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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 7. Die einfachen Gefühle.
zwischen beiden Gegensätzen entspricht, so weit die Di-
mension, der die Gegensätze angehören, allein in Betracht
kommt, der Intensitätswerth null. Dieser Intensitätswerth
null kann aber nur dann zur Beobachtung kommen, wenn
das entsprechende Empfindungssystem ein absolut ein-
dimensionales
ist; in allen andern Fällen pflegt die in
Bezug auf einen bestimmten Empfindungsunterschied vor-
handene neutrale Mitte gleichzeitig noch einer andern
Empfindungsdimension oder sogar einer Mehrheit solcher
Dimensionen anzugehören, in der ihr ebenfalls bestimmte
Gefühlswerthe zukommen. So sind z. B. das spektrale Gelb
und Blau Gegenfarben, denen auch entgegengesetzte Ge-
fühlstöne entsprechen. Wenn man nun in der Farbenreihe
allmählich von Gelb zu Blau übergeht, so würde Grün die
neutrale Mitte zwischen beiden sein. Aber das Grün steht
selbst wieder in einem Gefühlscontrast zu seiner eigenen
Gegenfarbe, dem Purpur, und außerdem bildet es, wie jede
gesättigte Farbe, den Endpunkt einer Reihe, der die Ueber-
gänge des gleichen Farbentons zu Weiß enthält. Das System
der einfachen Tonempfindungen bildet zwar ein Continuum
von bloß einer Dimension; aber gerade hier können wir
die zugehörigen Gefühlstöne nicht in ähnlicher Weise wie
die reinen Empfindungen durch Abstraction isoliren, weil
uns die Wirklichkeit fortwährend nicht bloß Uebergänge
zwischen Tönen verschiedener Höhe, sondern auch solche
zwischen dem absolut einfachen Ton und dem aus einer
Fülle einfacher Töne zusammengesetzten Geräusch darbietet.
Diese Bedingungen bringen es mit sich, dass jedem mehr-
dimensionalen Empfindungssystem ein System sich durch-
kreuzender Gefühlstöne entspricht, in welchem im all-
gemeinen jeder Punkt mehreren Gefühlsdimensionen gleich-
zeitig angehört, so dass der entsprechende Gefühlston eine
Resultante aus den in den verschiedenen Empfindungs-

§ 7. Die einfachen Gefühle.
zwischen beiden Gegensätzen entspricht, so weit die Di-
mension, der die Gegensätze angehören, allein in Betracht
kommt, der Intensitätswerth null. Dieser Intensitätswerth
null kann aber nur dann zur Beobachtung kommen, wenn
das entsprechende Empfindungssystem ein absolut ein-
dimensionales
ist; in allen andern Fällen pflegt die in
Bezug auf einen bestimmten Empfindungsunterschied vor-
handene neutrale Mitte gleichzeitig noch einer andern
Empfindungsdimension oder sogar einer Mehrheit solcher
Dimensionen anzugehören, in der ihr ebenfalls bestimmte
Gefühlswerthe zukommen. So sind z. B. das spektrale Gelb
und Blau Gegenfarben, denen auch entgegengesetzte Ge-
fühlstöne entsprechen. Wenn man nun in der Farbenreihe
allmählich von Gelb zu Blau übergeht, so würde Grün die
neutrale Mitte zwischen beiden sein. Aber das Grün steht
selbst wieder in einem Gefühlscontrast zu seiner eigenen
Gegenfarbe, dem Purpur, und außerdem bildet es, wie jede
gesättigte Farbe, den Endpunkt einer Reihe, der die Ueber-
gänge des gleichen Farbentons zu Weiß enthält. Das System
der einfachen Tonempfindungen bildet zwar ein Continuum
von bloß einer Dimension; aber gerade hier können wir
die zugehörigen Gefühlstöne nicht in ähnlicher Weise wie
die reinen Empfindungen durch Abstraction isoliren, weil
uns die Wirklichkeit fortwährend nicht bloß Uebergänge
zwischen Tönen verschiedener Höhe, sondern auch solche
zwischen dem absolut einfachen Ton und dem aus einer
Fülle einfacher Töne zusammengesetzten Geräusch darbietet.
Diese Bedingungen bringen es mit sich, dass jedem mehr-
dimensionalen Empfindungssystem ein System sich durch-
kreuzender Gefühlstöne entspricht, in welchem im all-
gemeinen jeder Punkt mehreren Gefühlsdimensionen gleich-
zeitig angehört, so dass der entsprechende Gefühlston eine
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[93/0109] § 7. Die einfachen Gefühle. zwischen beiden Gegensätzen entspricht, so weit die Di- mension, der die Gegensätze angehören, allein in Betracht kommt, der Intensitätswerth null. Dieser Intensitätswerth null kann aber nur dann zur Beobachtung kommen, wenn das entsprechende Empfindungssystem ein absolut ein- dimensionales ist; in allen andern Fällen pflegt die in Bezug auf einen bestimmten Empfindungsunterschied vor- handene neutrale Mitte gleichzeitig noch einer andern Empfindungsdimension oder sogar einer Mehrheit solcher Dimensionen anzugehören, in der ihr ebenfalls bestimmte Gefühlswerthe zukommen. So sind z. B. das spektrale Gelb und Blau Gegenfarben, denen auch entgegengesetzte Ge- fühlstöne entsprechen. Wenn man nun in der Farbenreihe allmählich von Gelb zu Blau übergeht, so würde Grün die neutrale Mitte zwischen beiden sein. Aber das Grün steht selbst wieder in einem Gefühlscontrast zu seiner eigenen Gegenfarbe, dem Purpur, und außerdem bildet es, wie jede gesättigte Farbe, den Endpunkt einer Reihe, der die Ueber- gänge des gleichen Farbentons zu Weiß enthält. Das System der einfachen Tonempfindungen bildet zwar ein Continuum von bloß einer Dimension; aber gerade hier können wir die zugehörigen Gefühlstöne nicht in ähnlicher Weise wie die reinen Empfindungen durch Abstraction isoliren, weil uns die Wirklichkeit fortwährend nicht bloß Uebergänge zwischen Tönen verschiedener Höhe, sondern auch solche zwischen dem absolut einfachen Ton und dem aus einer Fülle einfacher Töne zusammengesetzten Geräusch darbietet. Diese Bedingungen bringen es mit sich, dass jedem mehr- dimensionalen Empfindungssystem ein System sich durch- kreuzender Gefühlstöne entspricht, in welchem im all- gemeinen jeder Punkt mehreren Gefühlsdimensionen gleich- zeitig angehört, so dass der entsprechende Gefühlston eine Resultante aus den in den verschiedenen Empfindungs-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/109>, abgerufen am 24.11.2024.