schlossen werden (§. 842.). Derowegen bleibt die Sache in dem Stande, wie sie ist; folglich muß man, so oft als die Sache, weil man zu keinem Schlusse kommen kann, keinen Ausgang ge- winnt, es entweder auf das Loos an- kommen lassen (§. 669.), oder es ist nö- thig, daß einer in der Gesellschaft eine entscheidende Stimme hat, wodurch der eine Theil der Stimmen die mehresten wer- den, oder wenn die Sache Aufschub leidet, so müssen die Berathschlagun- gen wiederholt werden. Man nennt aber die Entscheidung einer streitigen Sache durch die Gleichheit der Stimmen die Wahl- Stimme der Minerve(calculum Miner- vae). Wenn man aber die mehresten Stimmen nicht ausmachen kann, weil nämlich dieselben allzuviel von einander abge- hen, gleichwohl aber darauf zu sehen ist, daß die Sache einen Ausgang gewinne; so muß man die Stimmen mehr gelten lassen, denen weniger entgegen sind, als die andern, wel- che mehrere gegen sich haben; und also muß man erwehlen, was den wenigsten mißfällt; da sich nicht thun läßt, was den mehresten gefällt. Z. E. wenn drey einen an- geklagten in 20. Gulden Strafe, vier in 10. verdammen, zwey aber ihn lossprechen; so muß die andere Meinung das Uebergewichte haben, welcher nur 5. Stimmen entgegen
sind,
und der Geſellſchaft uͤberhaupt.
ſchloſſen werden (§. 842.). Derowegen bleibt die Sache in dem Stande, wie ſie iſt; folglich muß man, ſo oft als die Sache, weil man zu keinem Schluſſe kommen kann, keinen Ausgang ge- winnt, es entweder auf das Loos an- kommen laſſen (§. 669.), oder es iſt noͤ- thig, daß einer in der Geſellſchaft eine entſcheidende Stimme hat, wodurch der eine Theil der Stimmen die mehreſten wer- den, oder wenn die Sache Aufſchub leidet, ſo muͤſſen die Berathſchlagun- gen wiederholt werden. Man nennt aber die Entſcheidung einer ſtreitigen Sache durch die Gleichheit der Stimmen die Wahl- Stimme der Minerve(calculum Miner- væ). Wenn man aber die mehreſten Stimmen nicht ausmachen kann, weil naͤmlich dieſelben allzuviel von einander abge- hen, gleichwohl aber darauf zu ſehen iſt, daß die Sache einen Ausgang gewinne; ſo muß man die Stimmen mehr gelten laſſen, denen weniger entgegen ſind, als die andern, wel- che mehrere gegen ſich haben; und alſo muß man erwehlen, was den wenigſten mißfaͤllt; da ſich nicht thun laͤßt, was den mehreſten gefaͤllt. Z. E. wenn drey einen an- geklagten in 20. Gulden Strafe, vier in 10. verdammen, zwey aber ihn losſprechen; ſo muß die andere Meinung das Uebergewichte haben, welcher nur 5. Stimmen entgegen
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und der Geſellſchaft uͤberhaupt.
ſchloſſen werden (§. 842.). Derowegen
bleibt die Sache in dem Stande, wie
ſie iſt; folglich muß man, ſo oft als die
Sache, weil man zu keinem Schluſſe
kommen kann, keinen Ausgang ge-
winnt, es entweder auf das Loos an-
kommen laſſen (§. 669.), oder es iſt noͤ-
thig, daß einer in der Geſellſchaft eine
entſcheidende Stimme hat, wodurch der
eine Theil der Stimmen die mehreſten wer-
den, oder wenn die Sache Aufſchub
leidet, ſo muͤſſen die Berathſchlagun-
gen wiederholt werden. Man nennt
aber die Entſcheidung einer ſtreitigen Sache
durch die Gleichheit der Stimmen die Wahl-
Stimme der Minerve (calculum Miner-
væ). Wenn man aber die mehreſten
Stimmen nicht ausmachen kann, weil
naͤmlich dieſelben allzuviel von einander abge-
hen, gleichwohl aber darauf zu ſehen iſt, daß
die Sache einen Ausgang gewinne; ſo muß
man die Stimmen mehr gelten laſſen, denen
weniger entgegen ſind, als die andern, wel-
che mehrere gegen ſich haben; und alſo muß
man erwehlen, was den wenigſten
mißfaͤllt; da ſich nicht thun laͤßt, was den
mehreſten gefaͤllt. Z. E. wenn drey einen an-
geklagten in 20. Gulden Strafe, vier in 10.
verdammen, zwey aber ihn losſprechen; ſo
muß die andere Meinung das Uebergewichte
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/657>, abgerufen am 22.11.2024.
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