gen verstorbenen Haußwirths Bette lag, und gab vor, sie sähe den verstorbenen Haußwirth stets vor sich sitzen, dahero sie sich einbildete, sie müste sterben. Ich verordnete sie sogleich in ein ander Bett, und an einen andern Ort zu le- gen, sie nicht allein zu lassen, und gab ihr eini- ge Artzneyen, worauf sich die falsche Bildung nebst dem Fieber und andern Zufällen gar bald verlohren, p. 45. §. 9. Man könte noch weit wunderlichere Exempel anführen, was eine verrückte Imagination für Spiele anrichten könne. Doch ist mir immer unter allen das lustigste von der Herrn Schweitzer ihrem be- schrienen Heimweh fürgekommen. Diese Leu- te werden kranck vor Verlangen. In der Kranckheit phantasiren sie beständig, und spre- chen immer von denen, welche sie verlassen müs- sen. Bißweilen stellen sie sich in der Ihrigen Platz, und bekümmern sich, wie ihre Hinter- lassene um ihrentwillen sich betrüben. Sie bilden sich ein, wie die Ihrigen öffters zu ihnen, oder sie zu jenen kämen. Und dieses setzt sich so fest in die Einbildungs-Krafft, daß wenn ein solcher auch wieder gesund wird, läßt er sich dennoch nicht mehr davon abtreiben, daß er nicht zu Hause, oder die Seinen bey ihm hie ge- wesen seyen.
gen verstorbenen Haußwirths Bette lag, und gab vor, sie saͤhe den verstorbenen Haußwirth stets vor sich sitzen, dahero sie sich einbildete, sie muͤste sterben. Ich verordnete sie sogleich in ein ander Bett, und an einen andern Ort zu le- gen, sie nicht allein zu lassen, und gab ihr eini- ge Artzneyen, worauf sich die falsche Bildung nebst dem Fieber und andern Zufaͤllen gar bald verlohren, p. 45. §. 9. Man koͤnte noch weit wunderlichere Exempel anfuͤhren, was eine verruͤckte Imagination fuͤr Spiele anrichten koͤnne. Doch ist mir immer unter allen das lustigste von der Herrn Schweitzer ihrem be- schrienen Heimweh fuͤrgekommen. Diese Leu- te werden kranck vor Verlangen. In der Kranckheit phantasiren sie bestaͤndig, und spre- chen immer von denen, welche sie verlassen muͤs- sen. Bißweilen stellen sie sich in der Ihrigen Platz, und bekuͤmmern sich, wie ihre Hinter- lassene um ihrentwillen sich betruͤben. Sie bilden sich ein, wie die Ihrigen oͤffters zu ihnen, oder sie zu jenen kaͤmen. Und dieses setzt sich so fest in die Einbildungs-Krafft, daß wenn ein solcher auch wieder gesund wird, laͤßt er sich dennoch nicht mehr davon abtreiben, daß er nicht zu Hause, oder die Seinen bey ihm hie ge- wesen seyen.
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gen verstorbenen Haußwirths Bette lag, und
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stets vor sich sitzen, dahero sie sich einbildete, sie
muͤste sterben. Ich verordnete sie sogleich in
ein ander Bett, und an einen andern Ort zu le-
gen, sie nicht allein zu lassen, und gab ihr eini-
ge Artzneyen, worauf sich die falsche Bildung
nebst dem Fieber und andern Zufaͤllen gar bald
verlohren, p. 45. §. 9. Man koͤnte noch weit
wunderlichere Exempel anfuͤhren, was eine
verruͤckte Imagination fuͤr Spiele anrichten
koͤnne. Doch ist mir immer unter allen das
lustigste von der Herrn Schweitzer ihrem be-
schrienen Heimweh fuͤrgekommen. Diese Leu-
te werden kranck vor Verlangen. In der
Kranckheit phantasiren sie bestaͤndig, und spre-
chen immer von denen, welche sie verlassen muͤs-
sen. Bißweilen stellen sie sich in der Ihrigen
Platz, und bekuͤmmern sich, wie ihre Hinter-
lassene um ihrentwillen sich betruͤben. Sie
bilden sich ein, wie die Ihrigen oͤffters zu ihnen,
oder sie zu jenen kaͤmen. Und dieses setzt sich
so fest in die Einbildungs-Krafft, daß wenn
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W. S. G. E.: Curieuse und sehr wunderbare Relation, von denen sich neuer Dingen in Servien erzeigenden Blut-Saugern oder Vampyrs. 1732, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wsge_vampyr_1732/53>, abgerufen am 28.07.2024.
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