Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Theil 7. Hauptstück.
recht ist, welches von einem auswärtigen
Volcke nicht verletzet werden darf (§. 1136.);
so ist es nicht erlaubt Soldaten in ei-
nem fremden Gebiete ohne Einwilli-
gung des Herrn anzuwerben
: und weil
hier die vorzügliche Gewalt nicht statt hat (§.
1065.), so ist es nicht vergönnet, wenn
auch gleich die Werbefreyheit verstat-
tet worden, die Leute mit Gewalt
anzuwerben.

§. 1175.
Vom
Men-
schen-
raub.

Der Menschenraub (plagium) ist eine
heimliche Wegnehmung eines Menschen, wel-
cher der Gewalt eines andern unterworfen
ist. Weil ein Menschendieb einen Menschen
der Gewalt, so er unterworfen ist, entziehet,
und sich ein Recht über denselben herausnimmt;
so kommt der Menschenraub mit dem
Diebstahl überein (§. 263.), und wird

deshalben von rechtswegen als ein Dieb-
stahl an Menschen angesehen.
Daher
erhellet, daß diejenigen, welche fremde
Unterthanen, die sie betrüglicher wei-
se weggenommen haben, zu Krieges-
diensten zwingen, einen Menschen-
diebstahl begehen, und die vorzügliche
Gewalt dessen, dem sie als Untertha-
nen zugehören, verletzen, und diesem

folglich Unrecht anthun (§. 87.), und
mithin eine gerechte Ursache zum Krie-
ge geben, wenn nicht des zugefügten

Unrechts

IV. Theil 7. Hauptſtuͤck.
recht iſt, welches von einem auswaͤrtigen
Volcke nicht verletzet werden darf (§. 1136.);
ſo iſt es nicht erlaubt Soldaten in ei-
nem fremden Gebiete ohne Einwilli-
gung des Herrn anzuwerben
: und weil
hier die vorzuͤgliche Gewalt nicht ſtatt hat (§.
1065.), ſo iſt es nicht vergoͤnnet, wenn
auch gleich die Werbefreyheit verſtat-
tet worden, die Leute mit Gewalt
anzuwerben.

§. 1175.
Vom
Men-
ſchen-
raub.

Der Menſchenraub (plagium) iſt eine
heimliche Wegnehmung eines Menſchen, wel-
cher der Gewalt eines andern unterworfen
iſt. Weil ein Menſchendieb einen Menſchen
der Gewalt, ſo er unterworfen iſt, entziehet,
und ſich ein Recht uͤber denſelben herausnimmt;
ſo kommt der Menſchenraub mit dem
Diebſtahl uͤberein (§. 263.), und wird

deshalben von rechtswegen als ein Dieb-
ſtahl an Menſchen angeſehen.
Daher
erhellet, daß diejenigen, welche fremde
Unterthanen, die ſie betruͤglicher wei-
ſe weggenommen haben, zu Krieges-
dienſten zwingen, einen Menſchen-
diebſtahl begehen, und die vorzuͤgliche
Gewalt deſſen, dem ſie als Untertha-
nen zugehoͤren, verletzen, und dieſem

folglich Unrecht anthun (§. 87.), und
mithin eine gerechte Urſache zum Krie-
ge geben, wenn nicht des zugefuͤgten

Unrechts
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0896" n="860"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#b">Theil 7. Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
recht i&#x017F;t, welches von einem auswa&#x0364;rtigen<lb/>
Volcke nicht verletzet werden darf (§. 1136.);<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;o i&#x017F;t es nicht erlaubt Soldaten in ei-<lb/>
nem fremden Gebiete ohne Einwilli-<lb/>
gung des Herrn anzuwerben</hi>: und weil<lb/>
hier die vorzu&#x0364;gliche Gewalt nicht &#x017F;tatt hat (§.<lb/>
1065.), <hi rendition="#fr">&#x017F;o i&#x017F;t es nicht vergo&#x0364;nnet, wenn<lb/>
auch gleich die Werbefreyheit ver&#x017F;tat-<lb/>
tet worden, die Leute mit Gewalt<lb/>
anzuwerben.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 1175.</head><lb/>
              <note place="left">Vom<lb/>
Men-<lb/>
&#x017F;chen-<lb/>
raub.</note>
              <p><hi rendition="#fr">Der Men&#x017F;chenraub</hi><hi rendition="#aq">(plagium)</hi> i&#x017F;t eine<lb/>
heimliche Wegnehmung eines Men&#x017F;chen, wel-<lb/>
cher der Gewalt eines andern unterworfen<lb/>
i&#x017F;t. Weil ein Men&#x017F;chendieb einen Men&#x017F;chen<lb/>
der Gewalt, &#x017F;o er unterworfen i&#x017F;t, entziehet,<lb/>
und &#x017F;ich ein Recht u&#x0364;ber den&#x017F;elben herausnimmt;<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;o kommt der Men&#x017F;chenraub mit dem<lb/>
Dieb&#x017F;tahl u&#x0364;berein (§. 263.), und wird</hi><lb/>
deshalben <hi rendition="#fr">von rechtswegen als ein Dieb-<lb/>
&#x017F;tahl an Men&#x017F;chen ange&#x017F;ehen.</hi> Daher<lb/>
erhellet, <hi rendition="#fr">daß diejenigen, welche fremde<lb/>
Unterthanen, die &#x017F;ie betru&#x0364;glicher wei-<lb/>
&#x017F;e weggenommen haben, zu Krieges-<lb/>
dien&#x017F;ten zwingen, einen Men&#x017F;chen-<lb/>
dieb&#x017F;tahl begehen, und die vorzu&#x0364;gliche<lb/>
Gewalt de&#x017F;&#x017F;en, dem &#x017F;ie als Untertha-<lb/>
nen zugeho&#x0364;ren, verletzen, und die&#x017F;em</hi><lb/>
folglich <hi rendition="#fr">Unrecht anthun (§. 87.), und</hi><lb/>
mithin <hi rendition="#fr">eine gerechte Ur&#x017F;ache zum Krie-<lb/>
ge geben, wenn nicht des zugefu&#x0364;gten</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Unrechts</hi></fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[860/0896] IV. Theil 7. Hauptſtuͤck. recht iſt, welches von einem auswaͤrtigen Volcke nicht verletzet werden darf (§. 1136.); ſo iſt es nicht erlaubt Soldaten in ei- nem fremden Gebiete ohne Einwilli- gung des Herrn anzuwerben: und weil hier die vorzuͤgliche Gewalt nicht ſtatt hat (§. 1065.), ſo iſt es nicht vergoͤnnet, wenn auch gleich die Werbefreyheit verſtat- tet worden, die Leute mit Gewalt anzuwerben. §. 1175. Der Menſchenraub (plagium) iſt eine heimliche Wegnehmung eines Menſchen, wel- cher der Gewalt eines andern unterworfen iſt. Weil ein Menſchendieb einen Menſchen der Gewalt, ſo er unterworfen iſt, entziehet, und ſich ein Recht uͤber denſelben herausnimmt; ſo kommt der Menſchenraub mit dem Diebſtahl uͤberein (§. 263.), und wird deshalben von rechtswegen als ein Dieb- ſtahl an Menſchen angeſehen. Daher erhellet, daß diejenigen, welche fremde Unterthanen, die ſie betruͤglicher wei- ſe weggenommen haben, zu Krieges- dienſten zwingen, einen Menſchen- diebſtahl begehen, und die vorzuͤgliche Gewalt deſſen, dem ſie als Untertha- nen zugehoͤren, verletzen, und dieſem folglich Unrecht anthun (§. 87.), und mithin eine gerechte Urſache zum Krie- ge geben, wenn nicht des zugefuͤgten Unrechts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/896
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/896>, abgerufen am 23.11.2024.