Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



habe, dir gelob ich es: meine Seele soll dein
nie vergessen, soll deiner über alles sich erfreun!
du nur bleibst mir, wenn die Welt vergeht: an
dich will ich mich halten, so lange sie währt, und
wenn sie längst vergangen ist. Ewig währet
deine Gnade, täglich wird sie neu: ewig währe
auch mein Dank, täglich soll er sich erneuern!
So oft dies Auge sich dem Anblick der Mor-
gensonne eröfnet, sey mein erster Gedanke: Du!
So oft der Schlummer am Abend auf mein er-
müdetes Auge niedersinkt, es sanft zum Schlafe
zu schließen; sey mein lezter Gedanke: Du!
Jedes hervorgrünende Samenkorn, jede duften-
de Blume, jede helle sternenvolle Nacht, jeder
Flor meines Hauses und meines Vaterlandes,
zeige mir Dich. Jeder sanfte Regen und Thau,
der die Felder erfrischt, jedes Säuseln und
Stürmen des Windes, jedes Rauschen des
Bachs, jeder majestätische Donner, jeder Ge-
sang der Vögel, jedes Stammeln eines Säug-
lings, jede Sprache der Weisen, rede mir von
Dir. Jede Erfindung menschlicher Klugheit,
jede neu entdeckte Wahrheit, jeder Gedanke mei-
nes Verstandes, jedes frohe Gefühl meines Her-
zens, führe mich zu Dir. In jeder Befriedi-
gung der Sinne, in der ruhevollen Erholung

der



habe, dir gelob ich es: meine Seele ſoll dein
nie vergeſſen, ſoll deiner über alles ſich erfreun!
du nur bleibſt mir, wenn die Welt vergeht: an
dich will ich mich halten, ſo lange ſie währt, und
wenn ſie längſt vergangen iſt. Ewig währet
deine Gnade, täglich wird ſie neu: ewig währe
auch mein Dank, täglich ſoll er ſich erneuern!
So oft dies Auge ſich dem Anblick der Mor-
genſonne eröfnet, ſey mein erſter Gedanke: Du!
So oft der Schlummer am Abend auf mein er-
müdetes Auge niederſinkt, es ſanft zum Schlafe
zu ſchließen; ſey mein lezter Gedanke: Du!
Jedes hervorgrünende Samenkorn, jede duften-
de Blume, jede helle ſternenvolle Nacht, jeder
Flor meines Hauſes und meines Vaterlandes,
zeige mir Dich. Jeder ſanfte Regen und Thau,
der die Felder erfriſcht, jedes Säuſeln und
Stürmen des Windes, jedes Rauſchen des
Bachs, jeder majeſtätiſche Donner, jeder Ge-
ſang der Vögel, jedes Stammeln eines Säug-
lings, jede Sprache der Weiſen, rede mir von
Dir. Jede Erfindung menſchlicher Klugheit,
jede neu entdeckte Wahrheit, jeder Gedanke mei-
nes Verſtandes, jedes frohe Gefühl meines Her-
zens, führe mich zu Dir. In jeder Befriedi-
gung der Sinne, in der ruhevollen Erholung

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0116" n="64"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
habe, dir gelob ich es: meine Seele &#x017F;oll dein<lb/>
nie verge&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;oll deiner über alles &#x017F;ich erfreun!<lb/>
du nur bleib&#x017F;t mir, wenn die Welt vergeht: an<lb/>
dich will ich mich halten, &#x017F;o lange &#x017F;ie währt, und<lb/>
wenn &#x017F;ie läng&#x017F;t vergangen i&#x017F;t. Ewig währet<lb/>
deine Gnade, täglich wird &#x017F;ie neu: ewig währe<lb/>
auch mein Dank, täglich &#x017F;oll er &#x017F;ich erneuern!<lb/>
So oft dies Auge &#x017F;ich dem Anblick der Mor-<lb/>
gen&#x017F;onne eröfnet, &#x017F;ey mein er&#x017F;ter Gedanke: <hi rendition="#fr">Du!</hi><lb/>
So oft der Schlummer am Abend auf mein er-<lb/>
müdetes Auge nieder&#x017F;inkt, es &#x017F;anft zum Schlafe<lb/>
zu &#x017F;chließen; &#x017F;ey mein lezter Gedanke: <hi rendition="#fr">Du!</hi><lb/>
Jedes hervorgrünende Samenkorn, jede duften-<lb/>
de Blume, jede helle &#x017F;ternenvolle Nacht, jeder<lb/>
Flor meines Hau&#x017F;es und meines Vaterlandes,<lb/>
zeige mir <hi rendition="#fr">Dich.</hi> Jeder &#x017F;anfte Regen und Thau,<lb/>
der die Felder erfri&#x017F;cht, jedes Säu&#x017F;eln und<lb/>
Stürmen des Windes, jedes Rau&#x017F;chen des<lb/>
Bachs, jeder maje&#x017F;täti&#x017F;che Donner, jeder Ge-<lb/>
&#x017F;ang der Vögel, jedes Stammeln eines Säug-<lb/>
lings, jede Sprache der Wei&#x017F;en, rede mir von<lb/><hi rendition="#fr">Dir.</hi> Jede Erfindung men&#x017F;chlicher Klugheit,<lb/>
jede neu entdeckte Wahrheit, jeder Gedanke mei-<lb/>
nes Ver&#x017F;tandes, jedes frohe Gefühl meines Her-<lb/>
zens, führe mich zu <hi rendition="#fr">Dir.</hi> In jeder Befriedi-<lb/>
gung der Sinne, in der ruhevollen Erholung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0116] habe, dir gelob ich es: meine Seele ſoll dein nie vergeſſen, ſoll deiner über alles ſich erfreun! du nur bleibſt mir, wenn die Welt vergeht: an dich will ich mich halten, ſo lange ſie währt, und wenn ſie längſt vergangen iſt. Ewig währet deine Gnade, täglich wird ſie neu: ewig währe auch mein Dank, täglich ſoll er ſich erneuern! So oft dies Auge ſich dem Anblick der Mor- genſonne eröfnet, ſey mein erſter Gedanke: Du! So oft der Schlummer am Abend auf mein er- müdetes Auge niederſinkt, es ſanft zum Schlafe zu ſchließen; ſey mein lezter Gedanke: Du! Jedes hervorgrünende Samenkorn, jede duften- de Blume, jede helle ſternenvolle Nacht, jeder Flor meines Hauſes und meines Vaterlandes, zeige mir Dich. Jeder ſanfte Regen und Thau, der die Felder erfriſcht, jedes Säuſeln und Stürmen des Windes, jedes Rauſchen des Bachs, jeder majeſtätiſche Donner, jeder Ge- ſang der Vögel, jedes Stammeln eines Säug- lings, jede Sprache der Weiſen, rede mir von Dir. Jede Erfindung menſchlicher Klugheit, jede neu entdeckte Wahrheit, jeder Gedanke mei- nes Verſtandes, jedes frohe Gefühl meines Her- zens, führe mich zu Dir. In jeder Befriedi- gung der Sinne, in der ruhevollen Erholung der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/116
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/116>, abgerufen am 05.12.2024.