Wenn jemand zweifelt, ob man die Wahrheit rede, und es entweder durch die Sache, von welcher man redet, oder auf eine andere Weise, z. E. durch Zeugen, nicht gewiß werden kann; so kann man es nicht anders be- weisen, als durch das Gewissen, oder daß man GOtt zum Zeugen anruft: indem niemand unsere Gedancken weiß, als wir selbst, die wir uns derselben bewust sind, und Gott. Den Beweis der Wahrheit des- sen, was wir sagen, durch das Zeugniß des Gewissens, indem wir nämlich uns auf das Gewissen als auf einen Zeugen, beruffen, nennt man eine Betheurung(asseverationem); den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes, indem wir nämlich Gott als den Zeugen der Wahrheit desjenigen, was wir sagen, und als den Rächer der Lügen und des Meiney- des anrufen, einen Eyd oder Eydschwur (juramentum, jusjurandum). Was der Meineyd sey, werden wir unten erklären.
§. 362.
Wer nicht schwören kann.
Weil derjenige, welcher schwört, gewiß seyn muß, daß ein Gott sey, der die Ge- dancken der Menschen kennt, und die Lügen und den Meineyd bestraft (§. 361.); so kann der, welcher leugnet, daß ein Gott sey, oder daß er die Gedancken der Men- schen kenne, oder daß er sich wenig
um
II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung
§. 361.
Was ei- ne Be- theurung und was ein Eyd ſey.
Wenn jemand zweifelt, ob man die Wahrheit rede, und es entweder durch die Sache, von welcher man redet, oder auf eine andere Weiſe, z. E. durch Zeugen, nicht gewiß werden kann; ſo kann man es nicht anders be- weiſen, als durch das Gewiſſen, oder daß man GOtt zum Zeugen anruft: indem niemand unſere Gedancken weiß, als wir ſelbſt, die wir uns derſelben bewuſt ſind, und Gott. Den Beweis der Wahrheit deſ- ſen, was wir ſagen, durch das Zeugniß des Gewiſſens, indem wir naͤmlich uns auf das Gewiſſen als auf einen Zeugen, beruffen, nennt man eine Betheurung(aſſeverationem); den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes, indem wir naͤmlich Gott als den Zeugen der Wahrheit desjenigen, was wir ſagen, und als den Raͤcher der Luͤgen und des Meiney- des anrufen, einen Eyd oder Eydſchwur (juramentum, jusjurandum). Was der Meineyd ſey, werden wir unten erklaͤren.
§. 362.
Wer nicht ſchwoͤren kann.
Weil derjenige, welcher ſchwoͤrt, gewiß ſeyn muß, daß ein Gott ſey, der die Ge- dancken der Menſchen kennt, und die Luͤgen und den Meineyd beſtraft (§. 361.); ſo kann der, welcher leugnet, daß ein Gott ſey, oder daß er die Gedancken der Men- ſchen kenne, oder daß er ſich wenig
um
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II. Th. 6. H. Von der Eroͤfnung
§. 361.
Wenn jemand zweifelt, ob man die
Wahrheit rede, und es entweder durch
die Sache, von welcher man redet,
oder auf eine andere Weiſe, z. E.
durch Zeugen, nicht gewiß werden
kann; ſo kann man es nicht anders be-
weiſen, als durch das Gewiſſen, oder
daß man GOtt zum Zeugen anruft:
indem niemand unſere Gedancken weiß, als
wir ſelbſt, die wir uns derſelben bewuſt ſind,
und Gott. Den Beweis der Wahrheit deſ-
ſen, was wir ſagen, durch das Zeugniß des
Gewiſſens, indem wir naͤmlich uns auf das
Gewiſſen als auf einen Zeugen, beruffen, nennt
man eine Betheurung (aſſeverationem);
den Beweis aber durch das Zeugniß Gottes,
indem wir naͤmlich Gott als den Zeugen der
Wahrheit desjenigen, was wir ſagen, und
als den Raͤcher der Luͤgen und des Meiney-
des anrufen, einen Eyd oder Eydſchwur
(juramentum, jusjurandum). Was der
Meineyd ſey, werden wir unten erklaͤren.
§. 362.
Weil derjenige, welcher ſchwoͤrt, gewiß
ſeyn muß, daß ein Gott ſey, der die Ge-
dancken der Menſchen kennt, und die Luͤgen
und den Meineyd beſtraft (§. 361.); ſo kann
der, welcher leugnet, daß ein Gott ſey,
oder daß er die Gedancken der Men-
ſchen kenne, oder daß er ſich wenig
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/258>, abgerufen am 23.11.2024.
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