Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.den Sterne in der Dunkelheit der Nacht: -- wem zollt die Natur nicht diese Opfer ih- res unerschöpflichen Ueberflußes? wer ist von dem Anblick dieser Schönheiten, von dem Ge- nuße dieser Güter ausgeschloßen, der sich nicht selbst davon ausschließen will? wem ists weniger als andern möglich, Gott in diesem Spiegel sei- ner Allmacht und Weisheit und Güte zu sehn, wenn er nicht etwa so sinnlich, so eigennützig, so stolz ist, überall nur sich selbst zu finden, nur den unauslöschlichen Durst seiner lüsternen Be- gierden zu befriedigen? Ist es nicht unverzeih- liche Thorheit, und undankbarr Gefühllosigkeit, wenn der Begüterte und Große dieser Welt, das Geräusch zahlreicher Gesellschaften, die unersätt- liche gewinnsüchtige Lust am Spieltische, die lang- weiligen Stunden, oder den unmäßigen Genuß an wohlbesetzten Tafeln, und die Berauschun- gen des trägen Schlummers bis zur späten Mor- genstunde, dem reizenden Anblicke weit vorzieht, den ihm jeder heitre Morgen und Abend, jede Stunde, auf dem großen Schauplatze der Na- tur verweilt, so reichlich darbietet? Entbehrt er nicht bei weitem das größere wahre Vergnügen, um nach geringerm, oft eingebildeten, zu rin- gen? Alle B 5
den Sterne in der Dunkelheit der Nacht: — wem zollt die Natur nicht dieſe Opfer ih- res unerſchöpflichen Ueberflußes? wer iſt von dem Anblick dieſer Schönheiten, von dem Ge- nuße dieſer Güter ausgeſchloßen, der ſich nicht ſelbſt davon ausſchließen will? wem iſts weniger als andern möglich, Gott in dieſem Spiegel ſei- ner Allmacht und Weisheit und Güte zu ſehn, wenn er nicht etwa ſo ſinnlich, ſo eigennützig, ſo ſtolz iſt, überall nur ſich ſelbſt zu finden, nur den unauslöſchlichen Durſt ſeiner lüſternen Be- gierden zu befriedigen? Iſt es nicht unverzeih- liche Thorheit, und undankbarr Gefühlloſigkeit, wenn der Begüterte und Große dieſer Welt, das Geräuſch zahlreicher Geſellſchaften, die unerſätt- liche gewinnſüchtige Luſt am Spieltiſche, die lang- weiligen Stunden, oder den unmäßigen Genuß an wohlbeſetzten Tafeln, und die Berauſchun- gen des trägen Schlummers bis zur ſpäten Mor- genſtunde, dem reizenden Anblicke weit vorzieht, den ihm jeder heitre Morgen und Abend, jede Stunde, auf dem großen Schauplatze der Na- tur verweilt, ſo reichlich darbietet? Entbehrt er nicht bei weitem das größere wahre Vergnügen, um nach geringerm, oft eingebildeten, zu rin- gen? Alle B 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="25"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> den Sterne in der Dunkelheit der Nacht: —<lb/> wem zollt die Natur nicht dieſe Opfer ih-<lb/> res unerſchöpflichen Ueberflußes? wer iſt von<lb/> dem Anblick dieſer Schönheiten, von dem Ge-<lb/> nuße dieſer Güter ausgeſchloßen, der ſich nicht<lb/> ſelbſt davon ausſchließen will? wem iſts weniger<lb/> als andern möglich, Gott in dieſem Spiegel ſei-<lb/> ner Allmacht und Weisheit und Güte zu ſehn,<lb/> wenn er nicht etwa ſo ſinnlich, ſo eigennützig,<lb/> ſo ſtolz iſt, überall nur ſich ſelbſt zu finden, nur<lb/> den unauslöſchlichen Durſt ſeiner lüſternen Be-<lb/> gierden zu befriedigen? Iſt es nicht unverzeih-<lb/> liche Thorheit, und undankbarr Gefühlloſigkeit,<lb/> wenn der Begüterte und Große dieſer Welt, das<lb/> Geräuſch zahlreicher Geſellſchaften, die unerſätt-<lb/> liche gewinnſüchtige Luſt am Spieltiſche, die lang-<lb/> weiligen Stunden, oder den unmäßigen Genuß<lb/> an wohlbeſetzten Tafeln, und die Berauſchun-<lb/> gen des trägen Schlummers bis zur ſpäten Mor-<lb/> genſtunde, dem reizenden Anblicke weit vorzieht,<lb/> den ihm jeder heitre Morgen und Abend, jede<lb/> Stunde, auf dem großen Schauplatze der Na-<lb/> tur verweilt, ſo reichlich darbietet? Entbehrt er<lb/> nicht bei weitem das größere wahre Vergnügen,<lb/> um nach geringerm, oft eingebildeten, zu rin-<lb/> gen?</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">Alle</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [25/0077]
den Sterne in der Dunkelheit der Nacht: —
wem zollt die Natur nicht dieſe Opfer ih-
res unerſchöpflichen Ueberflußes? wer iſt von
dem Anblick dieſer Schönheiten, von dem Ge-
nuße dieſer Güter ausgeſchloßen, der ſich nicht
ſelbſt davon ausſchließen will? wem iſts weniger
als andern möglich, Gott in dieſem Spiegel ſei-
ner Allmacht und Weisheit und Güte zu ſehn,
wenn er nicht etwa ſo ſinnlich, ſo eigennützig,
ſo ſtolz iſt, überall nur ſich ſelbſt zu finden, nur
den unauslöſchlichen Durſt ſeiner lüſternen Be-
gierden zu befriedigen? Iſt es nicht unverzeih-
liche Thorheit, und undankbarr Gefühlloſigkeit,
wenn der Begüterte und Große dieſer Welt, das
Geräuſch zahlreicher Geſellſchaften, die unerſätt-
liche gewinnſüchtige Luſt am Spieltiſche, die lang-
weiligen Stunden, oder den unmäßigen Genuß
an wohlbeſetzten Tafeln, und die Berauſchun-
gen des trägen Schlummers bis zur ſpäten Mor-
genſtunde, dem reizenden Anblicke weit vorzieht,
den ihm jeder heitre Morgen und Abend, jede
Stunde, auf dem großen Schauplatze der Na-
tur verweilt, ſo reichlich darbietet? Entbehrt er
nicht bei weitem das größere wahre Vergnügen,
um nach geringerm, oft eingebildeten, zu rin-
gen?
Alle
B 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |