Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_198.001 Eine noch weiter gehende Einschränkung wäre dem Kampf Lessings pwo_198.009 Der einseitig zugespitzte Heroismus unterdrückt nun allerdings pwo_198.024 Jm Zusammenhang mit dem heroischen Zug steht die rhetorisch-pathetische pwo_198.033 pwo_198.001 Eine noch weiter gehende Einschränkung wäre dem Kampf Lessings pwo_198.009 Der einseitig zugespitzte Heroismus unterdrückt nun allerdings pwo_198.024 Jm Zusammenhang mit dem heroischen Zug steht die rhetorisch-pathetische pwo_198.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0212" n="198"/><lb n="pwo_198.001"/> der Handlung ihre Hauptaufgabe und läßt den Charakter nicht an <lb n="pwo_198.002"/> sich selbst, sondern an dem Zusammentreffen unglückseliger Ereignisse <lb n="pwo_198.003"/> zugrunde gehen. Das Verkünstelte dieser Jntriguen hat Lessing – <lb n="pwo_198.004"/> namentlich in der Corneille-Kritik der Hamburgischen Dramaturgie – <lb n="pwo_198.005"/> zuerst erkannt, nur wäre weniger dem einzelnen Dichter zur Last zu <lb n="pwo_198.006"/> legen, was uns als Ausdruck eines historischen Stadiums in der Entwicklung <lb n="pwo_198.007"/> der dramatischen Form gilt.</p> <lb n="pwo_198.008"/> <p> Eine noch weiter gehende Einschränkung wäre dem Kampf Lessings <lb n="pwo_198.009"/> gegen den <hi rendition="#g">heroischen</hi> Zug der französischen Tragödie zu geben. <lb n="pwo_198.010"/> Der deutsche Dramaturg geht so weit, auf diese Tendenz hin Corneille <lb n="pwo_198.011"/> den Beinamen des Großen abzusprechen: „Es ist wahr, alles <lb n="pwo_198.012"/> atmet bei ihm Heroismus; aber auch das, was keines fähig sein sollte, <lb n="pwo_198.013"/> und wirklich auch keines fähig ist: das Laster. Den Ungeheuern, den <lb n="pwo_198.014"/> Gigantischen hätte man ihn nennen sollen; aber nicht den Großen. <lb n="pwo_198.015"/> Denn nichts ist groß, was nicht wahr ist“ (30. Stück). Aus einem <lb n="pwo_198.016"/> solchen heroischen Element ist jedoch die Tragödie erwachsen, und <lb n="pwo_198.017"/> überdies ist die erhabene Würde, die alle Handlungen, auch die lasterhaften, <lb n="pwo_198.018"/> in der französischen Tragödie atmen, ein unverkennbarer Zug <lb n="pwo_198.019"/> des romanischen Geistes, wie er sich in den romanischen Litteraturen <lb n="pwo_198.020"/> durchgehends ausprägt. Lessings rein kritisches Verfahren ließ demnach <lb n="pwo_198.021"/> sowohl den historischen wie den völkerpsychologischen Gesichtspunkt <lb n="pwo_198.022"/> außer acht, die beide erst nach ihm von Herder entdeckt werden.</p> <lb n="pwo_198.023"/> <p> Der einseitig zugespitzte Heroismus unterdrückt nun allerdings <lb n="pwo_198.024"/> die unmittelbare Ausprägung anderer Leidenschaften, läßt namentlich <lb n="pwo_198.025"/> die Aenßerung der durchgehenden Liebesempfindung leicht als bloße <lb n="pwo_198.026"/> <hi rendition="#g">Galanterie</hi> erscheinen. Bei alledem wird gerade die historische <lb n="pwo_198.027"/> Aktion dadurch znr kunstvollen Jntrigue verarbeitet, daß die <hi rendition="#g">Liebe</hi> <lb n="pwo_198.028"/> als Haupttriebfeder der Handlung eingeführt ist. Sowohl in diesem <lb n="pwo_198.029"/> erotischen Trieb wie in seiner veräußerlicht galanten Ausprägung <lb n="pwo_198.030"/> haben wir wieder durchgehende Züge des romanischen Geistes <lb n="pwo_198.031"/> zu sehen.</p> <lb n="pwo_198.032"/> <p> Jm Zusammenhang mit dem heroischen Zug steht die <hi rendition="#g">rhetorisch-pathetische</hi> <lb n="pwo_198.033"/> Aeußerungsform der französischen Tragödie. <lb n="pwo_198.034"/> Auch diese Vorherrschaft der Rhetorik und Reflexion hält sie in epischem <lb n="pwo_198.035"/> und lyrischem Wesen zurück und läßt sie nicht zur vollen Durchführung <lb n="pwo_198.036"/> des dramatischen Charakters gelangen. Die Leidenschaft bethätigt </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0212]
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der Handlung ihre Hauptaufgabe und läßt den Charakter nicht an pwo_198.002
sich selbst, sondern an dem Zusammentreffen unglückseliger Ereignisse pwo_198.003
zugrunde gehen. Das Verkünstelte dieser Jntriguen hat Lessing – pwo_198.004
namentlich in der Corneille-Kritik der Hamburgischen Dramaturgie – pwo_198.005
zuerst erkannt, nur wäre weniger dem einzelnen Dichter zur Last zu pwo_198.006
legen, was uns als Ausdruck eines historischen Stadiums in der Entwicklung pwo_198.007
der dramatischen Form gilt.
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Eine noch weiter gehende Einschränkung wäre dem Kampf Lessings pwo_198.009
gegen den heroischen Zug der französischen Tragödie zu geben. pwo_198.010
Der deutsche Dramaturg geht so weit, auf diese Tendenz hin Corneille pwo_198.011
den Beinamen des Großen abzusprechen: „Es ist wahr, alles pwo_198.012
atmet bei ihm Heroismus; aber auch das, was keines fähig sein sollte, pwo_198.013
und wirklich auch keines fähig ist: das Laster. Den Ungeheuern, den pwo_198.014
Gigantischen hätte man ihn nennen sollen; aber nicht den Großen. pwo_198.015
Denn nichts ist groß, was nicht wahr ist“ (30. Stück). Aus einem pwo_198.016
solchen heroischen Element ist jedoch die Tragödie erwachsen, und pwo_198.017
überdies ist die erhabene Würde, die alle Handlungen, auch die lasterhaften, pwo_198.018
in der französischen Tragödie atmen, ein unverkennbarer Zug pwo_198.019
des romanischen Geistes, wie er sich in den romanischen Litteraturen pwo_198.020
durchgehends ausprägt. Lessings rein kritisches Verfahren ließ demnach pwo_198.021
sowohl den historischen wie den völkerpsychologischen Gesichtspunkt pwo_198.022
außer acht, die beide erst nach ihm von Herder entdeckt werden.
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Der einseitig zugespitzte Heroismus unterdrückt nun allerdings pwo_198.024
die unmittelbare Ausprägung anderer Leidenschaften, läßt namentlich pwo_198.025
die Aenßerung der durchgehenden Liebesempfindung leicht als bloße pwo_198.026
Galanterie erscheinen. Bei alledem wird gerade die historische pwo_198.027
Aktion dadurch znr kunstvollen Jntrigue verarbeitet, daß die Liebe pwo_198.028
als Haupttriebfeder der Handlung eingeführt ist. Sowohl in diesem pwo_198.029
erotischen Trieb wie in seiner veräußerlicht galanten Ausprägung pwo_198.030
haben wir wieder durchgehende Züge des romanischen Geistes pwo_198.031
zu sehen.
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Jm Zusammenhang mit dem heroischen Zug steht die rhetorisch-pathetische pwo_198.033
Aeußerungsform der französischen Tragödie. pwo_198.034
Auch diese Vorherrschaft der Rhetorik und Reflexion hält sie in epischem pwo_198.035
und lyrischem Wesen zurück und läßt sie nicht zur vollen Durchführung pwo_198.036
des dramatischen Charakters gelangen. Die Leidenschaft bethätigt
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