Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.in unserm Vaterlande sättigen will; nur wenige vermischte Tropfen, aus ihrem unerschöpflichen reinen Freudenmeere, aus welchem uns einst unvermischte Wonne ohne Maaß überströmen soll. Hier, in den Schranken der Zeit, lernen wir es nur stückweise, vollkommen soll es uns die Ewigkeit lehren: Gott ist die Liebe. Hier, in den Wohnungen des Staubes und der Ver- gänglichkeit, sollen wir, künftige Erben eines unvergänglichen Lebens, lernen, der Liebe des allseligsten Geistes, so viel unsre Schwachheit vermag, werth werden: können das nicht im ununterbrochnen Genuße der Freude lernen, weil wir unter derselben zu leicht seiner vergessen; müs- sen oft, von keiner Befriedigung des Lebens er- heitert, uns üben, unser Auge zu entfernen von dem Sichtbaren, um es empor zu unsicht- baren Seligkeiten zu richten; können nur dann die Freude, die vom Himmel stammt, recht in- nig fühlen, wenn Noth und Kummer, einmal nach dem andern, unser Herz von aller sinnlichen Lust gereinigt hat. Hier scheint uns Gottes Füh- rung oft nicht Liebe, weil ihr Ziel unsern schwa- chen Blicken verschloßen ist: einst wenn wir von der Höhe der Unsterblichkeit auf die Pfade die- ser Wallfahrt zurücksehn; dann wird der Dürf- tige
in unſerm Vaterlande ſättigen will; nur wenige vermiſchte Tropfen, aus ihrem unerſchöpflichen reinen Freudenmeere, aus welchem uns einſt unvermiſchte Wonne ohne Maaß überſtrömen ſoll. Hier, in den Schranken der Zeit, lernen wir es nur ſtückweiſe, vollkommen ſoll es uns die Ewigkeit lehren: Gott iſt die Liebe. Hier, in den Wohnungen des Staubes und der Ver- gänglichkeit, ſollen wir, künftige Erben eines unvergänglichen Lebens, lernen, der Liebe des allſeligſten Geiſtes, ſo viel unſre Schwachheit vermag, werth werden: können das nicht im ununterbrochnen Genuße der Freude lernen, weil wir unter derſelben zu leicht ſeiner vergeſſen; müſ- ſen oft, von keiner Befriedigung des Lebens er- heitert, uns üben, unſer Auge zu entfernen von dem Sichtbaren, um es empor zu unſicht- baren Seligkeiten zu richten; können nur dann die Freude, die vom Himmel ſtammt, recht in- nig fühlen, wenn Noth und Kummer, einmal nach dem andern, unſer Herz von aller ſinnlichen Luſt gereinigt hat. Hier ſcheint uns Gottes Füh- rung oft nicht Liebe, weil ihr Ziel unſern ſchwa- chen Blicken verſchloßen iſt: einſt wenn wir von der Höhe der Unſterblichkeit auf die Pfade die- ſer Wallfahrt zurückſehn; dann wird der Dürf- tige
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in unſerm Vaterlande ſättigen will; nur wenige
vermiſchte Tropfen, aus ihrem unerſchöpflichen
reinen Freudenmeere, aus welchem uns einſt
unvermiſchte Wonne ohne Maaß überſtrömen
ſoll. Hier, in den Schranken der Zeit, lernen
wir es nur ſtückweiſe, vollkommen ſoll es uns
die Ewigkeit lehren: Gott iſt die Liebe. Hier,
in den Wohnungen des Staubes und der Ver-
gänglichkeit, ſollen wir, künftige Erben eines
unvergänglichen Lebens, lernen, der Liebe des
allſeligſten Geiſtes, ſo viel unſre Schwachheit
vermag, werth werden: können das nicht im
ununterbrochnen Genuße der Freude lernen, weil
wir unter derſelben zu leicht ſeiner vergeſſen; müſ-
ſen oft, von keiner Befriedigung des Lebens er-
heitert, uns üben, unſer Auge zu entfernen
von dem Sichtbaren, um es empor zu unſicht-
baren Seligkeiten zu richten; können nur dann
die Freude, die vom Himmel ſtammt, recht in-
nig fühlen, wenn Noth und Kummer, einmal
nach dem andern, unſer Herz von aller ſinnlichen
Luſt gereinigt hat. Hier ſcheint uns Gottes Füh-
rung oft nicht Liebe, weil ihr Ziel unſern ſchwa-
chen Blicken verſchloßen iſt: einſt wenn wir von
der Höhe der Unſterblichkeit auf die Pfade die-
ſer Wallfahrt zurückſehn; dann wird der Dürf-
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