Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Auslegung.
also verändert werden muß, wie es mitsie sich
auf et-
was be-
ziehen.

dem, worauf sie sich beziehen, über-
einkommt.
Also nimmt man an, daß einer
etwas den grösten Theil des Jahrs hindurch
besessen habe, wenn er es zwey Monath lang
besessen hat, der Gegner hingegen nur wenige
Tage, oder gar nicht.

§. 808.

Wenn einige Dinge in den Verträ-Von der
Ausle-
gung in
einer
weitläuf-
tigeren
Bedeu-
tung.

gen zum beyderseitigen Nutzen gerei-
chen, und ein jeder Theil gleichen Vor-
theil davon hat; so sind die Worte,
in-
dem nichts hindert, daß sie in der Bedeutung
genommen werden, welche sie haben können,
und keine dringende Ursache vorhanden ist,
warum sie auf einige Weise eingeschränckt
werden solten, nach dem gantzen Umfang
der eigentlichen Bedeutung des Rede-
gebrauchs, oder wenn derselben meh-
rere seyn sollten, nach derjenigen, wel-
che sich am weitesten erstreckt, zu neh-
men, woferne nicht etwas widerspre-
chendes, oder den Vertrag vergeblich
machendes daraus folgt
(§. 803.). Man
nennt aber eine weitläuftigere Bedeu-
tung
(significatus latior), wenn einerley
Worte mehr Dinge bedeuten, die auch zuwei-
len weniger anzuzeigen pflegen, z. E. wenn
jemand von den Mannspersonen redet und
auch die Weibspersonen mit darunter begreift,
oder wenn die Gattung und die Art einerley
Nahmen haben, oder nach Beschaffenheit der

Sache,
P p 2

Von der Auslegung.
alſo veraͤndert werden muß, wie es mitſie ſich
auf et-
was be-
ziehen.

dem, worauf ſie ſich beziehen, uͤber-
einkommt.
Alſo nimmt man an, daß einer
etwas den groͤſten Theil des Jahrs hindurch
beſeſſen habe, wenn er es zwey Monath lang
beſeſſen hat, der Gegner hingegen nur wenige
Tage, oder gar nicht.

§. 808.

Wenn einige Dinge in den Vertraͤ-Von der
Ausle-
gung in
einer
weitlaͤuf-
tigeren
Bedeu-
tung.

gen zum beyderſeitigen Nutzen gerei-
chen, und ein jeder Theil gleichen Vor-
theil davon hat; ſo ſind die Worte,
in-
dem nichts hindert, daß ſie in der Bedeutung
genommen werden, welche ſie haben koͤnnen,
und keine dringende Urſache vorhanden iſt,
warum ſie auf einige Weiſe eingeſchraͤnckt
werden ſolten, nach dem gantzen Umfang
der eigentlichen Bedeutung des Rede-
gebrauchs, oder wenn derſelben meh-
rere ſeyn ſollten, nach derjenigen, wel-
che ſich am weiteſten erſtreckt, zu neh-
men, woferne nicht etwas widerſpre-
chendes, oder den Vertrag vergeblich
machendes daraus folgt
(§. 803.). Man
nennt aber eine weitlaͤuftigere Bedeu-
tung
(ſignificatus latior), wenn einerley
Worte mehr Dinge bedeuten, die auch zuwei-
len weniger anzuzeigen pflegen, z. E. wenn
jemand von den Mannsperſonen redet und
auch die Weibsperſonen mit darunter begreift,
oder wenn die Gattung und die Art einerley
Nahmen haben, oder nach Beſchaffenheit der

Sache,
P p 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0631" n="595"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Auslegung.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">al&#x017F;o vera&#x0364;ndert werden muß, wie es mit</hi><note place="right">&#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auf et-<lb/>
was be-<lb/>
ziehen.</note><lb/><hi rendition="#fr">dem, worauf &#x017F;ie &#x017F;ich beziehen, u&#x0364;ber-<lb/>
einkommt.</hi> Al&#x017F;o nimmt man an, daß einer<lb/>
etwas den gro&#x0364;&#x017F;ten Theil des Jahrs hindurch<lb/>
be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en habe, wenn er es zwey Monath lang<lb/>
be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en hat, der Gegner hingegen nur wenige<lb/>
Tage, oder gar nicht.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 808.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Wenn einige Dinge in den Vertra&#x0364;-</hi><note place="right">Von der<lb/>
Ausle-<lb/>
gung in<lb/>
einer<lb/>
weitla&#x0364;uf-<lb/>
tigeren<lb/>
Bedeu-<lb/>
tung.</note><lb/><hi rendition="#fr">gen zum beyder&#x017F;eitigen Nutzen gerei-<lb/>
chen, und ein jeder Theil gleichen Vor-<lb/>
theil davon hat; &#x017F;o &#x017F;ind die Worte,</hi> in-<lb/>
dem nichts hindert, daß &#x017F;ie in der Bedeutung<lb/>
genommen werden, welche &#x017F;ie haben ko&#x0364;nnen,<lb/>
und keine dringende Ur&#x017F;ache vorhanden i&#x017F;t,<lb/>
warum &#x017F;ie auf einige Wei&#x017F;e einge&#x017F;chra&#x0364;nckt<lb/>
werden &#x017F;olten, <hi rendition="#fr">nach dem gantzen Umfang<lb/>
der eigentlichen Bedeutung des Rede-<lb/>
gebrauchs, oder wenn der&#x017F;elben meh-<lb/>
rere &#x017F;eyn &#x017F;ollten, nach derjenigen, wel-<lb/>
che &#x017F;ich am weite&#x017F;ten er&#x017F;treckt, zu neh-<lb/>
men, woferne nicht etwas wider&#x017F;pre-<lb/>
chendes, oder den Vertrag vergeblich<lb/>
machendes daraus folgt</hi> (§. 803.). Man<lb/>
nennt aber <hi rendition="#fr">eine weitla&#x0364;uftigere Bedeu-<lb/>
tung</hi> <hi rendition="#aq">(&#x017F;ignificatus latior),</hi> wenn einerley<lb/>
Worte mehr Dinge bedeuten, die auch zuwei-<lb/>
len weniger anzuzeigen pflegen, z. E. wenn<lb/>
jemand von den Mannsper&#x017F;onen redet und<lb/>
auch die Weibsper&#x017F;onen mit darunter begreift,<lb/>
oder wenn die Gattung und die Art einerley<lb/>
Nahmen haben, oder nach Be&#x017F;chaffenheit der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P p 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Sache,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[595/0631] Von der Auslegung. alſo veraͤndert werden muß, wie es mit dem, worauf ſie ſich beziehen, uͤber- einkommt. Alſo nimmt man an, daß einer etwas den groͤſten Theil des Jahrs hindurch beſeſſen habe, wenn er es zwey Monath lang beſeſſen hat, der Gegner hingegen nur wenige Tage, oder gar nicht. ſie ſich auf et- was be- ziehen. §. 808. Wenn einige Dinge in den Vertraͤ- gen zum beyderſeitigen Nutzen gerei- chen, und ein jeder Theil gleichen Vor- theil davon hat; ſo ſind die Worte, in- dem nichts hindert, daß ſie in der Bedeutung genommen werden, welche ſie haben koͤnnen, und keine dringende Urſache vorhanden iſt, warum ſie auf einige Weiſe eingeſchraͤnckt werden ſolten, nach dem gantzen Umfang der eigentlichen Bedeutung des Rede- gebrauchs, oder wenn derſelben meh- rere ſeyn ſollten, nach derjenigen, wel- che ſich am weiteſten erſtreckt, zu neh- men, woferne nicht etwas widerſpre- chendes, oder den Vertrag vergeblich machendes daraus folgt (§. 803.). Man nennt aber eine weitlaͤuftigere Bedeu- tung (ſignificatus latior), wenn einerley Worte mehr Dinge bedeuten, die auch zuwei- len weniger anzuzeigen pflegen, z. E. wenn jemand von den Mannsperſonen redet und auch die Weibsperſonen mit darunter begreift, oder wenn die Gattung und die Art einerley Nahmen haben, oder nach Beſchaffenheit der Sache, Von der Ausle- gung in einer weitlaͤuf- tigeren Bedeu- tung. P p 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/631
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/631>, abgerufen am 23.11.2024.