Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_014.001 "Warte nur, balde pwo_014.002 pwo_014.003Ruhest du auch" - tröstet ein andres. Der Zweck dieser Dichtungen muß tiefer greifen. pwo_014.004 § 13. pwo_014.005 pwo_014.006Das Vergnügen als Zweck der Poesie. Auch das Ergötzen fordert sein Recht unter den Definitionen der pwo_014.007 Wir dürften geneigt sein, dieser Erklärung einen gewissen Raum pwo_014.012 Hierzu gesellt sich noch eine weitere Erwägung. Da wohl dasjenige pwo_014.026 Den Ausschlag giebt ein Hinblick auf die Absichten des Dichters pwo_014.034 pwo_014.001 „Warte nur, balde pwo_014.002 pwo_014.003Ruhest du auch“ – tröstet ein andres. Der Zweck dieser Dichtungen muß tiefer greifen. pwo_014.004 § 13. pwo_014.005 pwo_014.006Das Vergnügen als Zweck der Poesie. Auch das Ergötzen fordert sein Recht unter den Definitionen der pwo_014.007 Wir dürften geneigt sein, dieser Erklärung einen gewissen Raum pwo_014.012 Hierzu gesellt sich noch eine weitere Erwägung. Da wohl dasjenige pwo_014.026 Den Ausschlag giebt ein Hinblick auf die Absichten des Dichters pwo_014.034 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0028" n="14"/> <lb n="pwo_014.001"/> <lg> <l>„Warte nur, balde</l> <lb n="pwo_014.002"/> <l>Ruhest du auch“ –</l> </lg> <lb n="pwo_014.003"/> <p>tröstet ein andres. Der Zweck dieser Dichtungen muß tiefer greifen.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_014.004"/> <head> <hi rendition="#c">§ 13. <lb n="pwo_014.005"/> Das Vergnügen als Zweck der Poesie.</hi> </head> <lb n="pwo_014.006"/> <p> Auch das Ergötzen fordert sein Recht unter den Definitionen der <lb n="pwo_014.007"/> Poesie. Zuerst taucht es im Zusammenhang mit dem Nutzen, im <lb n="pwo_014.008"/> Anschluß an die Horatianische Epistel auf; im 18. Jahrhundert wird <lb n="pwo_014.009"/> das Vergnügen sodann selbständig als Endzweck und Wirkung der <lb n="pwo_014.010"/> Dichtkunst hingestellt.</p> <lb n="pwo_014.011"/> <p> Wir dürften geneigt sein, dieser Erklärung einen gewissen Raum <lb n="pwo_014.012"/> in der Begriffsbestimmung der Poesie zuzugestehen. Früh erregte <lb n="pwo_014.013"/> jedoch schon Bedenken, auch die Wirkung der Tragödie schlechtweg als <lb n="pwo_014.014"/> Vergnügen zu bezeichnen. Schiller suchte den Grund des Vergnügens <lb n="pwo_014.015"/> an tragischen Gegenständen festzustellen, giebt aber diesem Vergnügen <lb n="pwo_014.016"/> einen eigenartigen Gehalt: es „gewähre uns die Zweckmäßigkeit eines <lb n="pwo_014.017"/> jeden menschlichen Geschäfts an sich selbst Vergnügen“, „sie beziehe <lb n="pwo_014.018"/> sich entweder gar nicht auf das Sittliche, oder sie widerstreite demselben“. <lb n="pwo_014.019"/> Nun ist ihm aber insbesondre gewiß, „daß jedes Vergnügen, <lb n="pwo_014.020"/> insofern es aus sittlichen Quellen fließt, den Menschen sittlich verbessert.“ <lb n="pwo_014.021"/> Das ästhetische Vergnügen erscheint danach jedenfalls von allen sonstigen <lb n="pwo_014.022"/> Vergnügungsarten wesentlich geschieden, ja den meisten geradezu <lb n="pwo_014.023"/> entgegengesetzt. Der Begriff Vergnügen faßt so zum mindesten Ziel <lb n="pwo_014.024"/> und Wirkung der Poesie nicht scharf genug.</p> <lb n="pwo_014.025"/> <p> Hierzu gesellt sich noch eine weitere Erwägung. Da wohl dasjenige <lb n="pwo_014.026"/> Kunstwerk am höchsten steht, das seinen Zweck am vollkommensten <lb n="pwo_014.027"/> erfüllt, könnte man, solange Vergnügen schlechtweg als poetische <lb n="pwo_014.028"/> Absicht gilt, sich versucht fühlen, die Fastnachtspiele, Possen, Schwänke, <lb n="pwo_014.029"/> oder andererseits Räubergeschichten, Kriminalnovellen, Kolportageromane <lb n="pwo_014.030"/> u. dgl. auf die höchste dichterische Stufe zu stellen; denn unstreitig <lb n="pwo_014.031"/> machen diese niedern Arten den meisten Menschen das meiste <lb n="pwo_014.032"/> Vergnügen.</p> <lb n="pwo_014.033"/> <p> Den Ausschlag giebt ein Hinblick auf die Absichten des Dichters <lb n="pwo_014.034"/> selbst. Wer im höheren Sinne Anspruch auf diesen Ehrentitel erhebt, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0028]
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„Warte nur, balde pwo_014.002
Ruhest du auch“ –
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tröstet ein andres. Der Zweck dieser Dichtungen muß tiefer greifen.
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§ 13. pwo_014.005
Das Vergnügen als Zweck der Poesie. pwo_014.006
Auch das Ergötzen fordert sein Recht unter den Definitionen der pwo_014.007
Poesie. Zuerst taucht es im Zusammenhang mit dem Nutzen, im pwo_014.008
Anschluß an die Horatianische Epistel auf; im 18. Jahrhundert wird pwo_014.009
das Vergnügen sodann selbständig als Endzweck und Wirkung der pwo_014.010
Dichtkunst hingestellt.
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Wir dürften geneigt sein, dieser Erklärung einen gewissen Raum pwo_014.012
in der Begriffsbestimmung der Poesie zuzugestehen. Früh erregte pwo_014.013
jedoch schon Bedenken, auch die Wirkung der Tragödie schlechtweg als pwo_014.014
Vergnügen zu bezeichnen. Schiller suchte den Grund des Vergnügens pwo_014.015
an tragischen Gegenständen festzustellen, giebt aber diesem Vergnügen pwo_014.016
einen eigenartigen Gehalt: es „gewähre uns die Zweckmäßigkeit eines pwo_014.017
jeden menschlichen Geschäfts an sich selbst Vergnügen“, „sie beziehe pwo_014.018
sich entweder gar nicht auf das Sittliche, oder sie widerstreite demselben“. pwo_014.019
Nun ist ihm aber insbesondre gewiß, „daß jedes Vergnügen, pwo_014.020
insofern es aus sittlichen Quellen fließt, den Menschen sittlich verbessert.“ pwo_014.021
Das ästhetische Vergnügen erscheint danach jedenfalls von allen sonstigen pwo_014.022
Vergnügungsarten wesentlich geschieden, ja den meisten geradezu pwo_014.023
entgegengesetzt. Der Begriff Vergnügen faßt so zum mindesten Ziel pwo_014.024
und Wirkung der Poesie nicht scharf genug.
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Hierzu gesellt sich noch eine weitere Erwägung. Da wohl dasjenige pwo_014.026
Kunstwerk am höchsten steht, das seinen Zweck am vollkommensten pwo_014.027
erfüllt, könnte man, solange Vergnügen schlechtweg als poetische pwo_014.028
Absicht gilt, sich versucht fühlen, die Fastnachtspiele, Possen, Schwänke, pwo_014.029
oder andererseits Räubergeschichten, Kriminalnovellen, Kolportageromane pwo_014.030
u. dgl. auf die höchste dichterische Stufe zu stellen; denn unstreitig pwo_014.031
machen diese niedern Arten den meisten Menschen das meiste pwo_014.032
Vergnügen.
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Den Ausschlag giebt ein Hinblick auf die Absichten des Dichters pwo_014.034
selbst. Wer im höheren Sinne Anspruch auf diesen Ehrentitel erhebt,
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