Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
uns mit den Pflichten gegen andere durch
ein freundschaftliches Liebesband ver-
knüpfet, daß zu beyden einerley noth-
wendige und an sich unveränderliche Ver-
bindlichkeit ist. Unterdessen da die Kräf-
te des Menschen nicht unerschöpflich sind,
und deswegen nicht ohne Grund verschwen-
det werden müßen; so ist man andern
keine Pflichten mit der Hintansetzung sei-
ner selbst, und überdem nicht mehr als
in unserer Gewalt stehet, endlich auch
nicht denen, welche selbst in ihrer Ge-
walt haben, was sie von andern verlan-
gen, schuldig. Weil aber keinem Men-
schen von Natur ein Recht über die Hand-
lungen eines andern zukommt; so muß
man, wie dem um seines Mangels wil-
len bittenden, also auch dem, der es lei-
sten soll, über die Verabsäumung seiner
selbst, und von dem, was in seiner Ge-
walt ist, das Urtheil laßen. Es ist aber
nicht selten einem fremder Hülfe Bedürf-
tigen daran gelegen, daß er von dem,
was er von einem andern bittet, gewiß
sey. Derowegen kommt ihm selbst von
Natur ein Recht zu, sich andere zu gewis-
sen Gewährungen verbindlich zu machen,

so
)( )( 3

Vorrede.
uns mit den Pflichten gegen andere durch
ein freundſchaftliches Liebesband ver-
knuͤpfet, daß zu beyden einerley noth-
wendige und an ſich unveraͤnderliche Ver-
bindlichkeit iſt. Unterdeſſen da die Kraͤf-
te des Menſchen nicht unerſchoͤpflich ſind,
und deswegen nicht ohne Grund verſchwen-
det werden muͤßen; ſo iſt man andern
keine Pflichten mit der Hintanſetzung ſei-
ner ſelbſt, und uͤberdem nicht mehr als
in unſerer Gewalt ſtehet, endlich auch
nicht denen, welche ſelbſt in ihrer Ge-
walt haben, was ſie von andern verlan-
gen, ſchuldig. Weil aber keinem Men-
ſchen von Natur ein Recht uͤber die Hand-
lungen eines andern zukommt; ſo muß
man, wie dem um ſeines Mangels wil-
len bittenden, alſo auch dem, der es lei-
ſten ſoll, uͤber die Verabſaͤumung ſeiner
ſelbſt, und von dem, was in ſeiner Ge-
walt iſt, das Urtheil laßen. Es iſt aber
nicht ſelten einem fremder Huͤlfe Beduͤrf-
tigen daran gelegen, daß er von dem,
was er von einem andern bittet, gewiß
ſey. Derowegen kommt ihm ſelbſt von
Natur ein Recht zu, ſich andere zu gewiſ-
ſen Gewaͤhrungen verbindlich zu machen,

ſo
)( )( 3
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0025"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
uns mit den Pflichten gegen andere durch<lb/>
ein freund&#x017F;chaftliches Liebesband ver-<lb/>
knu&#x0364;pfet, daß zu beyden einerley noth-<lb/>
wendige und an &#x017F;ich unvera&#x0364;nderliche Ver-<lb/>
bindlichkeit i&#x017F;t. Unterde&#x017F;&#x017F;en da die Kra&#x0364;f-<lb/>
te des Men&#x017F;chen nicht uner&#x017F;cho&#x0364;pflich &#x017F;ind,<lb/>
und deswegen nicht ohne Grund ver&#x017F;chwen-<lb/>
det werden mu&#x0364;ßen; &#x017F;o i&#x017F;t man andern<lb/>
keine Pflichten mit der Hintan&#x017F;etzung &#x017F;ei-<lb/>
ner &#x017F;elb&#x017F;t, und u&#x0364;berdem nicht mehr als<lb/>
in un&#x017F;erer Gewalt &#x017F;tehet, endlich auch<lb/>
nicht denen, welche &#x017F;elb&#x017F;t in ihrer Ge-<lb/>
walt haben, was &#x017F;ie von andern verlan-<lb/>
gen, &#x017F;chuldig. Weil aber keinem Men-<lb/>
&#x017F;chen von Natur ein Recht u&#x0364;ber die Hand-<lb/>
lungen eines andern zukommt; &#x017F;o muß<lb/>
man, wie dem um &#x017F;eines Mangels wil-<lb/>
len bittenden, al&#x017F;o auch dem, der es lei-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;oll, u&#x0364;ber die Verab&#x017F;a&#x0364;umung &#x017F;einer<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, und von dem, was in &#x017F;einer Ge-<lb/>
walt i&#x017F;t, das Urtheil laßen. Es i&#x017F;t aber<lb/>
nicht &#x017F;elten einem fremder Hu&#x0364;lfe Bedu&#x0364;rf-<lb/>
tigen daran gelegen, daß er von dem,<lb/>
was er von einem andern bittet, gewiß<lb/>
&#x017F;ey. Derowegen kommt ihm &#x017F;elb&#x017F;t von<lb/>
Natur ein Recht zu, &#x017F;ich andere zu gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Gewa&#x0364;hrungen verbindlich zu machen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">)( )( 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0025] Vorrede. uns mit den Pflichten gegen andere durch ein freundſchaftliches Liebesband ver- knuͤpfet, daß zu beyden einerley noth- wendige und an ſich unveraͤnderliche Ver- bindlichkeit iſt. Unterdeſſen da die Kraͤf- te des Menſchen nicht unerſchoͤpflich ſind, und deswegen nicht ohne Grund verſchwen- det werden muͤßen; ſo iſt man andern keine Pflichten mit der Hintanſetzung ſei- ner ſelbſt, und uͤberdem nicht mehr als in unſerer Gewalt ſtehet, endlich auch nicht denen, welche ſelbſt in ihrer Ge- walt haben, was ſie von andern verlan- gen, ſchuldig. Weil aber keinem Men- ſchen von Natur ein Recht uͤber die Hand- lungen eines andern zukommt; ſo muß man, wie dem um ſeines Mangels wil- len bittenden, alſo auch dem, der es lei- ſten ſoll, uͤber die Verabſaͤumung ſeiner ſelbſt, und von dem, was in ſeiner Ge- walt iſt, das Urtheil laßen. Es iſt aber nicht ſelten einem fremder Huͤlfe Beduͤrf- tigen daran gelegen, daß er von dem, was er von einem andern bittet, gewiß ſey. Derowegen kommt ihm ſelbſt von Natur ein Recht zu, ſich andere zu gewiſ- ſen Gewaͤhrungen verbindlich zu machen, ſo )( )( 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/25
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/25>, abgerufen am 30.04.2024.