An diesen seligen Freuden keinen Ge- schmack finden, sie nicht wünschen und so oft es uns möglich ist genießen, das ver- räth, bei aller Enthaltsamkeit von öffentli- chen groben Lastern, bei aller bürgerlichen Rechtschaffenheit, bei allem Anscheine der Tugend, doch nur ein leichtsinniges, ver- derbtes Herz: wenn wir nicht etwa diese und jene gemeinnützige äußerlich gutschei- nende Handlungen, die Eigennutz und Stolz, und Leidenschaften aller Art hervor- gebracht haben, oder manche augenblickli- che gute Empfindungen und Entschließun- gen, die aus einer natürlich guten Anlage des Herzens, aus einem weichmüthigen Temperamente fließen, schon für Tugend ansehn wollen. Und wie verdienen sie doch diesen ehrwürdigen Namen? augen- blickliche, flüchtig vorübereilende Empfin- dungen und Entschließungen, gutscheinen- de Thaten, die sich nach unsrer jedesmali- gen Laune, nach unsern zeitlichen Vorthei- len bequemen müßen, nie feste, dauerhaf-
te,
An dieſen ſeligen Freuden keinen Ge- ſchmack finden, ſie nicht wünſchen und ſo oft es uns möglich iſt genießen, das ver- räth, bei aller Enthaltſamkeit von öffentli- chen groben Laſtern, bei aller bürgerlichen Rechtſchaffenheit, bei allem Anſcheine der Tugend, doch nur ein leichtſinniges, ver- derbtes Herz: wenn wir nicht etwa dieſe und jene gemeinnützige äußerlich gutſchei- nende Handlungen, die Eigennutz und Stolz, und Leidenſchaften aller Art hervor- gebracht haben, oder manche augenblickli- che gute Empfindungen und Entſchließun- gen, die aus einer natürlich guten Anlage des Herzens, aus einem weichmüthigen Temperamente fließen, ſchon für Tugend anſehn wollen. Und wie verdienen ſie doch dieſen ehrwürdigen Namen? augen- blickliche, flüchtig vorübereilende Empfin- dungen und Entſchließungen, gutſcheinen- de Thaten, die ſich nach unſrer jedesmali- gen Laune, nach unſern zeitlichen Vorthei- len bequemen müßen, nie feſte, dauerhaf-
te,
<TEI><text><front><divn="1"><pbfacs="#f0015"n="XI"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>An dieſen ſeligen Freuden keinen Ge-<lb/>ſchmack finden, ſie nicht wünſchen und ſo<lb/>
oft es uns möglich iſt genießen, das ver-<lb/>
räth, bei aller Enthaltſamkeit von öffentli-<lb/>
chen groben Laſtern, bei aller bürgerlichen<lb/>
Rechtſchaffenheit, bei allem Anſcheine der<lb/>
Tugend, doch nur ein leichtſinniges, ver-<lb/>
derbtes Herz: wenn wir nicht etwa dieſe<lb/>
und jene gemeinnützige äußerlich gutſchei-<lb/>
nende Handlungen, die Eigennutz und<lb/>
Stolz, und Leidenſchaften aller Art hervor-<lb/>
gebracht haben, oder manche augenblickli-<lb/>
che gute Empfindungen und Entſchließun-<lb/>
gen, die aus einer natürlich guten Anlage<lb/>
des Herzens, aus einem weichmüthigen<lb/>
Temperamente fließen, ſchon für Tugend<lb/>
anſehn wollen. Und wie verdienen ſie<lb/>
doch dieſen ehrwürdigen Namen? augen-<lb/>
blickliche, flüchtig vorübereilende Empfin-<lb/>
dungen und Entſchließungen, gutſcheinen-<lb/>
de Thaten, die ſich nach unſrer jedesmali-<lb/>
gen Laune, nach unſern zeitlichen Vorthei-<lb/>
len bequemen müßen, nie feſte, dauerhaf-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">te,</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[XI/0015]
An dieſen ſeligen Freuden keinen Ge-
ſchmack finden, ſie nicht wünſchen und ſo
oft es uns möglich iſt genießen, das ver-
räth, bei aller Enthaltſamkeit von öffentli-
chen groben Laſtern, bei aller bürgerlichen
Rechtſchaffenheit, bei allem Anſcheine der
Tugend, doch nur ein leichtſinniges, ver-
derbtes Herz: wenn wir nicht etwa dieſe
und jene gemeinnützige äußerlich gutſchei-
nende Handlungen, die Eigennutz und
Stolz, und Leidenſchaften aller Art hervor-
gebracht haben, oder manche augenblickli-
che gute Empfindungen und Entſchließun-
gen, die aus einer natürlich guten Anlage
des Herzens, aus einem weichmüthigen
Temperamente fließen, ſchon für Tugend
anſehn wollen. Und wie verdienen ſie
doch dieſen ehrwürdigen Namen? augen-
blickliche, flüchtig vorübereilende Empfin-
dungen und Entſchließungen, gutſcheinen-
de Thaten, die ſich nach unſrer jedesmali-
gen Laune, nach unſern zeitlichen Vorthei-
len bequemen müßen, nie feſte, dauerhaf-
te,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/15>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.