Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Woyt, Johann Jacob: Gazophylacium Medico-Physicum, Oder Schatz-Kammer Medicinisch- und Natürlicher Dinge. 9. Aufl. Leipzig, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

PH
dürffte; dahero kan in der Zeit der Noth zu aller Zeit und Stunde die
Ader gelassen werden. Die Zeit der Commodität ist insgemein der Herbst,
und das Früh-Jahr, vornemlich das Vorjahr im Majo, in der Rosen-
Blüte, da das Geblüt auswallet. Der Tag darzu, muß hell und klar
seyn, die Stunde des Morgens, wenn man schon den Leib in etwas bewe-
get hat, und der Kreis-Umlauff des Blutes bereits in eine etwas hefftigere
Motion gebracht worden. Allezeit aber muß die Venaesection vor dem
Frühstück geschehen, weil nach dem Essen der Chylus mit dem Blut noch
nicht recht vereiniget ist; dahero kommt denn, daß, wenn nach dem Essen
die Ader gelassen worden, an stalt des Bluts der reine Chylus gesehen wor-
den. II. Der Ort, wo die Ader gelassen wird: die Alten, und ehe noch
der Blut-Kreis erfunden war, erwehlten mancherley Adern, denn sie hiel-
ten dafür, daß ein iedes Theil seine besondern Adern habe, z. E. das Blut
aus dem Haupt zu lassen, sey die Haupt-Ader, in der Bräune die Bräun-
Ader, wider die Miltz-Kranckheiten die Miltz-Ader, der Leber die Basilica,
der Gebähr-Mutter die Saphaena &c. Jetzund, nachdem der Blut-Kreis
bekannt, wird, welche man will, nach Belieben gelassen, denn man ist ver-
sichert, daß aller Theile Blut durch alle Adern gleich getrieben und circu-
li
ret werde. Jnsgemein aber wird ein zur Verbindung bequemer Ort er-
wehlet, nemlich in der Junctur des Armes und des Schulter-Beins, wo
die so genannte Median-Ader liegt. Zuweilen kan man auch wol, dem ge-
meinen Mann zu gefallen, und damit sie ihr Vertrauen auf die Aderlaß
nicht gantz und gar verwerffen, andere nehmen, z. E. wider Haupt-Weh
die Haupt-Ader, wider Miltz-Beschwer die Miltz-Ader, so wird auch wol
die Salvatella, Rosen- und Bräun-Ader gelassen. III. Die Art wie sie mit
einer Lancetten gelassen wird, kan am füglichsten abgelernet werden.
IV. Die Quantität, oder wieviel Blut gelassen wird, sind insgemein fünff
bis sechs Untzen, bey Starcken und Blut-reichen bis Lbj. V. Die Indica-
tion
oder Anzeigung, daß man Blut lassen soll, ist hauptsächlich die
Plethora oder Uberfluß des Blutes und desselben Stagnation. NB. Jn aller
Abnehmung des Bluts hat man auf die Kräffte, als eine Zulassung oder
Abhaltung zu sehen. Das erste findet bey Starcken, das andere bey
Schwangern Raum: Beydes aber wird aus solgenden erkannt, (1) aus
der vorhergegangenen oder nicht vorhergegangenen Kranckheit, (2) aus
dem Anfang und Fortgang der gegenwärtigen Kranckheit, (3) aus der
Turbation der belebten Verrichtungen, (4) aus der Stärcke und Schwä-
che des Puls-Schlages, (5) aus der unterschiedlichen Lebens-Art, (6) aus

dem

PH
duͤrffte; dahero kan in der Zeit der Noth zu aller Zeit und Stunde die
Ader gelaſſen werden. Die Zeit der Commoditaͤt iſt insgemein der Herbſt,
und das Fruͤh-Jahr, vornemlich das Vorjahr im Majo, in der Roſen-
Bluͤte, da das Gebluͤt auſwallet. Der Tag darzu, muß hell und klar
ſeyn, die Stunde des Morgens, wenn man ſchon den Leib in etwas bewe-
get hat, und der Kreis-Umlauff des Blutes bereits in eine etwas hefftigere
Motion gebracht worden. Allezeit aber muß die Venæſection vor dem
Fruͤhſtuͤck geſchehen, weil nach dem Eſſen der Chylus mit dem Blut noch
nicht recht vereiniget iſt; dahero kommt denn, daß, wenn nach dem Eſſen
die Ader gelaſſen worden, an ſtalt des Bluts der reine Chylus geſehen wor-
den. II. Der Ort, wo die Ader gelaſſen wird: die Alten, und ehe noch
der Blut-Kreis erfunden war, erwehlten mancherley Adern, denn ſie hiel-
ten dafuͤr, daß ein iedes Theil ſeine beſondern Adern habe, z. E. das Blut
aus dem Haupt zu laſſen, ſey die Haupt-Ader, in der Braͤune die Braͤun-
Ader, wider die Miltz-Kranckheiten die Miltz-Ader, der Leber die Baſilica,
der Gebaͤhr-Mutter die Saphæna &c. Jetzund, nachdem der Blut-Kreis
bekannt, wird, welche man will, nach Belieben gelaſſen, denn man iſt ver-
ſichert, daß aller Theile Blut durch alle Adern gleich getrieben und circu-
li
ret werde. Jnsgemein aber wird ein zur Verbindung bequemer Ort er-
wehlet, nemlich in der Junctur des Armes und des Schulter-Beins, wo
die ſo genannte Median-Ader liegt. Zuweilen kan man auch wol, dem ge-
meinen Mann zu gefallen, und damit ſie ihr Vertrauen auf die Aderlaß
nicht gantz und gar verwerffen, andere nehmen, z. E. wider Haupt-Weh
die Haupt-Ader, wider Miltz-Beſchwer die Miltz-Ader, ſo wird auch wol
die Salvatella, Roſen- und Braͤun-Ader gelaſſen. III. Die Art wie ſie mit
einer Lancetten gelaſſen wird, kan am fuͤglichſten abgelernet werden.
IV. Die Quantitaͤt, oder wieviel Blut gelaſſen wird, ſind insgemein fuͤnff
bis ſechs Untzen, bey Starcken und Blut-reichen bis ℔j. V. Die Indica-
tion
oder Anzeigung, daß man Blut laſſen ſoll, iſt hauptſaͤchlich die
Plethora oder Uberfluß des Blutes und deſſelben Stagnation. NB. Jn aller
Abnehmung des Bluts hat man auf die Kraͤffte, als eine Zulaſſung oder
Abhaltung zu ſehen. Das erſte findet bey Starcken, das andere bey
Schwangern Raum: Beydes aber wird aus ſolgenden erkannt, (1) aus
der vorhergegangenen oder nicht vorhergegangenen Kranckheit, (2) aus
dem Anfang und Fortgang der gegenwaͤrtigen Kranckheit, (3) aus der
Turbation der belebten Verrichtungen, (4) aus der Staͤrcke und Schwaͤ-
che des Puls-Schlages, (5) aus der unterſchiedlichen Lebens-Art, (6) aus

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0728" n="716"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">PH</hi></hi></hi></fw><lb/>
du&#x0364;rffte; dahero kan in der Zeit der Noth zu aller Zeit und Stunde die<lb/>
Ader gela&#x017F;&#x017F;en werden. Die Zeit der <hi rendition="#aq">Commodit</hi>a&#x0364;t i&#x017F;t insgemein der Herb&#x017F;t,<lb/>
und das Fru&#x0364;h-Jahr, vornemlich das Vorjahr im <hi rendition="#aq">Majo,</hi> in der Ro&#x017F;en-<lb/>
Blu&#x0364;te, da das Geblu&#x0364;t au&#x017F;wallet. Der Tag darzu, muß hell und klar<lb/>
&#x017F;eyn, die Stunde des Morgens, wenn man &#x017F;chon den Leib in etwas bewe-<lb/>
get hat, und der Kreis-Umlauff des Blutes bereits in eine etwas hefftigere<lb/><hi rendition="#aq">Motion</hi> gebracht worden. Allezeit aber muß die <hi rendition="#aq">Venæ&#x017F;ection</hi> vor dem<lb/>
Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck ge&#x017F;chehen, weil nach dem E&#x017F;&#x017F;en der <hi rendition="#aq">Chylus</hi> mit dem Blut noch<lb/>
nicht recht vereiniget i&#x017F;t; dahero kommt denn, daß, wenn nach dem E&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die Ader gela&#x017F;&#x017F;en worden, an &#x017F;talt des Bluts der reine <hi rendition="#aq">Chylus</hi> ge&#x017F;ehen wor-<lb/>
den. <hi rendition="#aq">II.</hi> Der <hi rendition="#fr">Ort,</hi> wo die Ader gela&#x017F;&#x017F;en wird: die Alten, und ehe noch<lb/>
der Blut-Kreis erfunden war, erwehlten mancherley Adern, denn &#x017F;ie hiel-<lb/>
ten dafu&#x0364;r, daß ein iedes Theil &#x017F;eine be&#x017F;ondern Adern habe, z. E. das Blut<lb/>
aus dem Haupt zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ey die Haupt-Ader, in der Bra&#x0364;une die Bra&#x0364;un-<lb/>
Ader, wider die Miltz-Kranckheiten die Miltz-Ader, der Leber die <hi rendition="#aq">Ba&#x017F;ilica,</hi><lb/>
der Geba&#x0364;hr-Mutter die <hi rendition="#aq">Saphæna &amp;c.</hi> Jetzund, nachdem der Blut-Kreis<lb/>
bekannt, wird, welche man will, nach Belieben gela&#x017F;&#x017F;en, denn man i&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;ichert, daß aller Theile Blut durch alle Adern gleich getrieben und <hi rendition="#aq">circu-<lb/>
li</hi>ret werde. Jnsgemein aber wird ein zur Verbindung bequemer Ort er-<lb/>
wehlet, nemlich in der <hi rendition="#aq">Junctur</hi> des Armes und des Schulter-Beins, wo<lb/>
die &#x017F;o genannte Median-Ader liegt. Zuweilen kan man auch wol, dem ge-<lb/>
meinen Mann zu gefallen, und damit &#x017F;ie ihr Vertrauen auf die Aderlaß<lb/>
nicht gantz und gar verwerffen, andere nehmen, z. E. wider Haupt-Weh<lb/>
die Haupt-Ader, wider Miltz-Be&#x017F;chwer die Miltz-Ader, &#x017F;o wird auch wol<lb/>
die <hi rendition="#aq">Salvatella,</hi> Ro&#x017F;en- und Bra&#x0364;un-Ader gela&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Art wie &#x017F;ie mit<lb/>
einer Lancetten gela&#x017F;&#x017F;en wird, kan am fu&#x0364;glich&#x017F;ten abgelernet werden.<lb/><hi rendition="#aq">IV.</hi> Die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Quantit</hi></hi><hi rendition="#fr">a&#x0364;t,</hi> oder <hi rendition="#fr">wieviel</hi> Blut gela&#x017F;&#x017F;en wird, &#x017F;ind insgemein fu&#x0364;nff<lb/>
bis &#x017F;echs Untzen, bey Starcken und Blut-reichen bis <hi rendition="#aq">&#x2114;j. V.</hi> Die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Indica-<lb/>
tion</hi></hi> oder <hi rendition="#fr">Anzeigung, daß man Blut la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll,</hi> i&#x017F;t haupt&#x017F;a&#x0364;chlich die<lb/><hi rendition="#aq">Plethora</hi> oder Uberfluß des Blutes und de&#x017F;&#x017F;elben <hi rendition="#aq">Stagnation. NB.</hi> Jn aller<lb/>
Abnehmung des Bluts hat man auf die Kra&#x0364;ffte, als eine Zula&#x017F;&#x017F;ung oder<lb/>
Abhaltung zu &#x017F;ehen. Das er&#x017F;te findet bey Starcken, das andere bey<lb/>
Schwangern Raum: Beydes aber wird aus &#x017F;olgenden erkannt, (1) aus<lb/>
der vorhergegangenen oder nicht vorhergegangenen Kranckheit, (2) aus<lb/>
dem Anfang und Fortgang der gegenwa&#x0364;rtigen Kranckheit, (3) aus der<lb/><hi rendition="#aq">Turbation</hi> der belebten Verrichtungen, (4) aus der Sta&#x0364;rcke und Schwa&#x0364;-<lb/>
che des Puls-Schlages, (5) aus der unter&#x017F;chiedlichen Lebens-Art, (6) aus<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[716/0728] PH duͤrffte; dahero kan in der Zeit der Noth zu aller Zeit und Stunde die Ader gelaſſen werden. Die Zeit der Commoditaͤt iſt insgemein der Herbſt, und das Fruͤh-Jahr, vornemlich das Vorjahr im Majo, in der Roſen- Bluͤte, da das Gebluͤt auſwallet. Der Tag darzu, muß hell und klar ſeyn, die Stunde des Morgens, wenn man ſchon den Leib in etwas bewe- get hat, und der Kreis-Umlauff des Blutes bereits in eine etwas hefftigere Motion gebracht worden. Allezeit aber muß die Venæſection vor dem Fruͤhſtuͤck geſchehen, weil nach dem Eſſen der Chylus mit dem Blut noch nicht recht vereiniget iſt; dahero kommt denn, daß, wenn nach dem Eſſen die Ader gelaſſen worden, an ſtalt des Bluts der reine Chylus geſehen wor- den. II. Der Ort, wo die Ader gelaſſen wird: die Alten, und ehe noch der Blut-Kreis erfunden war, erwehlten mancherley Adern, denn ſie hiel- ten dafuͤr, daß ein iedes Theil ſeine beſondern Adern habe, z. E. das Blut aus dem Haupt zu laſſen, ſey die Haupt-Ader, in der Braͤune die Braͤun- Ader, wider die Miltz-Kranckheiten die Miltz-Ader, der Leber die Baſilica, der Gebaͤhr-Mutter die Saphæna &c. Jetzund, nachdem der Blut-Kreis bekannt, wird, welche man will, nach Belieben gelaſſen, denn man iſt ver- ſichert, daß aller Theile Blut durch alle Adern gleich getrieben und circu- liret werde. Jnsgemein aber wird ein zur Verbindung bequemer Ort er- wehlet, nemlich in der Junctur des Armes und des Schulter-Beins, wo die ſo genannte Median-Ader liegt. Zuweilen kan man auch wol, dem ge- meinen Mann zu gefallen, und damit ſie ihr Vertrauen auf die Aderlaß nicht gantz und gar verwerffen, andere nehmen, z. E. wider Haupt-Weh die Haupt-Ader, wider Miltz-Beſchwer die Miltz-Ader, ſo wird auch wol die Salvatella, Roſen- und Braͤun-Ader gelaſſen. III. Die Art wie ſie mit einer Lancetten gelaſſen wird, kan am fuͤglichſten abgelernet werden. IV. Die Quantitaͤt, oder wieviel Blut gelaſſen wird, ſind insgemein fuͤnff bis ſechs Untzen, bey Starcken und Blut-reichen bis ℔j. V. Die Indica- tion oder Anzeigung, daß man Blut laſſen ſoll, iſt hauptſaͤchlich die Plethora oder Uberfluß des Blutes und deſſelben Stagnation. NB. Jn aller Abnehmung des Bluts hat man auf die Kraͤffte, als eine Zulaſſung oder Abhaltung zu ſehen. Das erſte findet bey Starcken, das andere bey Schwangern Raum: Beydes aber wird aus ſolgenden erkannt, (1) aus der vorhergegangenen oder nicht vorhergegangenen Kranckheit, (2) aus dem Anfang und Fortgang der gegenwaͤrtigen Kranckheit, (3) aus der Turbation der belebten Verrichtungen, (4) aus der Staͤrcke und Schwaͤ- che des Puls-Schlages, (5) aus der unterſchiedlichen Lebens-Art, (6) aus dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/woyt_gazophylacium_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/woyt_gazophylacium_1737/728
Zitationshilfe: Woyt, Johann Jacob: Gazophylacium Medico-Physicum, Oder Schatz-Kammer Medicinisch- und Natürlicher Dinge. 9. Aufl. Leipzig, 1737, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/woyt_gazophylacium_1737/728>, abgerufen am 07.05.2024.