Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.5. Kap. Von der Entstehungsart schen Pflanzen-Blättern und vierfüßigen Thierenselbst zu finden. Jch hatte die erste Anlage zu den vier Füßen in der Gestalt einer Kante um den Rückgrad gesehn; die der Kante der Blätter ähnlich war. Dieses kam mir so ungewöhnlich und wun- derbar vor, daß ich kaum glauben wollte daß diese Kante der würkliche Anfang zu den vier Füßen oder Flügeln und Füßen seyn konnte; ich habe daher im 228. §. Schol. mit vieler Mühe in dem Serrato antico majori nnd im Latissimo dorsi einigen Ue- berrest von dem Theil der Kante gesucht, der sich ehedem inder Mitte des Rückgrads befunden hat- te, um eine Sache, die| ich gesehen hatte, mir selber glaublicher zu machen. Wenn aber bey einigen Thieren diese Theile, die vier Füße, so beschaffen sind, daß sie zu ihrer ersten Anlage nothwendig eine Kante erfordern, daß sie selbst beym Erwachsenen nicht sehr von einer solchen Kante, oder von den Flügeln eines Blattes ver- schieden sind; so verliert die Sache dadurch viel von dem Wunderbaren; das war meine Absicht. Nunmehro setze ich noch dieses hinzu; Es gibt Pflanzen, deren Blätter sehr tief bis auf die Haupt- rippe eingeschnitten, (z. E. Folia pinnata) sind; bey diesen finden eigentlich keine Flügel statt, son- dern nur bloße Seitenrippen, die von einander frey und abgesondert sind. Diese Blätter nun for- miren bey ihrer Entstehung, wie man schon leicht vermuthen kann, keine Kante um den kleinen Ke- gel, sondern dieser excernirt seitwärts einen Saft, der zuerst unter der Gestalt kleiner Hugel zum Vor- schein
5. Kap. Von der Entſtehungsart ſchen Pflanzen-Blaͤttern und vierfuͤßigen Thierenſelbſt zu finden. Jch hatte die erſte Anlage zu den vier Fuͤßen in der Geſtalt einer Kante um den Ruͤckgrad geſehn; die der Kante der Blaͤtter aͤhnlich war. Dieſes kam mir ſo ungewoͤhnlich und wun- derbar vor, daß ich kaum glauben wollte daß dieſe Kante der wuͤrkliche Anfang zu den vier Fuͤßen oder Fluͤgeln und Fuͤßen ſeyn konnte; ich habe daher im 228. §. Schol. mit vieler Muͤhe in dem Serrato antico majori nnd im Latiſſimo dorſi einigen Ue- berreſt von dem Theil der Kante geſucht, der ſich ehedem inder Mitte des Ruͤckgrads befunden hat- te, um eine Sache, die| ich geſehen hatte, mir ſelber glaublicher zu machen. Wenn aber bey einigen Thieren dieſe Theile, die vier Fuͤße, ſo beſchaffen ſind, daß ſie zu ihrer erſten Anlage nothwendig eine Kante erfordern, daß ſie ſelbſt beym Erwachſenen nicht ſehr von einer ſolchen Kante, oder von den Fluͤgeln eines Blattes ver- ſchieden ſind; ſo verliert die Sache dadurch viel von dem Wunderbaren; das war meine Abſicht. Nunmehro ſetze ich noch dieſes hinzu; Es gibt Pflanzen, deren Blaͤtter ſehr tief bis auf die Haupt- rippe eingeſchnitten, (z. E. Folia pinnata) ſind; bey dieſen finden eigentlich keine Fluͤgel ſtatt, ſon- dern nur bloße Seitenrippen, die von einander frey und abgeſondert ſind. Dieſe Blaͤtter nun for- miren bey ihrer Entſtehung, wie man ſchon leicht vermuthen kann, keine Kante um den kleinen Ke- gel, ſondern dieſer excernirt ſeitwaͤrts einen Saft, der zuerſt unter der Geſtalt kleiner Hugel zum Vor- ſchein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0230" n="208"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">5. Kap. Von der Entſtehungsart</hi></fw><lb/> ſchen Pflanzen-Blaͤttern und vierfuͤßigen Thieren<lb/> ſelbſt zu finden. Jch hatte die erſte Anlage zu<lb/> den vier Fuͤßen in der Geſtalt einer Kante um den<lb/> Ruͤckgrad geſehn; die der Kante der Blaͤtter aͤhnlich<lb/> war. Dieſes kam mir ſo ungewoͤhnlich und wun-<lb/> derbar vor, daß ich kaum glauben wollte daß dieſe<lb/> Kante der wuͤrkliche Anfang zu den vier Fuͤßen oder<lb/> Fluͤgeln und Fuͤßen ſeyn konnte; ich habe daher<lb/> im 228. §. <hi rendition="#aq">Schol.</hi> mit vieler Muͤhe in dem <hi rendition="#aq">Serrato<lb/> antico majori</hi> nnd im <hi rendition="#aq">Latiſſimo dorſi</hi> einigen Ue-<lb/> berreſt von dem Theil der Kante geſucht, der ſich<lb/> ehedem inder Mitte des Ruͤckgrads befunden hat-<lb/> te, um eine Sache, die| ich geſehen hatte, mir<lb/> ſelber glaublicher zu machen. Wenn aber bey<lb/> einigen Thieren dieſe Theile, die vier Fuͤße, ſo<lb/> beſchaffen ſind, daß ſie zu ihrer erſten Anlage<lb/> nothwendig eine Kante erfordern, daß ſie ſelbſt<lb/> beym Erwachſenen nicht ſehr von einer ſolchen<lb/> Kante, oder von den Fluͤgeln eines Blattes ver-<lb/> ſchieden ſind; ſo verliert die Sache dadurch viel<lb/> von dem Wunderbaren; das war meine Abſicht.<lb/> Nunmehro ſetze ich noch dieſes hinzu; Es gibt<lb/> Pflanzen, deren Blaͤtter ſehr tief bis auf die Haupt-<lb/> rippe eingeſchnitten, (z. E. <hi rendition="#aq">Folia pinnata</hi>) ſind;<lb/> bey dieſen finden eigentlich keine Fluͤgel ſtatt, ſon-<lb/> dern nur bloße Seitenrippen, die von einander<lb/> frey und abgeſondert ſind. Dieſe Blaͤtter nun for-<lb/> miren bey ihrer Entſtehung, wie man ſchon leicht<lb/> vermuthen kann, keine Kante um den kleinen Ke-<lb/> gel, ſondern dieſer excernirt ſeitwaͤrts einen Saft,<lb/> der zuerſt unter der Geſtalt kleiner Hugel zum Vor-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſchein</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0230]
5. Kap. Von der Entſtehungsart
ſchen Pflanzen-Blaͤttern und vierfuͤßigen Thieren
ſelbſt zu finden. Jch hatte die erſte Anlage zu
den vier Fuͤßen in der Geſtalt einer Kante um den
Ruͤckgrad geſehn; die der Kante der Blaͤtter aͤhnlich
war. Dieſes kam mir ſo ungewoͤhnlich und wun-
derbar vor, daß ich kaum glauben wollte daß dieſe
Kante der wuͤrkliche Anfang zu den vier Fuͤßen oder
Fluͤgeln und Fuͤßen ſeyn konnte; ich habe daher
im 228. §. Schol. mit vieler Muͤhe in dem Serrato
antico majori nnd im Latiſſimo dorſi einigen Ue-
berreſt von dem Theil der Kante geſucht, der ſich
ehedem inder Mitte des Ruͤckgrads befunden hat-
te, um eine Sache, die| ich geſehen hatte, mir
ſelber glaublicher zu machen. Wenn aber bey
einigen Thieren dieſe Theile, die vier Fuͤße, ſo
beſchaffen ſind, daß ſie zu ihrer erſten Anlage
nothwendig eine Kante erfordern, daß ſie ſelbſt
beym Erwachſenen nicht ſehr von einer ſolchen
Kante, oder von den Fluͤgeln eines Blattes ver-
ſchieden ſind; ſo verliert die Sache dadurch viel
von dem Wunderbaren; das war meine Abſicht.
Nunmehro ſetze ich noch dieſes hinzu; Es gibt
Pflanzen, deren Blaͤtter ſehr tief bis auf die Haupt-
rippe eingeſchnitten, (z. E. Folia pinnata) ſind;
bey dieſen finden eigentlich keine Fluͤgel ſtatt, ſon-
dern nur bloße Seitenrippen, die von einander
frey und abgeſondert ſind. Dieſe Blaͤtter nun for-
miren bey ihrer Entſtehung, wie man ſchon leicht
vermuthen kann, keine Kante um den kleinen Ke-
gel, ſondern dieſer excernirt ſeitwaͤrts einen Saft,
der zuerſt unter der Geſtalt kleiner Hugel zum Vor-
ſchein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |