hen(culpam). Wenn es aber am Willen fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor- setzlichkeit(dolum). Ueberhaupt pflegt man auch den Mangel der Richtigkeit einer Handlung im Lateinischen culpam zu nen- nen. Ueberwindlich ist (vincibile), was durch den Gebrauch seiner Kräfte ver- mieden werden konte. Daher ist klar, daß so wohl die Handlungen, die aus Versehen, als mit Vorsatz geschehen, einem zugerechnet werden können (§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man das unvermeidlich(invincibile), was durch den Gebrauch unserer Kräste gar nicht vermieden werden kan. Derowegen weil wir diejenigen Dinge, die durch einen blossen Zufall geschehen, daran wir gar keine Schuld haben, unmöglich vermeiden können; so können sie uns auch nicht zu- gerechnet werden (§. cit.); als z. E. wenn der Hagel das Getreyde niederschlägt, oder eine Ueberschwemmung ein Haus ein- reisset.
§. 18.
Was mit Vorsatz und aus Versehen geschie- het.
Weil es unmöglich ist, daß wir etwas unbekanntes wollen, oder nicht wollen kön- ten; und also der Wille und das Nichtwol- len von dem Verstande, oder der Erkentniß- kraft abhängen; so thut derjenige, der vorsetzlich eine böse Handlung voll- bringet, solches mit Wissen und Wil-
len;
I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl.
hen(culpam). Wenn es aber am Willen fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor- ſetzlichkeit(dolum). Ueberhaupt pflegt man auch den Mangel der Richtigkeit einer Handlung im Lateiniſchen culpam zu nen- nen. Ueberwindlich iſt (vincibile), was durch den Gebrauch ſeiner Kraͤfte ver- mieden werden konte. Daher iſt klar, daß ſo wohl die Handlungen, die aus Verſehen, als mit Vorſatz geſchehen, einem zugerechnet werden koͤnnen (§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man das unvermeidlich(invincibile), was durch den Gebrauch unſerer Kraͤſte gar nicht vermieden werden kan. Derowegen weil wir diejenigen Dinge, die durch einen bloſſen Zufall geſchehen, daran wir gar keine Schuld haben, unmoͤglich vermeiden koͤnnen; ſo koͤnnen ſie uns auch nicht zu- gerechnet werden (§. cit.); als z. E. wenn der Hagel das Getreyde niederſchlaͤgt, oder eine Ueberſchwemmung ein Haus ein- reiſſet.
§. 18.
Was mit Vorſatz und aus Verſehen geſchie- het.
Weil es unmoͤglich iſt, daß wir etwas unbekanntes wollen, oder nicht wollen koͤn- ten; und alſo der Wille und das Nichtwol- len von dem Verſtande, oder der Erkentniß- kraft abhaͤngen; ſo thut derjenige, der vorſetzlich eine boͤſe Handlung voll- bringet, ſolches mit Wiſſen und Wil-
len;
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I. Th. 1. H. Vom Unterſchied menſchl. Handl.
hen (culpam). Wenn es aber am Willen
fehlet, Boßheit, oder auch unterweilen Vor-
ſetzlichkeit (dolum). Ueberhaupt pflegt
man auch den Mangel der Richtigkeit einer
Handlung im Lateiniſchen culpam zu nen-
nen. Ueberwindlich iſt (vincibile),
was durch den Gebrauch ſeiner Kraͤfte ver-
mieden werden konte. Daher iſt klar, daß
ſo wohl die Handlungen, die aus
Verſehen, als mit Vorſatz geſchehen,
einem zugerechnet werden koͤnnen
(§. 3.). Jm Gegentheil aber nennt man
das unvermeidlich (invincibile), was
durch den Gebrauch unſerer Kraͤſte gar nicht
vermieden werden kan. Derowegen weil
wir diejenigen Dinge, die durch einen
bloſſen Zufall geſchehen, daran wir gar
keine Schuld haben, unmoͤglich vermeiden
koͤnnen; ſo koͤnnen ſie uns auch nicht zu-
gerechnet werden (§. cit.); als z. E.
wenn der Hagel das Getreyde niederſchlaͤgt,
oder eine Ueberſchwemmung ein Haus ein-
reiſſet.
§. 18.
Weil es unmoͤglich iſt, daß wir etwas
unbekanntes wollen, oder nicht wollen koͤn-
ten; und alſo der Wille und das Nichtwol-
len von dem Verſtande, oder der Erkentniß-
kraft abhaͤngen; ſo thut derjenige, der
vorſetzlich eine boͤſe Handlung voll-
bringet, ſolches mit Wiſſen und Wil-
len;
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/48>, abgerufen am 23.11.2024.
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