Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898.Historisches. zu ihrem Wahlspruch erhoben hatten. Legt man nun hierzunoch, dass das unter dem Zauberstab des Seinepräfekten, Baron Haussmann, zu feenhafter Schönheit emporblühende Paris mit seinen breiten Boulevards und seinem reizenden "Bois" ein wahres El Dorado für den Liebhaber des Fahrsports geworden war, dass ferner die kaiserlichen Equipagen als Musterbilder vornehmer, korrekter Eleganz gelten konnten und Napoleon III., der selbst ein scharfes Auge für solche Dinge besass, die Leitung seines herrlichen Marstalls einem der hervorragendsten Fach- männer Europas, dem General Fleury, anvertraut hatte, so wird man es begreiflich finden, dass Paris unter dem zweiten Kaiser- reich auch auf dem Gebiete des Equipagenwesens alle anderen Hauptstädte Europas weit überflügeln konnte. Leider dauerte diese Herrlichkeit nicht gar lange. Sie zerstob wie Spreu vor dem Sturmwinde, als die Debacle mit ihren Schrecknissen hereinbrach, und obwohl heute mehr als ein Vierteljahrhundert seit den Tagen der Kommune dahingegangen ist, hat Paris seinen alten Rang noch nicht wieder eingenommen. Es fehlt eben der tonangebende Mittelpunkt um den sich die vornehme oder vor- nehm sein wollende Welt scharen könnte. Was man in dem Paris der Republik "die Gesellschaft" nennt, ist nichts als eine Sammlung von Cliquen und Coterien, die sich einander fremd, wenn nicht gar feindlich gegenüber stehen und die vereinzelt weder das Ansehen noch die Mittel besitzen, eine führende Rolle in der Weltstadt zu spielen. Im Elysee aber thront ein für sieben Jahre gewählter Präsident, dem es schon aus politischen Gründen untersagt ist, grossen Luxus zu treiben. So war es denn auch nicht die Schuld des Monsieur Faure, dass die im vorigen Jahre ängstlich diskutierte Frage, ob er wohl im stand sein würde, dem russischen Kaiserpaare bei dessen Besuch in Paris einige anständige Equipagen zur Verfügung zu stellen, sich beinahe zu einer Staatsaffaire zuspitzte. Nichts kennzeichnet den Niedergang des Pariser Equipagenwesens besser als diese allbekannte Thatsache. Zur Zeit des Kaiserreiches hätte es dem Historisches. zu ihrem Wahlspruch erhoben hatten. Legt man nun hierzunoch, dass das unter dem Zauberstab des Seinepräfekten, Baron Haussmann, zu feenhafter Schönheit emporblühende Paris mit seinen breiten Boulevards und seinem reizenden „Bois“ ein wahres El Dorado für den Liebhaber des Fahrsports geworden war, dass ferner die kaiserlichen Equipagen als Musterbilder vornehmer, korrekter Eleganz gelten konnten und Napoleon III., der selbst ein scharfes Auge für solche Dinge besass, die Leitung seines herrlichen Marstalls einem der hervorragendsten Fach- männer Europas, dem General Fleury, anvertraut hatte, so wird man es begreiflich finden, dass Paris unter dem zweiten Kaiser- reich auch auf dem Gebiete des Equipagenwesens alle anderen Hauptstädte Europas weit überflügeln konnte. Leider dauerte diese Herrlichkeit nicht gar lange. Sie zerstob wie Spreu vor dem Sturmwinde, als die Débâcle mit ihren Schrecknissen hereinbrach, und obwohl heute mehr als ein Vierteljahrhundert seit den Tagen der Kommune dahingegangen ist, hat Paris seinen alten Rang noch nicht wieder eingenommen. Es fehlt eben der tonangebende Mittelpunkt um den sich die vornehme oder vor- nehm sein wollende Welt scharen könnte. Was man in dem Paris der Republik „die Gesellschaft“ nennt, ist nichts als eine Sammlung von Cliquen und Coterien, die sich einander fremd, wenn nicht gar feindlich gegenüber stehen und die vereinzelt weder das Ansehen noch die Mittel besitzen, eine führende Rolle in der Weltstadt zu spielen. Im Elysée aber thront ein für sieben Jahre gewählter Präsident, dem es schon aus politischen Gründen untersagt ist, grossen Luxus zu treiben. So war es denn auch nicht die Schuld des Monsieur Faure, dass die im vorigen Jahre ängstlich diskutierte Frage, ob er wohl im stand sein würde, dem russischen Kaiserpaare bei dessen Besuch in Paris einige anständige Equipagen zur Verfügung zu stellen, sich beinahe zu einer Staatsaffaire zuspitzte. Nichts kennzeichnet den Niedergang des Pariser Equipagenwesens besser als diese allbekannte Thatsache. Zur Zeit des Kaiserreiches hätte es dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="13"/><fw place="top" type="header">Historisches.</fw><lb/> zu ihrem Wahlspruch erhoben hatten. 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Historisches.
zu ihrem Wahlspruch erhoben hatten. Legt man nun hierzu
noch, dass das unter dem Zauberstab des Seinepräfekten, Baron
Haussmann, zu feenhafter Schönheit emporblühende Paris mit
seinen breiten Boulevards und seinem reizenden „Bois“ ein
wahres El Dorado für den Liebhaber des Fahrsports geworden
war, dass ferner die kaiserlichen Equipagen als Musterbilder
vornehmer, korrekter Eleganz gelten konnten und Napoleon III.,
der selbst ein scharfes Auge für solche Dinge besass, die Leitung
seines herrlichen Marstalls einem der hervorragendsten Fach-
männer Europas, dem General Fleury, anvertraut hatte, so wird
man es begreiflich finden, dass Paris unter dem zweiten Kaiser-
reich auch auf dem Gebiete des Equipagenwesens alle anderen
Hauptstädte Europas weit überflügeln konnte. Leider dauerte
diese Herrlichkeit nicht gar lange. Sie zerstob wie Spreu vor
dem Sturmwinde, als die Débâcle mit ihren Schrecknissen
hereinbrach, und obwohl heute mehr als ein Vierteljahrhundert
seit den Tagen der Kommune dahingegangen ist, hat Paris seinen
alten Rang noch nicht wieder eingenommen. Es fehlt eben der
tonangebende Mittelpunkt um den sich die vornehme oder vor-
nehm sein wollende Welt scharen könnte. Was man in dem
Paris der Republik „die Gesellschaft“ nennt, ist nichts als eine
Sammlung von Cliquen und Coterien, die sich einander fremd,
wenn nicht gar feindlich gegenüber stehen und die vereinzelt
weder das Ansehen noch die Mittel besitzen, eine führende
Rolle in der Weltstadt zu spielen. Im Elysée aber thront ein für
sieben Jahre gewählter Präsident, dem es schon aus politischen
Gründen untersagt ist, grossen Luxus zu treiben. So war es
denn auch nicht die Schuld des Monsieur Faure, dass die im
vorigen Jahre ängstlich diskutierte Frage, ob er wohl im stand
sein würde, dem russischen Kaiserpaare bei dessen Besuch in
Paris einige anständige Equipagen zur Verfügung zu stellen, sich
beinahe zu einer Staatsaffaire zuspitzte. Nichts kennzeichnet
den Niedergang des Pariser Equipagenwesens besser als diese
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