Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_044.001 Zum Schluß bietet uns abermals die naturalistische Litteratur pwo_044.002 "Anfangs umzüngelte das moquante Lächeln den süßen Mund, pwo_044.005 Die "schmalen Finger" gelten ebenfalls für ein Zeichen der Vornehmheit. pwo_044.011 "Als sie oben auf der Bühne stand," pwo_044.016philosophiert er über die weibliche Hauptfigur, pwo_044.017"war wenigstens ein Schatten äußerer Vornehmheit vorhanden. pwo_044.018 pwo_044.021 Also selbst das rein äußerliche Höherstehen auf dem Podium wird pwo_044.022 So schwelgt denn die Sprache des gehobenen Gefühls auch pwo_044.025 pwo_044.029 § 30. pwo_044.030 pwo_044.031Die Natur als Anschauung und Sinnbild. Es ist ein in geschichtlicher Zeit meist klar verfolgbarer Gang pwo_044.032 pwo_044.001 Zum Schluß bietet uns abermals die naturalistische Litteratur pwo_044.002 „Anfangs umzüngelte das moquante Lächeln den süßen Mund, pwo_044.005 Die „schmalen Finger“ gelten ebenfalls für ein Zeichen der Vornehmheit. pwo_044.011 „Als sie oben auf der Bühne stand,“ pwo_044.016philosophiert er über die weibliche Hauptfigur, pwo_044.017„war wenigstens ein Schatten äußerer Vornehmheit vorhanden. pwo_044.018 pwo_044.021 Also selbst das rein äußerliche Höherstehen auf dem Podium wird pwo_044.022 So schwelgt denn die Sprache des gehobenen Gefühls auch pwo_044.025 pwo_044.029 § 30. pwo_044.030 pwo_044.031Die Natur als Anschauung und Sinnbild. Es ist ein in geschichtlicher Zeit meist klar verfolgbarer Gang pwo_044.032 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0058" n="44"/> <lb n="pwo_044.001"/> <p> Zum Schluß bietet uns abermals die naturalistische Litteratur <lb n="pwo_044.002"/> der letzten Jahrzehnte reichlich Proben für die allgemeine Verbreitung <lb n="pwo_044.003"/> dieses poetischen Stilmittels:</p> <lb n="pwo_044.004"/> <p> <hi rendition="#et">„Anfangs umzüngelte das moquante Lächeln den süßen Mund, <lb n="pwo_044.005"/> aber es schwand gänzlich, und ein plötzlicher Schatten unsäglicher <lb n="pwo_044.006"/> Wehmut deckte ihre <hi rendition="#g">vornehmen</hi> Züge. Jch ergriff <lb n="pwo_044.007"/> ihre Hand und preßte sie lange an meine Lippen: ihre <lb n="pwo_044.008"/> <hi rendition="#g">schmalen Finger</hi> drückten die meinen mit einem krampfhaften <lb n="pwo_044.009"/> Druck.“</hi> </p> <lb n="pwo_044.010"/> <p>Die „schmalen Finger“ gelten ebenfalls für ein Zeichen der Vornehmheit. <lb n="pwo_044.011"/> Karl Bleibtreu ist es, der diese Zeilen schrieb, und seine <lb n="pwo_044.012"/> Heldin ist alles eher als vornehm von Gesinnung oder Stellung. <lb n="pwo_044.013"/> Ja, der Dichter läßt seinen Helden zur Aussprache bringen, was in <lb n="pwo_044.014"/> Wahrheit das Wesen unserer poetischen Figur ist:</p> <lb n="pwo_044.015"/> <p> <hi rendition="#et">„Als sie <hi rendition="#g">oben</hi> auf der Bühne stand,“</hi> </p> <lb n="pwo_044.016"/> <p>philosophiert er über die weibliche Hauptfigur,</p> <lb n="pwo_044.017"/> <p> <hi rendition="#et">„war wenigstens ein Schatten äußerer <hi rendition="#g">Vornehmheit</hi> vorhanden. <lb n="pwo_044.018"/> Jetzt – ... mir gegenüberhockend – ... o jetzt <lb n="pwo_044.019"/> fühle ich einen peinigenden Schmerz bei dieser ihrer Demütigung.“</hi> </p> <lb n="pwo_044.020"/> <lb n="pwo_044.021"/> <p>Also selbst das rein äußerliche Höherstehen auf dem Podium wird <lb n="pwo_044.022"/> dem gehobenen Gefühl der Liebe als entsprechend empfunden, ein <lb n="pwo_044.023"/> Stehen auf gleicher Stufe nimmt den poetischen Reiz hinweg.</p> <lb n="pwo_044.024"/> <p> So schwelgt denn die Sprache des gehobenen Gefühls auch <lb n="pwo_044.025"/> außerhalb der eigentlichen Dichtung in heroomorphischen Vorstellungen, <lb n="pwo_044.026"/> die von uns zum größeren Teil ausdrücklich als poetisch empfunden <lb n="pwo_044.027"/> werden, so sehr sie sich auch abschleifen: Herzenskönigin, als Sklave <lb n="pwo_044.028"/> zu ihren Füßen, Schatz, goldenes Lieb, majestätische Gestalt u. dergl.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_044.029"/> <head> <hi rendition="#c">§ 30. <lb n="pwo_044.030"/> Die Natur als Anschauung und Sinnbild.</hi> </head> <lb n="pwo_044.031"/> <p> Es ist ein in geschichtlicher Zeit meist klar verfolgbarer Gang <lb n="pwo_044.032"/> der Entwicklung: vom Göttlichen durch das Heroische zum Menschlich- <lb n="pwo_044.033"/> Bürgerlichen. Besonders auch die Stoffe des Dramas unterliegen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0058]
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Zum Schluß bietet uns abermals die naturalistische Litteratur pwo_044.002
der letzten Jahrzehnte reichlich Proben für die allgemeine Verbreitung pwo_044.003
dieses poetischen Stilmittels:
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„Anfangs umzüngelte das moquante Lächeln den süßen Mund, pwo_044.005
aber es schwand gänzlich, und ein plötzlicher Schatten unsäglicher pwo_044.006
Wehmut deckte ihre vornehmen Züge. Jch ergriff pwo_044.007
ihre Hand und preßte sie lange an meine Lippen: ihre pwo_044.008
schmalen Finger drückten die meinen mit einem krampfhaften pwo_044.009
Druck.“
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Die „schmalen Finger“ gelten ebenfalls für ein Zeichen der Vornehmheit. pwo_044.011
Karl Bleibtreu ist es, der diese Zeilen schrieb, und seine pwo_044.012
Heldin ist alles eher als vornehm von Gesinnung oder Stellung. pwo_044.013
Ja, der Dichter läßt seinen Helden zur Aussprache bringen, was in pwo_044.014
Wahrheit das Wesen unserer poetischen Figur ist:
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„Als sie oben auf der Bühne stand,“
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philosophiert er über die weibliche Hauptfigur,
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„war wenigstens ein Schatten äußerer Vornehmheit vorhanden. pwo_044.018
Jetzt – ... mir gegenüberhockend – ... o jetzt pwo_044.019
fühle ich einen peinigenden Schmerz bei dieser ihrer Demütigung.“
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Also selbst das rein äußerliche Höherstehen auf dem Podium wird pwo_044.022
dem gehobenen Gefühl der Liebe als entsprechend empfunden, ein pwo_044.023
Stehen auf gleicher Stufe nimmt den poetischen Reiz hinweg.
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So schwelgt denn die Sprache des gehobenen Gefühls auch pwo_044.025
außerhalb der eigentlichen Dichtung in heroomorphischen Vorstellungen, pwo_044.026
die von uns zum größeren Teil ausdrücklich als poetisch empfunden pwo_044.027
werden, so sehr sie sich auch abschleifen: Herzenskönigin, als Sklave pwo_044.028
zu ihren Füßen, Schatz, goldenes Lieb, majestätische Gestalt u. dergl.
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§ 30. pwo_044.030
Die Natur als Anschauung und Sinnbild. pwo_044.031
Es ist ein in geschichtlicher Zeit meist klar verfolgbarer Gang pwo_044.032
der Entwicklung: vom Göttlichen durch das Heroische zum Menschlich- pwo_044.033
Bürgerlichen. Besonders auch die Stoffe des Dramas unterliegen
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