden,
entsprechend dem Satze, dass für jede Farbe das Maximum

§ 6. Die reinen Empfindungen.
Richtung abnimmt. Dieser für die Sättigung günstigste
Helligkeitswerth ist übrigens nicht für alle Farbenempfin-
dungen der nämliche, sondern er stuft sich von Roth nach
Blau derart ab, dass er für Roth am höchsten, für Blau am
niedrigsten liegt. Hieraus erklärt sich die bekannte Er-
scheinung, dass in der Dämmerung, also bei schwacher
Helligkeitsempfindung, die blauen Farbentöne z. B. an Ge-
mälden noch deutlich empfunden werden, während die rothen
schon schwarz aussehen.

18. Sieht man von dieser etwas verschiedenen Lage
der Punkte maximaler Sättigung in der Linie der Helligkeits-
grade jeder einzelnen Farbe ab, so lässt sich nun der Be-
ziehung, in welche durch den allmählichen Uebergang in
Weiß einerseits und in Schwarz anderseits das System der
farbigen Helligkeitsempfindungen zu dem der reinen
oder farblosen Helligkeitsempfindungen tritt, offenbar am
einfachsten in folgender Weise Ausdruck geben. Denkt man
sich das System der reinen Farbentöne oder der Farben im
Maximum ihrer Sättigung wie oben als Kreislinie dargestellt,
und denkt man sich in dem Mittelpunkte der zu dieser Linie
gehörigen Kreisfläche die Linie der reinen Helligkeitsempfin-
dungen als senkrechte Gerade derart aufgetragen, dass in
den Mittelpunkt des Kreises die dem Minimum der Sättigung
entsprechende farblose Empfindung fällt, so werden sich in
analoger Weise die Farbensysteme zunehmender und ab-
nehmender Helligkeit oben und unten von jenem Kreis
größter Farbensättigung auftragen lassen. Dabei wird dann
aber hier wie dort die allmähliche Abnahme der Sättigungen
durch den immer mehr abnehmenden Halbmesser der con-
tinuirlich aneinander gefügten Farbenkreise auszudrücken
sein, bis endlich an den beiden Endpunkten der Linie der
reinen Helligkeitsempfindungen die Kreise ganz verschwinden,
entsprechend dem Satze, dass für jede Farbe das Maximum

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[71/0087] § 6. Die reinen Empfindungen. Richtung abnimmt. Dieser für die Sättigung günstigste Helligkeitswerth ist übrigens nicht für alle Farbenempfin- dungen der nämliche, sondern er stuft sich von Roth nach Blau derart ab, dass er für Roth am höchsten, für Blau am niedrigsten liegt. Hieraus erklärt sich die bekannte Er- scheinung, dass in der Dämmerung, also bei schwacher Helligkeitsempfindung, die blauen Farbentöne z. B. an Ge- mälden noch deutlich empfunden werden, während die rothen schon schwarz aussehen. 18. Sieht man von dieser etwas verschiedenen Lage der Punkte maximaler Sättigung in der Linie der Helligkeits- grade jeder einzelnen Farbe ab, so lässt sich nun der Be- ziehung, in welche durch den allmählichen Uebergang in Weiß einerseits und in Schwarz anderseits das System der farbigen Helligkeitsempfindungen zu dem der reinen oder farblosen Helligkeitsempfindungen tritt, offenbar am einfachsten in folgender Weise Ausdruck geben. Denkt man sich das System der reinen Farbentöne oder der Farben im Maximum ihrer Sättigung wie oben als Kreislinie dargestellt, und denkt man sich in dem Mittelpunkte der zu dieser Linie gehörigen Kreisfläche die Linie der reinen Helligkeitsempfin- dungen als senkrechte Gerade derart aufgetragen, dass in den Mittelpunkt des Kreises die dem Minimum der Sättigung entsprechende farblose Empfindung fällt, so werden sich in analoger Weise die Farbensysteme zunehmender und ab- nehmender Helligkeit oben und unten von jenem Kreis größter Farbensättigung auftragen lassen. Dabei wird dann aber hier wie dort die allmähliche Abnahme der Sättigungen durch den immer mehr abnehmenden Halbmesser der con- tinuirlich aneinander gefügten Farbenkreise auszudrücken sein, bis endlich an den beiden Endpunkten der Linie der reinen Helligkeitsempfindungen die Kreise ganz verschwinden, entsprechend dem Satze, dass für jede Farbe das Maximum

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/87>, abgerufen am 24.11.2024.