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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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Begriff einer Theorie
welcher nun wiederum ein solcher Körper formirt
werden soll, einsieht, daß dieser Körper ebenfalls
zwar Gefäße bekommen werde, daß aber diese Ge-
fäße ramificirt werden seyn müssen, daß immer
mehrere kleinere aus wenigern größeren und alle
endlich aus einem gemeinschaftlichen werden ent-
springen müssen, daß eben dieses gemeinschaftli-
Gefäße ein Herz seyn werde, weil die Figur des
Herzens, welches bey den Jnseckten ein bloßer et-
was weiter Canal ist, nichts zum Wesen des Her-
zens beyträgt; daß aus diesen Bestimmungen fer-
ner alle übrige Eigenschaften, wodurch sich der thie-
rische organische Körper von dem organischen Kör-
per der Pflanze in Ansehung seiner Zusammense-
tzung unterscheidet, nothwendig werden erfolgen
müssen, wenn also sage ich auf diese Art jemand
den Bau dieses organischen Körpers aus der Be-
schaffenheit der ihn formirenden Kräften | und den
Eigenschaften der Substanz, woraus er formirt
wird und also aus seinen Ursachen einsieht; so hat
derselbe eine philosophische Erkenntniß von ihm
die von der bloß historischen sehr verschieden ist.

Hieraus aber sehen Sie zu gleicher Zeit auch,
daß eine solche phylosophische Erkenntniß von ei-
nem organischen Körper accurat unsere Theorie
der Generation seyn werde, eben so wie ich kurz
vorher gesagt habe, daß die historische Kenntniß
desselben nichts anders als die Anatomie sey.

Da man ferner die philosophische Erkenntniß
eines Dinges eine Wissenschaft deselben nennt;

so

Begriff einer Theorie
welcher nun wiederum ein ſolcher Koͤrper formirt
werden ſoll, einſieht, daß dieſer Koͤrper ebenfalls
zwar Gefaͤße bekommen werde, daß aber dieſe Ge-
faͤße ramificirt werden ſeyn muͤſſen, daß immer
mehrere kleinere aus wenigern groͤßeren und alle
endlich aus einem gemeinſchaftlichen werden ent-
ſpringen muͤſſen, daß eben dieſes gemeinſchaftli-
Gefaͤße ein Herz ſeyn werde, weil die Figur des
Herzens, welches bey den Jnſeckten ein bloßer et-
was weiter Canal iſt, nichts zum Weſen des Her-
zens beytraͤgt; daß aus dieſen Beſtimmungen fer-
ner alle uͤbrige Eigenſchaften, wodurch ſich der thie-
riſche organiſche Koͤrper von dem organiſchen Koͤr-
per der Pflanze in Anſehung ſeiner Zuſammenſe-
tzung unterſcheidet, nothwendig werden erfolgen
muͤſſen, wenn alſo ſage ich auf dieſe Art jemand
den Bau dieſes organiſchen Koͤrpers aus der Be-
ſchaffenheit der ihn formirenden Kraͤften | und den
Eigenſchaften der Subſtanz, woraus er formirt
wird und alſo aus ſeinen Urſachen einſieht; ſo hat
derſelbe eine philoſophiſche Erkenntniß von ihm
die von der bloß hiſtoriſchen ſehr verſchieden iſt.

Hieraus aber ſehen Sie zu gleicher Zeit auch,
daß eine ſolche phyloſophiſche Erkenntniß von ei-
nem organiſchen Koͤrper accurat unſere Theorie
der Generation ſeyn werde, eben ſo wie ich kurz
vorher geſagt habe, daß die hiſtoriſche Kenntniß
deſſelben nichts anders als die Anatomie ſey.

Da man ferner die philoſophiſche Erkenntniß
eines Dinges eine Wiſſenſchaft deſelben nennt;

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[10/0032] Begriff einer Theorie welcher nun wiederum ein ſolcher Koͤrper formirt werden ſoll, einſieht, daß dieſer Koͤrper ebenfalls zwar Gefaͤße bekommen werde, daß aber dieſe Ge- faͤße ramificirt werden ſeyn muͤſſen, daß immer mehrere kleinere aus wenigern groͤßeren und alle endlich aus einem gemeinſchaftlichen werden ent- ſpringen muͤſſen, daß eben dieſes gemeinſchaftli- Gefaͤße ein Herz ſeyn werde, weil die Figur des Herzens, welches bey den Jnſeckten ein bloßer et- was weiter Canal iſt, nichts zum Weſen des Her- zens beytraͤgt; daß aus dieſen Beſtimmungen fer- ner alle uͤbrige Eigenſchaften, wodurch ſich der thie- riſche organiſche Koͤrper von dem organiſchen Koͤr- per der Pflanze in Anſehung ſeiner Zuſammenſe- tzung unterſcheidet, nothwendig werden erfolgen muͤſſen, wenn alſo ſage ich auf dieſe Art jemand den Bau dieſes organiſchen Koͤrpers aus der Be- ſchaffenheit der ihn formirenden Kraͤften | und den Eigenſchaften der Subſtanz, woraus er formirt wird und alſo aus ſeinen Urſachen einſieht; ſo hat derſelbe eine philoſophiſche Erkenntniß von ihm die von der bloß hiſtoriſchen ſehr verſchieden iſt. Hieraus aber ſehen Sie zu gleicher Zeit auch, daß eine ſolche phyloſophiſche Erkenntniß von ei- nem organiſchen Koͤrper accurat unſere Theorie der Generation ſeyn werde, eben ſo wie ich kurz vorher geſagt habe, daß die hiſtoriſche Kenntniß deſſelben nichts anders als die Anatomie ſey. Da man ferner die philoſophiſche Erkenntniß eines Dinges eine Wiſſenſchaft deſelben nennt; ſo

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/32>, abgerufen am 24.04.2024.