Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Unwahrscheinlichkeit der Hypothes.
wird. Die Art, wie es eine Zeitlang unsichtbar
gewesen, hernach sichtbar geworden sey, mag seyn
welche sie wolle. Es mag vorher zu klein, es
mag durchsichtig gewesen, hernach aber in ein
größeres Volumen ausgedehnt, oder undurchsich-
tig geworden seyn, oder es mag noch auf eine
andere Art geschehen seyn, das ist mir alles einer-
ley; und Sie haben die Freyheit zu wehlen, zu
erfinden, wie Sie wollen. Nun sage ich, ein
dergleichen Ding, ein solches evolvirtes Phäno-
men, oder eine solche Evolution finden Sie in der
ganzen Natur nicht. Mischen Sie mir nur nicht
gleich alles durcheinander. Sie werden sagen;
Wie? Pflanzen? Jnseckten? Das sind eben die
Dinge, bey denen ich die Evolution läugne; aber
haben Sie drey Augenblicke Gedult; ich werde da-
hin kommen. Wir wollen vors erste die organi-
sche Körper, die eben der Gegenstand unserer
Dispüte sind, nur so lange über Seite setzen, und
die übrige Erscheinungen der Natur, die übrige
ganze Natur nur mit einem Blick durchgehn.
Was sind da nicht noch für Erscheinungen? für
Dinge, die die Natur hervorbringt, und deren
Art, wie sie hervorgebracht werden, wir schon
wissen, und zwar so, daß wir alle darin einstim-
mig sind. Gehen Sie also diese Dinge durch,
und sehen Sie, ob Sie eine Evolution, oder et-
was ähnliches unter ihnen antreffen werden. Sie
finden also zum Exempel in der Luft Wolken, wel-
che entstehn und wieder aufhören. Aber schienen
sie nur zu entstehen? und wurden sie eigentlich

nur

Unwahrſcheinlichkeit der Hypotheſ.
wird. Die Art, wie es eine Zeitlang unſichtbar
geweſen, hernach ſichtbar geworden ſey, mag ſeyn
welche ſie wolle. Es mag vorher zu klein, es
mag durchſichtig geweſen, hernach aber in ein
groͤßeres Volumen ausgedehnt, oder undurchſich-
tig geworden ſeyn, oder es mag noch auf eine
andere Art geſchehen ſeyn, das iſt mir alles einer-
ley; und Sie haben die Freyheit zu wehlen, zu
erfinden, wie Sie wollen. Nun ſage ich, ein
dergleichen Ding, ein ſolches evolvirtes Phaͤno-
men, oder eine ſolche Evolution finden Sie in der
ganzen Natur nicht. Miſchen Sie mir nur nicht
gleich alles durcheinander. Sie werden ſagen;
Wie? Pflanzen? Jnſeckten? Das ſind eben die
Dinge, bey denen ich die Evolution laͤugne; aber
haben Sie drey Augenblicke Gedult; ich werde da-
hin kommen. Wir wollen vors erſte die organi-
ſche Koͤrper, die eben der Gegenſtand unſerer
Dispuͤte ſind, nur ſo lange uͤber Seite ſetzen, und
die uͤbrige Erſcheinungen der Natur, die uͤbrige
ganze Natur nur mit einem Blick durchgehn.
Was ſind da nicht noch fuͤr Erſcheinungen? fuͤr
Dinge, die die Natur hervorbringt, und deren
Art, wie ſie hervorgebracht werden, wir ſchon
wiſſen, und zwar ſo, daß wir alle darin einſtim-
mig ſind. Gehen Sie alſo dieſe Dinge durch,
und ſehen Sie, ob Sie eine Evolution, oder et-
was aͤhnliches unter ihnen antreffen werden. Sie
finden alſo zum Exempel in der Luft Wolken, wel-
che entſtehn und wieder aufhoͤren. Aber ſchienen
ſie nur zu entſtehen? und wurden ſie eigentlich

nur
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0066" n="44"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Unwahr&#x017F;cheinlichkeit der Hypothe&#x017F;.</hi></fw><lb/>
wird. Die Art, wie es eine Zeitlang un&#x017F;ichtbar<lb/>
gewe&#x017F;en, hernach &#x017F;ichtbar geworden &#x017F;ey, mag &#x017F;eyn<lb/>
welche &#x017F;ie wolle. Es mag vorher zu klein, es<lb/>
mag durch&#x017F;ichtig gewe&#x017F;en, hernach aber in ein<lb/>
gro&#x0364;ßeres Volumen ausgedehnt, oder undurch&#x017F;ich-<lb/>
tig geworden &#x017F;eyn, oder es mag noch auf eine<lb/>
andere Art ge&#x017F;chehen &#x017F;eyn, das i&#x017F;t mir alles einer-<lb/>
ley; und Sie haben die Freyheit zu wehlen, zu<lb/>
erfinden, wie Sie wollen. Nun &#x017F;age ich, ein<lb/>
dergleichen Ding, ein &#x017F;olches evolvirtes Pha&#x0364;no-<lb/>
men, oder eine &#x017F;olche Evolution finden Sie in der<lb/>
ganzen Natur nicht. Mi&#x017F;chen Sie mir nur nicht<lb/>
gleich alles durcheinander. Sie werden &#x017F;agen;<lb/>
Wie? Pflanzen? Jn&#x017F;eckten? Das &#x017F;ind eben die<lb/>
Dinge, bey denen ich die Evolution la&#x0364;ugne; aber<lb/>
haben Sie drey Augenblicke Gedult; ich werde da-<lb/>
hin kommen. Wir wollen vors er&#x017F;te die organi-<lb/>
&#x017F;che Ko&#x0364;rper, die eben der Gegen&#x017F;tand un&#x017F;erer<lb/>
Dispu&#x0364;te &#x017F;ind, nur &#x017F;o lange u&#x0364;ber Seite &#x017F;etzen, und<lb/>
die u&#x0364;brige Er&#x017F;cheinungen der Natur, die u&#x0364;brige<lb/>
ganze Natur nur mit einem Blick durchgehn.<lb/>
Was &#x017F;ind da nicht noch fu&#x0364;r Er&#x017F;cheinungen? fu&#x0364;r<lb/>
Dinge, die die Natur hervorbringt, und deren<lb/>
Art, wie &#x017F;ie hervorgebracht werden, wir &#x017F;chon<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, und zwar &#x017F;o, daß wir alle darin ein&#x017F;tim-<lb/>
mig &#x017F;ind. Gehen Sie al&#x017F;o die&#x017F;e Dinge durch,<lb/>
und &#x017F;ehen Sie, ob Sie eine Evolution, oder et-<lb/>
was a&#x0364;hnliches unter ihnen antreffen werden. Sie<lb/>
finden al&#x017F;o zum Exempel in der Luft Wolken, wel-<lb/>
che ent&#x017F;tehn und wieder aufho&#x0364;ren. Aber &#x017F;chienen<lb/>
&#x017F;ie nur zu ent&#x017F;tehen? und wurden &#x017F;ie eigentlich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nur</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0066] Unwahrſcheinlichkeit der Hypotheſ. wird. Die Art, wie es eine Zeitlang unſichtbar geweſen, hernach ſichtbar geworden ſey, mag ſeyn welche ſie wolle. Es mag vorher zu klein, es mag durchſichtig geweſen, hernach aber in ein groͤßeres Volumen ausgedehnt, oder undurchſich- tig geworden ſeyn, oder es mag noch auf eine andere Art geſchehen ſeyn, das iſt mir alles einer- ley; und Sie haben die Freyheit zu wehlen, zu erfinden, wie Sie wollen. Nun ſage ich, ein dergleichen Ding, ein ſolches evolvirtes Phaͤno- men, oder eine ſolche Evolution finden Sie in der ganzen Natur nicht. Miſchen Sie mir nur nicht gleich alles durcheinander. Sie werden ſagen; Wie? Pflanzen? Jnſeckten? Das ſind eben die Dinge, bey denen ich die Evolution laͤugne; aber haben Sie drey Augenblicke Gedult; ich werde da- hin kommen. Wir wollen vors erſte die organi- ſche Koͤrper, die eben der Gegenſtand unſerer Dispuͤte ſind, nur ſo lange uͤber Seite ſetzen, und die uͤbrige Erſcheinungen der Natur, die uͤbrige ganze Natur nur mit einem Blick durchgehn. Was ſind da nicht noch fuͤr Erſcheinungen? fuͤr Dinge, die die Natur hervorbringt, und deren Art, wie ſie hervorgebracht werden, wir ſchon wiſſen, und zwar ſo, daß wir alle darin einſtim- mig ſind. Gehen Sie alſo dieſe Dinge durch, und ſehen Sie, ob Sie eine Evolution, oder et- was aͤhnliches unter ihnen antreffen werden. Sie finden alſo zum Exempel in der Luft Wolken, wel- che entſtehn und wieder aufhoͤren. Aber ſchienen ſie nur zu entſtehen? und wurden ſie eigentlich nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/66
Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/66>, abgerufen am 23.11.2024.