F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Am obern Ende eines Tisches, auf welchem das Frühstück geordnet stand, saß Herr Steffano, einer der angesehensten Kaufleute in Frankfurt. Wie nach dem Namen zu erwarten, südlicher Abkunft, sprach sich diese auch in den Formen des Antlitzes, in dem Schnitte und der Farbe des Augenpaares deutlich genug aus, wenn gleich seine Voreltern schon vor beinahe zweihundert Jahren aus Italien nach Deutschland eingewandert sein mochten. Sein lebhafter und doch ruhiger Blick beurkundete die wohlbenutzten Erfahrungen eines der Thätigkeit und dem Nachdenken gewidmeten Lebens; der etwas streng geschlossene Mund deutete auf Ernst und Entschlossenheit, während in dem Lächeln, wenn dieses seine Züge belebte, herzgewinnende Freundlichkeit sich aussprach. Ihm zur Rechten befand sich ein junger Mann, mit hellbraunem Lockenkopfe, mit bedeutenden, ausdrucksvollen, wenn gleich nicht eben schönen Zügen, der dem Aeußern nach mehr erust als fröhlich, mehr gedankenvoll als beglückt sich darstellte. Zur Am obern Ende eines Tisches, auf welchem das Frühstück geordnet stand, saß Herr Steffano, einer der angesehensten Kaufleute in Frankfurt. Wie nach dem Namen zu erwarten, südlicher Abkunft, sprach sich diese auch in den Formen des Antlitzes, in dem Schnitte und der Farbe des Augenpaares deutlich genug aus, wenn gleich seine Voreltern schon vor beinahe zweihundert Jahren aus Italien nach Deutschland eingewandert sein mochten. Sein lebhafter und doch ruhiger Blick beurkundete die wohlbenutzten Erfahrungen eines der Thätigkeit und dem Nachdenken gewidmeten Lebens; der etwas streng geschlossene Mund deutete auf Ernst und Entschlossenheit, während in dem Lächeln, wenn dieses seine Züge belebte, herzgewinnende Freundlichkeit sich aussprach. Ihm zur Rechten befand sich ein junger Mann, mit hellbraunem Lockenkopfe, mit bedeutenden, ausdrucksvollen, wenn gleich nicht eben schönen Zügen, der dem Aeußern nach mehr erust als fröhlich, mehr gedankenvoll als beglückt sich darstellte. Zur <TEI> <text> <pb facs="#f0007"/> <body> <div type="chapter" n="1"> <p>Am obern Ende eines Tisches, auf welchem das Frühstück geordnet stand, saß Herr Steffano, einer der angesehensten Kaufleute in Frankfurt. Wie nach dem Namen zu erwarten, südlicher Abkunft, sprach sich diese auch in den Formen des Antlitzes, in dem Schnitte und der Farbe des Augenpaares deutlich genug aus, wenn gleich seine Voreltern schon vor beinahe zweihundert Jahren aus Italien nach Deutschland eingewandert sein mochten. Sein lebhafter und doch ruhiger Blick beurkundete die wohlbenutzten Erfahrungen eines der Thätigkeit und dem Nachdenken gewidmeten Lebens; der etwas streng geschlossene Mund deutete auf Ernst und Entschlossenheit, während in dem Lächeln, wenn dieses seine Züge belebte, herzgewinnende Freundlichkeit sich aussprach. Ihm zur Rechten befand sich ein junger Mann, mit hellbraunem Lockenkopfe, mit bedeutenden, ausdrucksvollen, wenn gleich nicht eben schönen Zügen, der dem Aeußern nach mehr erust als fröhlich, mehr gedankenvoll als beglückt sich darstellte. Zur<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0007]
Am obern Ende eines Tisches, auf welchem das Frühstück geordnet stand, saß Herr Steffano, einer der angesehensten Kaufleute in Frankfurt. Wie nach dem Namen zu erwarten, südlicher Abkunft, sprach sich diese auch in den Formen des Antlitzes, in dem Schnitte und der Farbe des Augenpaares deutlich genug aus, wenn gleich seine Voreltern schon vor beinahe zweihundert Jahren aus Italien nach Deutschland eingewandert sein mochten. Sein lebhafter und doch ruhiger Blick beurkundete die wohlbenutzten Erfahrungen eines der Thätigkeit und dem Nachdenken gewidmeten Lebens; der etwas streng geschlossene Mund deutete auf Ernst und Entschlossenheit, während in dem Lächeln, wenn dieses seine Züge belebte, herzgewinnende Freundlichkeit sich aussprach. Ihm zur Rechten befand sich ein junger Mann, mit hellbraunem Lockenkopfe, mit bedeutenden, ausdrucksvollen, wenn gleich nicht eben schönen Zügen, der dem Aeußern nach mehr erust als fröhlich, mehr gedankenvoll als beglückt sich darstellte. Zur
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Zitationshilfe: | F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/7>, abgerufen am 16.02.2025. |