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F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mit großer Unbefangenheit einen Herrn, dessen Namen er vergessen habe; da Ludwig dem Besuch eines jungen Polen mit sehr schwierig auszusprechendem Namen entgegensah, so fand ich Nichts natürlicher und ließ ihn eintreten. Sein Aeußeres beschreibe ich dir nicht, daran liegt ja auch in der That nicht viel, obgleich, nebenbei bemerkt, mir noch nie Jemand gefallen hat, der nicht gerade so ausgesehen hätte, wie ich es gerne habe. -- Nach den ersten gebräuchlichen Redensarten bezeigte ich ihm meine Verwunderung darüber, daß er so vortrefflich deutsch spreche. Ueberrascht sah er mich einen Augenblick an und entgegnete mit einem Lächeln, welches ihm außerordentlich wohl läßt: daß es dasjenige sei, worauf er sich am wenigsten einbilde. Es kam zu einer Erläuterung, und R. setzte das Gespräch mit Geist und Laune fort. Seine eben zurückgelegte Reise bot den wünschenswerthesten Stoff. Ich erging mich mit ihm an den Ufern des Rheins, beschiffte mit ihm die wildströmende Donau und sah die Zweige schöner Bäume sich malerisch ins tiefblaue Wasser tauchen. Seine Darstellungsgabe fiel mir als ungewöhnlich auf, die Frische, der Reichthum in den wohlgewählten Ausdrücken, Alles war neu und anziehend, und doch sagte ich mir heimlich, er habe das Alles gewiß schon öfter erzählt, schon öfter dadurch gefallen. --

Ludwig kam endlich; seine Freude war die herzlichste, die sich denken läßt, und R. bekam das beste Zimmer im Hause. Nie zuvor hatte ich von geistiger

mit großer Unbefangenheit einen Herrn, dessen Namen er vergessen habe; da Ludwig dem Besuch eines jungen Polen mit sehr schwierig auszusprechendem Namen entgegensah, so fand ich Nichts natürlicher und ließ ihn eintreten. Sein Aeußeres beschreibe ich dir nicht, daran liegt ja auch in der That nicht viel, obgleich, nebenbei bemerkt, mir noch nie Jemand gefallen hat, der nicht gerade so ausgesehen hätte, wie ich es gerne habe. — Nach den ersten gebräuchlichen Redensarten bezeigte ich ihm meine Verwunderung darüber, daß er so vortrefflich deutsch spreche. Ueberrascht sah er mich einen Augenblick an und entgegnete mit einem Lächeln, welches ihm außerordentlich wohl läßt: daß es dasjenige sei, worauf er sich am wenigsten einbilde. Es kam zu einer Erläuterung, und R. setzte das Gespräch mit Geist und Laune fort. Seine eben zurückgelegte Reise bot den wünschenswerthesten Stoff. Ich erging mich mit ihm an den Ufern des Rheins, beschiffte mit ihm die wildströmende Donau und sah die Zweige schöner Bäume sich malerisch ins tiefblaue Wasser tauchen. Seine Darstellungsgabe fiel mir als ungewöhnlich auf, die Frische, der Reichthum in den wohlgewählten Ausdrücken, Alles war neu und anziehend, und doch sagte ich mir heimlich, er habe das Alles gewiß schon öfter erzählt, schon öfter dadurch gefallen. —

Ludwig kam endlich; seine Freude war die herzlichste, die sich denken läßt, und R. bekam das beste Zimmer im Hause. Nie zuvor hatte ich von geistiger

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[0024] mit großer Unbefangenheit einen Herrn, dessen Namen er vergessen habe; da Ludwig dem Besuch eines jungen Polen mit sehr schwierig auszusprechendem Namen entgegensah, so fand ich Nichts natürlicher und ließ ihn eintreten. Sein Aeußeres beschreibe ich dir nicht, daran liegt ja auch in der That nicht viel, obgleich, nebenbei bemerkt, mir noch nie Jemand gefallen hat, der nicht gerade so ausgesehen hätte, wie ich es gerne habe. — Nach den ersten gebräuchlichen Redensarten bezeigte ich ihm meine Verwunderung darüber, daß er so vortrefflich deutsch spreche. Ueberrascht sah er mich einen Augenblick an und entgegnete mit einem Lächeln, welches ihm außerordentlich wohl läßt: daß es dasjenige sei, worauf er sich am wenigsten einbilde. Es kam zu einer Erläuterung, und R. setzte das Gespräch mit Geist und Laune fort. Seine eben zurückgelegte Reise bot den wünschenswerthesten Stoff. Ich erging mich mit ihm an den Ufern des Rheins, beschiffte mit ihm die wildströmende Donau und sah die Zweige schöner Bäume sich malerisch ins tiefblaue Wasser tauchen. Seine Darstellungsgabe fiel mir als ungewöhnlich auf, die Frische, der Reichthum in den wohlgewählten Ausdrücken, Alles war neu und anziehend, und doch sagte ich mir heimlich, er habe das Alles gewiß schon öfter erzählt, schon öfter dadurch gefallen. — Ludwig kam endlich; seine Freude war die herzlichste, die sich denken läßt, und R. bekam das beste Zimmer im Hause. Nie zuvor hatte ich von geistiger

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:52:17Z)

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Zitationshilfe: F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/24>, abgerufen am 22.11.2024.