Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_121.001 Ach, noch immer hör' ich leise pwo_121.002 Seiner Stimme Zauberklang pwo_121.003 Und in altgewohnter Weise pwo_121.004 Lausch' ich seinem stolzen Gang. pwo_121.005 pwo_121.009Horch! schon eilt er mir entgegen! pwo_121.006 Fort nun alle Trennungspein! pwo_121.007 Schicksal, wolle doch erwägen, pwo_121.008 Ach, es kann und kaun nicht sein!" Die Erzählung seines Auftretens in der Vergangenheit ist in den pwo_121.010 "Glückselig, die auf Bergen wohnen," - pwo_121.017und nun folgt der begründende oder doch ausführende Bericht, sei es pwo_121.018 "Wo noch in waldverwachs'nem Nest pwo_121.020 Der ungestörten Lust sich fronen, pwo_121.021 Hingebung sich noch üben läßt. pwo_121.022 pwo_121.026Da sprießen dichtverschlung'ne Hecken pwo_121.023 Und schmiegt sich blattreich Ast an Ast pwo_121.024 Und wilde Rohrdickichte decken, pwo_121.025 Vom Wind geschaukelt, süße Rast." Nicht mehr das Nacheinander des Epos liegt zugrunde, ein Nebeneinander pwo_121.027 Jn der Spätzeit der indischen Lyrik überwuchert völlig die Neigung pwo_121.033 pwo_121.001 Ach, noch immer hör' ich leise pwo_121.002 Seiner Stimme Zauberklang pwo_121.003 Und in altgewohnter Weise pwo_121.004 Lausch' ich seinem stolzen Gang. pwo_121.005 pwo_121.009Horch! schon eilt er mir entgegen! pwo_121.006 Fort nun alle Trennungspein! pwo_121.007 Schicksal, wolle doch erwägen, pwo_121.008 Ach, es kann und kaun nicht sein!“ Die Erzählung seines Auftretens in der Vergangenheit ist in den pwo_121.010 „Glückselig, die auf Bergen wohnen,“ – pwo_121.017und nun folgt der begründende oder doch ausführende Bericht, sei es pwo_121.018 „Wo noch in waldverwachs'nem Nest pwo_121.020 Der ungestörten Lust sich fronen, pwo_121.021 Hingebung sich noch üben läßt. pwo_121.022 pwo_121.026Da sprießen dichtverschlung'ne Hecken pwo_121.023 Und schmiegt sich blattreich Ast an Ast pwo_121.024 Und wilde Rohrdickichte decken, pwo_121.025 Vom Wind geschaukelt, süße Rast.“ Nicht mehr das Nacheinander des Epos liegt zugrunde, ein Nebeneinander pwo_121.027 Jn der Spätzeit der indischen Lyrik überwuchert völlig die Neigung pwo_121.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0135" n="121"/> <lb n="pwo_121.001"/> <lg> <l> Ach, noch immer hör' ich leise</l> <lb n="pwo_121.002"/> <l>Seiner Stimme Zauberklang</l> <lb n="pwo_121.003"/> <l>Und in altgewohnter Weise</l> <lb n="pwo_121.004"/> <l>Lausch' ich seinem stolzen Gang. </l> </lg> <lg> <lb n="pwo_121.005"/> <l> Horch! schon eilt er mir entgegen!</l> <lb n="pwo_121.006"/> <l>Fort nun alle Trennungspein!</l> <lb n="pwo_121.007"/> <l>Schicksal, wolle doch erwägen,</l> <lb n="pwo_121.008"/> <l>Ach, es kann und kaun nicht sein!“</l> </lg> <lb n="pwo_121.009"/> <p>Die Erzählung seines Auftretens in der Vergangenheit ist in den <lb n="pwo_121.010"/> letzten beiden Zeilen lyrisch accentuiert durch eine aus dem <hi rendition="#g">gegenwärtigen</hi> <lb n="pwo_121.011"/> Zustand entspringende <hi rendition="#g">Jnterjektion.</hi> Doch schon der <lb n="pwo_121.012"/> erzählende Teil ist oft auf die Gegenwart gewandt und verliert dadurch <lb n="pwo_121.013"/> die Grundlage einmaligen Geschehens, um <hi rendition="#g">allgemeingiltig</hi> <lb n="pwo_121.014"/> zu werden. – Der <hi rendition="#g">Ausruf,</hi> der einer solchen Art von Bericht <lb n="pwo_121.015"/> lyrische Wendung giebt, geht ihm nicht selten auch voran:</p> <lb n="pwo_121.016"/> <lg> <l>„Glückselig, die auf Bergen wohnen,“ –</l> </lg> <lb n="pwo_121.017"/> <p>und nun folgt der begründende oder doch ausführende Bericht, sei es <lb n="pwo_121.018"/> Erzählung oder Beschreibung:</p> <lb n="pwo_121.019"/> <lg> <l>„Wo noch in waldverwachs'nem Nest</l> <lb n="pwo_121.020"/> <l>Der ungestörten Lust sich fronen,</l> <lb n="pwo_121.021"/> <l>Hingebung sich noch üben läßt. </l> </lg> <lg> <lb n="pwo_121.022"/> <l> Da sprießen dichtverschlung'ne Hecken</l> <lb n="pwo_121.023"/> <l>Und schmiegt sich blattreich Ast an Ast</l> <lb n="pwo_121.024"/> <l>Und wilde Rohrdickichte decken,</l> <lb n="pwo_121.025"/> <l>Vom Wind geschaukelt, süße Rast.“</l> </lg> <lb n="pwo_121.026"/> <p>Nicht mehr das Nacheinander des Epos liegt zugrunde, ein <hi rendition="#g">Nebeneinander</hi> <lb n="pwo_121.027"/> wird entfaltet, wennschon noch so plastisch und handlungsreich. <lb n="pwo_121.028"/> Auf eine <hi rendition="#g">Einzelscene</hi> geht das Gedicht aus: auch dadurch <lb n="pwo_121.029"/> ist wie dem äußeren Umfang so der Aufeinanderfolge verschiedener <lb n="pwo_121.030"/> Bilder eine Grenze gesetzt. Auf <hi rendition="#g">einen,</hi> nur <hi rendition="#g">dauernd</hi> gedachten <lb n="pwo_121.031"/> Moment spitzt sich das lyrische Lied schließlich zu.</p> <lb n="pwo_121.032"/> <p> Jn der Spätzeit der indischen Lyrik überwuchert völlig die Neigung <lb n="pwo_121.033"/> zu breiter, üppiger Ausmalung von Einzelscenen und Einzelempfindungen. <lb n="pwo_121.034"/> Anstelle der alten, primitiven Umrißskizzierung zur <lb n="pwo_121.035"/> Anregung der Phantasie tritt denn auch eine überreiche Nährung und <lb n="pwo_121.036"/> Sättigung derselben mit buntester Farbenpracht. –</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0135]
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Ach, noch immer hör' ich leise pwo_121.002
Seiner Stimme Zauberklang pwo_121.003
Und in altgewohnter Weise pwo_121.004
Lausch' ich seinem stolzen Gang.
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Horch! schon eilt er mir entgegen! pwo_121.006
Fort nun alle Trennungspein! pwo_121.007
Schicksal, wolle doch erwägen, pwo_121.008
Ach, es kann und kaun nicht sein!“
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Die Erzählung seines Auftretens in der Vergangenheit ist in den pwo_121.010
letzten beiden Zeilen lyrisch accentuiert durch eine aus dem gegenwärtigen pwo_121.011
Zustand entspringende Jnterjektion. Doch schon der pwo_121.012
erzählende Teil ist oft auf die Gegenwart gewandt und verliert dadurch pwo_121.013
die Grundlage einmaligen Geschehens, um allgemeingiltig pwo_121.014
zu werden. – Der Ausruf, der einer solchen Art von Bericht pwo_121.015
lyrische Wendung giebt, geht ihm nicht selten auch voran:
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„Glückselig, die auf Bergen wohnen,“ –
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und nun folgt der begründende oder doch ausführende Bericht, sei es pwo_121.018
Erzählung oder Beschreibung:
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„Wo noch in waldverwachs'nem Nest pwo_121.020
Der ungestörten Lust sich fronen, pwo_121.021
Hingebung sich noch üben läßt.
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Da sprießen dichtverschlung'ne Hecken pwo_121.023
Und schmiegt sich blattreich Ast an Ast pwo_121.024
Und wilde Rohrdickichte decken, pwo_121.025
Vom Wind geschaukelt, süße Rast.“
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Nicht mehr das Nacheinander des Epos liegt zugrunde, ein Nebeneinander pwo_121.027
wird entfaltet, wennschon noch so plastisch und handlungsreich. pwo_121.028
Auf eine Einzelscene geht das Gedicht aus: auch dadurch pwo_121.029
ist wie dem äußeren Umfang so der Aufeinanderfolge verschiedener pwo_121.030
Bilder eine Grenze gesetzt. Auf einen, nur dauernd gedachten pwo_121.031
Moment spitzt sich das lyrische Lied schließlich zu.
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Jn der Spätzeit der indischen Lyrik überwuchert völlig die Neigung pwo_121.033
zu breiter, üppiger Ausmalung von Einzelscenen und Einzelempfindungen. pwo_121.034
Anstelle der alten, primitiven Umrißskizzierung zur pwo_121.035
Anregung der Phantasie tritt denn auch eine überreiche Nährung und pwo_121.036
Sättigung derselben mit buntester Farbenpracht. –
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