Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



dächtniß des Marmorsteins, der bei meinem
Grabe den Vorübergehenden sagt: daß mein
Staub dort eingesenkt sey; daß ich einst gelebt,
Güter ererbt oder erworben, Ehrenstellen beklei-
det, herrlich und in Freuden meine Tage vollen-
det habe. -- Nichtiger Ruhm! -- der mei-
nem Staube keine Erquickung mehr gewährt,
wenn tausende auch sich vor seiner Ruhestätte
beugen; der zur Freude meines abgeschiedenen Gei-
stes nichts mehr vermag, weil für ihn alle Herr-
lichkeit der Erde mit dem Staube verweht ist.
-- Ehre, die der Thor nur anstaunt, und der
Weise verachtet! die nur diesseit des Grabes ei-
nen Glanz hinter mir verbreitet, von welchem
mir auch kein Schatten jenseit des Grabes folgt!
-- Zerstörbares Gedächtniß! welches die Zeit
auslöscht, wenn sie meinen Purpur zerstäubt,
meine Grabstätte verschüttet, und meinen Mar-
mor zertrümmert hat. Stimmt jene Gemeine
des Himmels nicht in die Lobpreisungen meiner
nachbleibenden Freunde: o, dann hab ich mei-
nen Ruhm nur sterblichen Zeugen vertraut, die
der Tod bald schweigen heißt. Erhält die Ewig-
keit das Gedächtniß nicht aufrecht, welches die
Zeit mir aufbewahrt: o, dann ists in enge
Schranken eingeschloßen, die das künftige Jahr-

hun-



dächtniß des Marmorſteins, der bei meinem
Grabe den Vorübergehenden ſagt: daß mein
Staub dort eingeſenkt ſey; daß ich einſt gelebt,
Güter ererbt oder erworben, Ehrenſtellen beklei-
det, herrlich und in Freuden meine Tage vollen-
det habe. — Nichtiger Ruhm! — der mei-
nem Staube keine Erquickung mehr gewährt,
wenn tauſende auch ſich vor ſeiner Ruheſtätte
beugen; der zur Freude meines abgeſchiedenen Gei-
ſtes nichts mehr vermag, weil für ihn alle Herr-
lichkeit der Erde mit dem Staube verweht iſt.
— Ehre, die der Thor nur anſtaunt, und der
Weiſe verachtet! die nur dieſſeit des Grabes ei-
nen Glanz hinter mir verbreitet, von welchem
mir auch kein Schatten jenſeit des Grabes folgt!
— Zerſtörbares Gedächtniß! welches die Zeit
auslöſcht, wenn ſie meinen Purpur zerſtäubt,
meine Grabſtätte verſchüttet, und meinen Mar-
mor zertrümmert hat. Stimmt jene Gemeine
des Himmels nicht in die Lobpreiſungen meiner
nachbleibenden Freunde: o, dann hab ich mei-
nen Ruhm nur ſterblichen Zeugen vertraut, die
der Tod bald ſchweigen heißt. Erhält die Ewig-
keit das Gedächtniß nicht aufrecht, welches die
Zeit mir aufbewahrt: o, dann iſts in enge
Schranken eingeſchloßen, die das künftige Jahr-

hun-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0372" n="320"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
dächtniß des Marmor&#x017F;teins, der bei meinem<lb/>
Grabe den Vorübergehenden &#x017F;agt: daß mein<lb/>
Staub dort einge&#x017F;enkt &#x017F;ey; daß ich ein&#x017F;t gelebt,<lb/>
Güter ererbt oder erworben, Ehren&#x017F;tellen beklei-<lb/>
det, herrlich und in Freuden meine Tage vollen-<lb/>
det habe. &#x2014; Nichtiger Ruhm! &#x2014; der mei-<lb/>
nem Staube keine Erquickung mehr gewährt,<lb/>
wenn tau&#x017F;ende auch &#x017F;ich vor &#x017F;einer Ruhe&#x017F;tätte<lb/>
beugen; der zur Freude meines abge&#x017F;chiedenen Gei-<lb/>
&#x017F;tes nichts mehr vermag, weil für ihn alle Herr-<lb/>
lichkeit der Erde mit dem Staube verweht i&#x017F;t.<lb/>
&#x2014; Ehre, die der Thor nur an&#x017F;taunt, und der<lb/>
Wei&#x017F;e verachtet! die nur die&#x017F;&#x017F;eit des Grabes ei-<lb/>
nen Glanz hinter mir verbreitet, von welchem<lb/>
mir auch kein Schatten jen&#x017F;eit des Grabes folgt!<lb/>
&#x2014; Zer&#x017F;törbares Gedächtniß! welches die Zeit<lb/>
auslö&#x017F;cht, wenn &#x017F;ie meinen Purpur zer&#x017F;täubt,<lb/>
meine Grab&#x017F;tätte ver&#x017F;chüttet, und meinen Mar-<lb/>
mor zertrümmert hat. Stimmt jene Gemeine<lb/>
des Himmels nicht in die Lobprei&#x017F;ungen meiner<lb/>
nachbleibenden Freunde: o, dann hab ich mei-<lb/>
nen Ruhm nur &#x017F;terblichen Zeugen vertraut, die<lb/>
der Tod bald &#x017F;chweigen heißt. Erhält die Ewig-<lb/>
keit das Gedächtniß nicht aufrecht, welches die<lb/>
Zeit mir aufbewahrt: o, dann i&#x017F;ts in enge<lb/>
Schranken einge&#x017F;chloßen, die das künftige Jahr-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hun-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0372] dächtniß des Marmorſteins, der bei meinem Grabe den Vorübergehenden ſagt: daß mein Staub dort eingeſenkt ſey; daß ich einſt gelebt, Güter ererbt oder erworben, Ehrenſtellen beklei- det, herrlich und in Freuden meine Tage vollen- det habe. — Nichtiger Ruhm! — der mei- nem Staube keine Erquickung mehr gewährt, wenn tauſende auch ſich vor ſeiner Ruheſtätte beugen; der zur Freude meines abgeſchiedenen Gei- ſtes nichts mehr vermag, weil für ihn alle Herr- lichkeit der Erde mit dem Staube verweht iſt. — Ehre, die der Thor nur anſtaunt, und der Weiſe verachtet! die nur dieſſeit des Grabes ei- nen Glanz hinter mir verbreitet, von welchem mir auch kein Schatten jenſeit des Grabes folgt! — Zerſtörbares Gedächtniß! welches die Zeit auslöſcht, wenn ſie meinen Purpur zerſtäubt, meine Grabſtätte verſchüttet, und meinen Mar- mor zertrümmert hat. Stimmt jene Gemeine des Himmels nicht in die Lobpreiſungen meiner nachbleibenden Freunde: o, dann hab ich mei- nen Ruhm nur ſterblichen Zeugen vertraut, die der Tod bald ſchweigen heißt. Erhält die Ewig- keit das Gedächtniß nicht aufrecht, welches die Zeit mir aufbewahrt: o, dann iſts in enge Schranken eingeſchloßen, die das künftige Jahr- hun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/372
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/372>, abgerufen am 28.09.2024.