Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



-- was ist die Welt? als: die Verbindung unzähl-
barer Geschöpfe, von mannigfaltiger Art, die ei-
nes um des andern willen da sind. Der Gott,
der dies einzelne Saamenkorn und den Grashalm,
neben so vielen Millionen erschuf, weiß es: daß auch
dieser nicht zur Vollkommenheit seiner Welt feh-
len durfte. Was ein Wurm leidet, wenn dies
Saamenkorn, dieser Halm verdirbt; was durch
den Tod des Wurms, so viele uns unbekannte Ge-
schöpfe verlieren; wie viel Nachtheil dadurch un-
merklich größern Geschöpfen zuwächst; wie unzäh-
lige Zerrüttungen in der ganzen Natur, durch al-
le Claßen der Geschöpfe, vom kleinsten bis zum
grösten, unsern Augen unbemerkt schon erfolgt sind,
ehe uns dieser Verlust sühlbar wird: wer kann
das berechnen? als allein Er, der große Schöp-
fer der Natur, der die unendliche Kette seiner Ge-
schöpfe übersieht, und in Händen hält? (Röm.
11, 34.) Wer hat des Herrn Sinn erforscht?
Wem hat er die Tiefen seiner Rathschlüße
aufgedeckt?
Er schafft und erhält das kleinste
Geschöpf, das einen lebenden Odem hat, zur Freu-
de; will durch dessen Leben edlern Geschöpfen Se-
gen und Vergnügen erschaffen; und durch die Freu-
de und Glückseligkeit aller Bewohner seiner Welt,
Seligkeit in seinem großen Reiche überall verbrei-

ten:



— was iſt die Welt? als: die Verbindung unzähl-
barer Geſchöpfe, von mannigfaltiger Art, die ei-
nes um des andern willen da ſind. Der Gott,
der dies einzelne Saamenkorn und den Grashalm,
neben ſo vielen Millionen erſchuf, weiß es: daß auch
dieſer nicht zur Vollkommenheit ſeiner Welt feh-
len durfte. Was ein Wurm leidet, wenn dies
Saamenkorn, dieſer Halm verdirbt; was durch
den Tod des Wurms, ſo viele uns unbekannte Ge-
ſchöpfe verlieren; wie viel Nachtheil dadurch un-
merklich größern Geſchöpfen zuwächſt; wie unzäh-
lige Zerrüttungen in der ganzen Natur, durch al-
le Claßen der Geſchöpfe, vom kleinſten bis zum
gröſten, unſern Augen unbemerkt ſchon erfolgt ſind,
ehe uns dieſer Verluſt ſühlbar wird: wer kann
das berechnen? als allein Er, der große Schöp-
fer der Natur, der die unendliche Kette ſeiner Ge-
ſchöpfe überſieht, und in Händen hält? (Röm.
11, 34.) Wer hat des Herrn Sinn erforſcht?
Wem hat er die Tiefen ſeiner Rathſchlüße
aufgedeckt?
Er ſchafft und erhält das kleinſte
Geſchöpf, das einen lebenden Odem hat, zur Freu-
de; will durch deſſen Leben edlern Geſchöpfen Se-
gen und Vergnügen erſchaffen; und durch die Freu-
de und Glückſeligkeit aller Bewohner ſeiner Welt,
Seligkeit in ſeinem großen Reiche überall verbrei-

ten:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="79"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x2014; was i&#x017F;t die Welt? als: die Verbindung unzähl-<lb/>
barer Ge&#x017F;chöpfe, von mannigfaltiger Art, die ei-<lb/>
nes um des andern willen da &#x017F;ind. Der Gott,<lb/>
der dies einzelne Saamenkorn und den Grashalm,<lb/>
neben &#x017F;o vielen Millionen er&#x017F;chuf, weiß es: daß auch<lb/>
die&#x017F;er nicht zur Vollkommenheit &#x017F;einer Welt feh-<lb/>
len durfte. Was ein Wurm leidet, wenn dies<lb/>
Saamenkorn, die&#x017F;er Halm verdirbt; was durch<lb/>
den Tod des Wurms, &#x017F;o viele uns unbekannte Ge-<lb/>
&#x017F;chöpfe verlieren; wie viel Nachtheil dadurch un-<lb/>
merklich größern Ge&#x017F;chöpfen zuwäch&#x017F;t; wie unzäh-<lb/>
lige Zerrüttungen in der ganzen Natur, durch al-<lb/>
le Claßen der Ge&#x017F;chöpfe, vom klein&#x017F;ten bis zum<lb/>
grö&#x017F;ten, un&#x017F;ern Augen unbemerkt &#x017F;chon erfolgt &#x017F;ind,<lb/>
ehe uns die&#x017F;er Verlu&#x017F;t &#x017F;ühlbar wird: wer kann<lb/>
das berechnen? als allein Er, der große Schöp-<lb/>
fer der Natur, der die unendliche Kette &#x017F;einer Ge-<lb/>
&#x017F;chöpfe über&#x017F;ieht, und in Händen hält? (Röm.<lb/>
11, 34.) <hi rendition="#fr">Wer hat des Herrn Sinn erfor&#x017F;cht?<lb/>
Wem hat er die Tiefen &#x017F;einer Rath&#x017F;chlüße<lb/>
aufgedeckt?</hi> Er &#x017F;chafft und erhält das klein&#x017F;te<lb/>
Ge&#x017F;chöpf, das einen lebenden Odem hat, zur Freu-<lb/>
de; will durch de&#x017F;&#x017F;en Leben edlern Ge&#x017F;chöpfen Se-<lb/>
gen und Vergnügen er&#x017F;chaffen; und durch die Freu-<lb/>
de und Glück&#x017F;eligkeit aller Bewohner &#x017F;einer Welt,<lb/>
Seligkeit in &#x017F;einem großen Reiche überall verbrei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten:</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0131] — was iſt die Welt? als: die Verbindung unzähl- barer Geſchöpfe, von mannigfaltiger Art, die ei- nes um des andern willen da ſind. Der Gott, der dies einzelne Saamenkorn und den Grashalm, neben ſo vielen Millionen erſchuf, weiß es: daß auch dieſer nicht zur Vollkommenheit ſeiner Welt feh- len durfte. Was ein Wurm leidet, wenn dies Saamenkorn, dieſer Halm verdirbt; was durch den Tod des Wurms, ſo viele uns unbekannte Ge- ſchöpfe verlieren; wie viel Nachtheil dadurch un- merklich größern Geſchöpfen zuwächſt; wie unzäh- lige Zerrüttungen in der ganzen Natur, durch al- le Claßen der Geſchöpfe, vom kleinſten bis zum gröſten, unſern Augen unbemerkt ſchon erfolgt ſind, ehe uns dieſer Verluſt ſühlbar wird: wer kann das berechnen? als allein Er, der große Schöp- fer der Natur, der die unendliche Kette ſeiner Ge- ſchöpfe überſieht, und in Händen hält? (Röm. 11, 34.) Wer hat des Herrn Sinn erforſcht? Wem hat er die Tiefen ſeiner Rathſchlüße aufgedeckt? Er ſchafft und erhält das kleinſte Geſchöpf, das einen lebenden Odem hat, zur Freu- de; will durch deſſen Leben edlern Geſchöpfen Se- gen und Vergnügen erſchaffen; und durch die Freu- de und Glückſeligkeit aller Bewohner ſeiner Welt, Seligkeit in ſeinem großen Reiche überall verbrei- ten:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/131
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/131>, abgerufen am 05.12.2024.