der Versprechen und Verträge von dem gemeinen Redensgebrauch nicht abgehen müsse, wenn nicht dringende Gründe dazu vorhanden sind. Weil es aber gewiß ist, daß der Redensgebrauch mit der Zeit verändert wird; so muß man das Versprechen und die Verträge nach dem Redensgebrauch derjenigen Zeit, in welcher sie gemacht worden sind, auslegen.
§. 799.
Von der Bedeu- tung der Wörter vermöge ihres Ur- sprunges.
Die Etymologie(etymologia) ist eine Erklärung des Ursprungs der Wörter. Die Etymologie sucht also die Gründe zu entdecken, warum die Stammwörter zuerst, um diese, oder andere Sachen zu bezeichnen, angenommen worden, und zu erklären, von was vor andern Wörtern die hergeleiteten Wörter her- geleitet werden, und aus welchen die zusammen gesetzten zusammen gesetzt werden, und was sie bedeuten vermö- ge ihrer Herleitung und Zusammense- tzung. Die Bedeutung, welche aus dem Ursprunge der Wörter hergeholet wird, nennt man die etymologische Bedeutung, auch die grammaticalische(significatum ety- mologicum, grammaticum). Da es ge- wiß ist, daß man auf dieselbe bey dem Re- densgebrauch nicht zu sehen hat; so muß man bey der Auslegung der Verträge und eines Versprechens nicht auf die
Bedeu-
II. Theil 19. Hauptſtuͤck.
der Verſprechen und Vertraͤge von dem gemeinen Redensgebrauch nicht abgehen muͤſſe, wenn nicht dringende Gruͤnde dazu vorhanden ſind. Weil es aber gewiß iſt, daß der Redensgebrauch mit der Zeit veraͤndert wird; ſo muß man das Verſprechen und die Vertraͤge nach dem Redensgebrauch derjenigen Zeit, in welcher ſie gemacht worden ſind, auslegen.
§. 799.
Von der Bedeu- tung der Woͤrter vermoͤge ihres Ur- ſprunges.
Die Etymologie(etymologia) iſt eine Erklaͤrung des Urſprungs der Woͤrter. Die Etymologie ſucht alſo die Gruͤnde zu entdecken, warum die Stammwoͤrter zuerſt, um dieſe, oder andere Sachen zu bezeichnen, angenommen worden, und zu erklaͤren, von was vor andern Woͤrtern die hergeleiteten Woͤrter her- geleitet werden, und aus welchen die zuſammen geſetzten zuſammen geſetzt werden, und was ſie bedeuten vermoͤ- ge ihrer Herleitung und Zuſammenſe- tzung. Die Bedeutung, welche aus dem Urſprunge der Woͤrter hergeholet wird, nennt man die etymologiſche Bedeutung, auch die grammaticaliſche(ſignificatum ety- mologicum, grammaticum). Da es ge- wiß iſt, daß man auf dieſelbe bey dem Re- densgebrauch nicht zu ſehen hat; ſo muß man bey der Auslegung der Vertraͤge und eines Verſprechens nicht auf die
Bedeu-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0626"n="590"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil 19. Hauptſtuͤck.</hi></fw><lb/><hirendition="#fr">der Verſprechen und Vertraͤge von<lb/>
dem gemeinen Redensgebrauch nicht<lb/>
abgehen muͤſſe, wenn nicht dringende<lb/>
Gruͤnde dazu vorhanden ſind.</hi> Weil<lb/>
es aber gewiß iſt, daß der Redensgebrauch<lb/>
mit der Zeit veraͤndert wird; <hirendition="#fr">ſo muß man<lb/>
das Verſprechen und die Vertraͤge<lb/>
nach dem Redensgebrauch derjenigen<lb/>
Zeit, in welcher ſie gemacht worden<lb/>ſind, auslegen.</hi></p></div><lb/><divn="4"><head>§. 799.</head><lb/><noteplace="left">Von der<lb/>
Bedeu-<lb/>
tung der<lb/>
Woͤrter<lb/>
vermoͤge<lb/>
ihres Ur-<lb/>ſprunges.</note><p>Die <hirendition="#fr">Etymologie</hi><hirendition="#aq">(etymologia)</hi> iſt eine<lb/>
Erklaͤrung des Urſprungs der Woͤrter. Die<lb/><hirendition="#fr">Etymologie ſucht</hi> alſo <hirendition="#fr">die Gruͤnde zu<lb/>
entdecken, warum die Stammwoͤrter<lb/>
zuerſt, um dieſe, oder andere Sachen<lb/>
zu bezeichnen, angenommen worden,<lb/>
und zu erklaͤren, von was vor andern<lb/>
Woͤrtern die hergeleiteten Woͤrter her-<lb/>
geleitet werden, und aus welchen die<lb/>
zuſammen geſetzten zuſammen geſetzt<lb/>
werden, und was ſie bedeuten vermoͤ-<lb/>
ge ihrer Herleitung und Zuſammenſe-<lb/>
tzung.</hi> Die Bedeutung, welche aus dem<lb/>
Urſprunge der Woͤrter hergeholet wird, nennt<lb/>
man die <hirendition="#fr">etymologiſche Bedeutung,</hi> auch<lb/><hirendition="#fr">die grammaticaliſche</hi><hirendition="#aq">(ſignificatum ety-<lb/>
mologicum, grammaticum).</hi> Da es ge-<lb/>
wiß iſt, daß man auf dieſelbe bey dem Re-<lb/>
densgebrauch nicht zu ſehen hat; <hirendition="#fr">ſo muß<lb/>
man bey der Auslegung der Vertraͤge<lb/>
und eines Verſprechens nicht auf die</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Bedeu-</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[590/0626]
II. Theil 19. Hauptſtuͤck.
der Verſprechen und Vertraͤge von
dem gemeinen Redensgebrauch nicht
abgehen muͤſſe, wenn nicht dringende
Gruͤnde dazu vorhanden ſind. Weil
es aber gewiß iſt, daß der Redensgebrauch
mit der Zeit veraͤndert wird; ſo muß man
das Verſprechen und die Vertraͤge
nach dem Redensgebrauch derjenigen
Zeit, in welcher ſie gemacht worden
ſind, auslegen.
§. 799.
Die Etymologie (etymologia) iſt eine
Erklaͤrung des Urſprungs der Woͤrter. Die
Etymologie ſucht alſo die Gruͤnde zu
entdecken, warum die Stammwoͤrter
zuerſt, um dieſe, oder andere Sachen
zu bezeichnen, angenommen worden,
und zu erklaͤren, von was vor andern
Woͤrtern die hergeleiteten Woͤrter her-
geleitet werden, und aus welchen die
zuſammen geſetzten zuſammen geſetzt
werden, und was ſie bedeuten vermoͤ-
ge ihrer Herleitung und Zuſammenſe-
tzung. Die Bedeutung, welche aus dem
Urſprunge der Woͤrter hergeholet wird, nennt
man die etymologiſche Bedeutung, auch
die grammaticaliſche (ſignificatum ety-
mologicum, grammaticum). Da es ge-
wiß iſt, daß man auf dieſelbe bey dem Re-
densgebrauch nicht zu ſehen hat; ſo muß
man bey der Auslegung der Vertraͤge
und eines Verſprechens nicht auf die
Bedeu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/626>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.