Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 7. Die einfachen Gefühle.

5. Weit einfacher gestalten sich die den Intensitäts-
graden der Empfindung
parallel gehenden intensiven
und qualitativen Abstufungen der einfachen Gefühle. Sie
sind am deutlichsten bei den gleichförmigen Empfindungs-
systemen des allgemeinen Sinnes zu beobachten. Indem
jedes dieser Empfindungssysteme qualitativ gleichförmig ist,
also geometrisch annähernd durch einen einzigen Punkt
repräsentirt werden kann, können den allein übrig bleiben-
den intensiven Aenderungen der Empfindung auch nur ein-
dimensionale Gefühlsänderungen zwischen zwei Gegensätzen
entsprechen. Die neutrale Indifferenzzone ist darum hier
immer leicht zu beobachten: sie entspricht jenen mäßigen
Druck-, Wärme- und Kälteempfindungen, die mit der nor-
malen mittleren Stärke der allgemeinen Sinnesreize verbunden
sind. Die dies- und jenseits dieser Zone gelegenen einfachen
Gefühle zeigen dann einen entschieden gegensätzlichen Cha-
rakter, indem die einen im allgemeinen den Lust-, die andern
den Unlustgefühlen zugezählt werden können. (S. unten 6.)
Von diesen beiden Gegensatzgefühlen lassen sich aber mit
Sicherheit nur die Unlustgefühle durch Intensitätszunahme
der Empfindung hervorrufen. Bei den schwächeren Inten-
sitäten ist durch die Gewöhnung an mäßige Reize gerade
bei den Systemen des allgemeines Sinnes eine so bedeutende
Erweiterung der Neutralitätszone eingetreten, dass in der
Regel nur noch die Aufeinanderfolge intensiv oder qualitativ
stark verschiedener Empfindungen deutliche Gefühle hervor-
zurufen vermag. In solchen Fällen entsprechen dann die
Lustgefühle regelmäßig Empfindungen von mäßiger Stärke.

Vollkommener lässt sich, unabhängig von diesem Einfluss
des Contrastes, die gesetzmäßige Beziehung zwischen Em-
pfindungsstärke und Gefühlston bei gewissen Empfindungen
des Geschmacks- und Geruchssinns beobachten. Es wächst
hier zunächst bei schwachen Empfindungen mit Verstärkung

§ 7. Die einfachen Gefühle.

5. Weit einfacher gestalten sich die den Intensitäts-
graden der Empfindung
parallel gehenden intensiven
und qualitativen Abstufungen der einfachen Gefühle. Sie
sind am deutlichsten bei den gleichförmigen Empfindungs-
systemen des allgemeinen Sinnes zu beobachten. Indem
jedes dieser Empfindungssysteme qualitativ gleichförmig ist,
also geometrisch annähernd durch einen einzigen Punkt
repräsentirt werden kann, können den allein übrig bleiben-
den intensiven Aenderungen der Empfindung auch nur ein-
dimensionale Gefühlsänderungen zwischen zwei Gegensätzen
entsprechen. Die neutrale Indifferenzzone ist darum hier
immer leicht zu beobachten: sie entspricht jenen mäßigen
Druck-, Wärme- und Kälteempfindungen, die mit der nor-
malen mittleren Stärke der allgemeinen Sinnesreize verbunden
sind. Die dies- und jenseits dieser Zone gelegenen einfachen
Gefühle zeigen dann einen entschieden gegensätzlichen Cha-
rakter, indem die einen im allgemeinen den Lust-, die andern
den Unlustgefühlen zugezählt werden können. (S. unten 6.)
Von diesen beiden Gegensatzgefühlen lassen sich aber mit
Sicherheit nur die Unlustgefühle durch Intensitätszunahme
der Empfindung hervorrufen. Bei den schwächeren Inten-
sitäten ist durch die Gewöhnung an mäßige Reize gerade
bei den Systemen des allgemeines Sinnes eine so bedeutende
Erweiterung der Neutralitätszone eingetreten, dass in der
Regel nur noch die Aufeinanderfolge intensiv oder qualitativ
stark verschiedener Empfindungen deutliche Gefühle hervor-
zurufen vermag. In solchen Fällen entsprechen dann die
Lustgefühle regelmäßig Empfindungen von mäßiger Stärke.

Vollkommener lässt sich, unabhängig von diesem Einfluss
des Contrastes, die gesetzmäßige Beziehung zwischen Em-
pfindungsstärke und Gefühlston bei gewissen Empfindungen
des Geschmacks- und Geruchssinns beobachten. Es wächst
hier zunächst bei schwachen Empfindungen mit Verstärkung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0111" n="95"/>
          <fw place="top" type="header">§ 7. Die einfachen Gefühle.</fw><lb/>
          <p>5. Weit einfacher gestalten sich die den <hi rendition="#g">Intensitäts-<lb/>
graden der Empfindung</hi> parallel gehenden intensiven<lb/>
und qualitativen Abstufungen der einfachen Gefühle. Sie<lb/>
sind am deutlichsten bei den gleichförmigen Empfindungs-<lb/>
systemen des allgemeinen Sinnes zu beobachten. Indem<lb/>
jedes dieser Empfindungssysteme qualitativ gleichförmig ist,<lb/>
also geometrisch annähernd durch einen einzigen Punkt<lb/>
repräsentirt werden kann, können den allein übrig bleiben-<lb/>
den intensiven Aenderungen der Empfindung auch nur ein-<lb/>
dimensionale Gefühlsänderungen zwischen zwei Gegensätzen<lb/>
entsprechen. Die neutrale Indifferenzzone ist darum hier<lb/>
immer leicht zu beobachten: sie entspricht jenen mäßigen<lb/>
Druck-, Wärme- und Kälteempfindungen, die mit der nor-<lb/>
malen mittleren Stärke der allgemeinen Sinnesreize verbunden<lb/>
sind. Die dies- und jenseits dieser Zone gelegenen einfachen<lb/>
Gefühle zeigen dann einen entschieden gegensätzlichen Cha-<lb/>
rakter, indem die einen im allgemeinen den Lust-, die andern<lb/>
den Unlustgefühlen zugezählt werden können. (S. unten 6.)<lb/>
Von diesen beiden Gegensatzgefühlen lassen sich aber mit<lb/>
Sicherheit nur die Unlustgefühle durch Intensitätszunahme<lb/>
der Empfindung hervorrufen. Bei den schwächeren Inten-<lb/>
sitäten ist durch die Gewöhnung an mäßige Reize gerade<lb/>
bei den Systemen des allgemeines Sinnes eine so bedeutende<lb/>
Erweiterung der Neutralitätszone eingetreten, dass in der<lb/>
Regel nur noch die Aufeinanderfolge intensiv oder qualitativ<lb/>
stark verschiedener Empfindungen deutliche Gefühle hervor-<lb/>
zurufen vermag. In solchen Fällen entsprechen dann die<lb/>
Lustgefühle regelmäßig Empfindungen von mäßiger Stärke.</p><lb/>
          <p>Vollkommener lässt sich, unabhängig von diesem Einfluss<lb/>
des Contrastes, die gesetzmäßige Beziehung zwischen Em-<lb/>
pfindungsstärke und Gefühlston bei gewissen Empfindungen<lb/>
des Geschmacks- und Geruchssinns beobachten. Es wächst<lb/>
hier zunächst bei schwachen Empfindungen mit Verstärkung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0111] § 7. Die einfachen Gefühle. 5. Weit einfacher gestalten sich die den Intensitäts- graden der Empfindung parallel gehenden intensiven und qualitativen Abstufungen der einfachen Gefühle. Sie sind am deutlichsten bei den gleichförmigen Empfindungs- systemen des allgemeinen Sinnes zu beobachten. Indem jedes dieser Empfindungssysteme qualitativ gleichförmig ist, also geometrisch annähernd durch einen einzigen Punkt repräsentirt werden kann, können den allein übrig bleiben- den intensiven Aenderungen der Empfindung auch nur ein- dimensionale Gefühlsänderungen zwischen zwei Gegensätzen entsprechen. Die neutrale Indifferenzzone ist darum hier immer leicht zu beobachten: sie entspricht jenen mäßigen Druck-, Wärme- und Kälteempfindungen, die mit der nor- malen mittleren Stärke der allgemeinen Sinnesreize verbunden sind. Die dies- und jenseits dieser Zone gelegenen einfachen Gefühle zeigen dann einen entschieden gegensätzlichen Cha- rakter, indem die einen im allgemeinen den Lust-, die andern den Unlustgefühlen zugezählt werden können. (S. unten 6.) Von diesen beiden Gegensatzgefühlen lassen sich aber mit Sicherheit nur die Unlustgefühle durch Intensitätszunahme der Empfindung hervorrufen. Bei den schwächeren Inten- sitäten ist durch die Gewöhnung an mäßige Reize gerade bei den Systemen des allgemeines Sinnes eine so bedeutende Erweiterung der Neutralitätszone eingetreten, dass in der Regel nur noch die Aufeinanderfolge intensiv oder qualitativ stark verschiedener Empfindungen deutliche Gefühle hervor- zurufen vermag. In solchen Fällen entsprechen dann die Lustgefühle regelmäßig Empfindungen von mäßiger Stärke. Vollkommener lässt sich, unabhängig von diesem Einfluss des Contrastes, die gesetzmäßige Beziehung zwischen Em- pfindungsstärke und Gefühlston bei gewissen Empfindungen des Geschmacks- und Geruchssinns beobachten. Es wächst hier zunächst bei schwachen Empfindungen mit Verstärkung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/111
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/111>, abgerufen am 04.05.2024.