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F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sagte sie leise und hielt dann wie erschrocken inne: Nein, nein, fügte sie hinzu, nie will ich bereuen, ihm mein ganzes Herz gegeben zu haben. Sie setzte sich und stützte den Kopf mit geschlossenen Augen an die Lehne des Sessels; nur an den Thränen, welche langsam über ihre bleichen Wangen rollten, sah man, daß sie lebe und leide.

Charlotte an Emmy.

So lange bin ich ohne Nachricht von dir, daß ich annehmen muß, irgend ein besonderes Ereigniß veranlasse dein Stillschweigen. Hoffentlich ein gutes, denn wenn es dir übel erginge, würdest du gewiß des Herzens gedenken, welches stets deinen Schmerz mit dir gefühlt und ihn getheilt. Manchmal steigt in mir die Furcht auf, daß mein Ernst und meine Lebensansichten dich zurückschrecken, aber habe ich das verdient? -- Mir blüht der Frühling anders als dir, aber von ganzer Seele freut es mich, wenn er alle seine Rosen über dich ausstreut. -- Meine Bestimmung war von Anbeginn anders gestellt; es ist unverkennbar, daß mir nur ein kurzes Erdendasein vergönnt sein wird, deßhalb kann ich nicht denken, mich nicht freuen, mich nicht bethören lassen, gleich dir. Es giebt Menschen, welchen eine ernste Lebensbahn angewiesen ist, über dieselbe hinaus strecken sie nicht ungeahndet die Hand nach einem Maaße

sagte sie leise und hielt dann wie erschrocken inne: Nein, nein, fügte sie hinzu, nie will ich bereuen, ihm mein ganzes Herz gegeben zu haben. Sie setzte sich und stützte den Kopf mit geschlossenen Augen an die Lehne des Sessels; nur an den Thränen, welche langsam über ihre bleichen Wangen rollten, sah man, daß sie lebe und leide.

Charlotte an Emmy.

So lange bin ich ohne Nachricht von dir, daß ich annehmen muß, irgend ein besonderes Ereigniß veranlasse dein Stillschweigen. Hoffentlich ein gutes, denn wenn es dir übel erginge, würdest du gewiß des Herzens gedenken, welches stets deinen Schmerz mit dir gefühlt und ihn getheilt. Manchmal steigt in mir die Furcht auf, daß mein Ernst und meine Lebensansichten dich zurückschrecken, aber habe ich das verdient? — Mir blüht der Frühling anders als dir, aber von ganzer Seele freut es mich, wenn er alle seine Rosen über dich ausstreut. — Meine Bestimmung war von Anbeginn anders gestellt; es ist unverkennbar, daß mir nur ein kurzes Erdendasein vergönnt sein wird, deßhalb kann ich nicht denken, mich nicht freuen, mich nicht bethören lassen, gleich dir. Es giebt Menschen, welchen eine ernste Lebensbahn angewiesen ist, über dieselbe hinaus strecken sie nicht ungeahndet die Hand nach einem Maaße

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[0021] sagte sie leise und hielt dann wie erschrocken inne: Nein, nein, fügte sie hinzu, nie will ich bereuen, ihm mein ganzes Herz gegeben zu haben. Sie setzte sich und stützte den Kopf mit geschlossenen Augen an die Lehne des Sessels; nur an den Thränen, welche langsam über ihre bleichen Wangen rollten, sah man, daß sie lebe und leide. Charlotte an Emmy. So lange bin ich ohne Nachricht von dir, daß ich annehmen muß, irgend ein besonderes Ereigniß veranlasse dein Stillschweigen. Hoffentlich ein gutes, denn wenn es dir übel erginge, würdest du gewiß des Herzens gedenken, welches stets deinen Schmerz mit dir gefühlt und ihn getheilt. Manchmal steigt in mir die Furcht auf, daß mein Ernst und meine Lebensansichten dich zurückschrecken, aber habe ich das verdient? — Mir blüht der Frühling anders als dir, aber von ganzer Seele freut es mich, wenn er alle seine Rosen über dich ausstreut. — Meine Bestimmung war von Anbeginn anders gestellt; es ist unverkennbar, daß mir nur ein kurzes Erdendasein vergönnt sein wird, deßhalb kann ich nicht denken, mich nicht freuen, mich nicht bethören lassen, gleich dir. Es giebt Menschen, welchen eine ernste Lebensbahn angewiesen ist, über dieselbe hinaus strecken sie nicht ungeahndet die Hand nach einem Maaße

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:52:17Z)

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Zitationshilfe: F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/21>, abgerufen am 22.11.2024.