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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Cap. I. Vondem Wesen
gleichen Veränderung sich ereignen soll: so
ersiehet man auch daraus, was für Wür-
ckungen in der Natur erfordert würden,
wenn sie eine dergleichen Art der Verän-
derung hervorbringen sollte, als in der Kunst
geschiehet. Als in unserem Exempel wird
durch die Säge der Zusammenhang der
Theile nach der Breite oder Dicke des
Holtzes, durch den Hobel nach der Länge des-
selben gehoben. Man erkennet demnach
hieraus überhaupt, daß, wenn Theile von
einander sollen abgesondert werden, ihre
Verknüpffung mit einander müsse aufgeho-
ben werden und man dannenhero in sich er-
eignenden besonderen Fällen darauf zu sehen
habe, wie es möglich sey die Verknüpffung
der Theile zu heben. Jn der Kunst treffen
wir jederzeit die Ursachen an, wodurch die
Theile, welche mit einander verknüpfft sind,
getrennet werden, als in unserem Exempel
geschiehet es durch das Sägen und das
Hobeln: allein wenn man in die Natur
kommet, muß man keine der Kunst ähnliche
Würckungen zugeben, bis man entweder
dieselben zeigen, oder aus der Gegenwart
den künstlichen ähnlicher Dinge oder auch
Würckungen schlüssen kan, daß dergleichen
Ursachen sich in der Natur befinden müssen,
ob wir sie gleich mit unseren Sinnen nicht
erreichen können, auch öffters nicht wissen,
ob sie einerley sind mit andern Dingen, die
wir vorhin durch andere Würckungen ha-

ben

Cap. I. Vondem Weſen
gleichen Veraͤnderung ſich ereignen ſoll: ſo
erſiehet man auch daraus, was fuͤr Wuͤr-
ckungen in der Natur erfordert wuͤrden,
wenn ſie eine dergleichen Art der Veraͤn-
derung hervorbringen ſollte, als in der Kunſt
geſchiehet. Als in unſerem Exempel wird
durch die Saͤge der Zuſammenhang der
Theile nach der Breite oder Dicke des
Holtzes, durch den Hobel nach der Laͤnge deſ-
ſelben gehoben. Man erkennet demnach
hieraus uͤberhaupt, daß, wenn Theile von
einander ſollen abgeſondert werden, ihre
Verknuͤpffung mit einander muͤſſe aufgeho-
ben werden und man dannenhero in ſich er-
eignenden beſonderen Faͤllen darauf zu ſehen
habe, wie es moͤglich ſey die Verknuͤpffung
der Theile zu heben. Jn der Kunſt treffen
wir jederzeit die Urſachen an, wodurch die
Theile, welche mit einander verknuͤpfft ſind,
getrennet werden, als in unſerem Exempel
geſchiehet es durch das Saͤgen und das
Hobeln: allein wenn man in die Natur
kommet, muß man keine der Kunſt aͤhnliche
Wuͤrckungen zugeben, bis man entweder
dieſelben zeigen, oder aus der Gegenwart
den kuͤnſtlichen aͤhnlicher Dinge oder auch
Wuͤrckungen ſchluͤſſen kan, daß dergleichen
Urſachen ſich in der Natur befinden muͤſſen,
ob wir ſie gleich mit unſeren Sinnen nicht
erreichen koͤnnen, auch oͤffters nicht wiſſen,
ob ſie einerley ſind mit andern Dingen, die
wir vorhin durch andere Wuͤrckungen ha-

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[56/0092] Cap. I. Vondem Weſen gleichen Veraͤnderung ſich ereignen ſoll: ſo erſiehet man auch daraus, was fuͤr Wuͤr- ckungen in der Natur erfordert wuͤrden, wenn ſie eine dergleichen Art der Veraͤn- derung hervorbringen ſollte, als in der Kunſt geſchiehet. Als in unſerem Exempel wird durch die Saͤge der Zuſammenhang der Theile nach der Breite oder Dicke des Holtzes, durch den Hobel nach der Laͤnge deſ- ſelben gehoben. Man erkennet demnach hieraus uͤberhaupt, daß, wenn Theile von einander ſollen abgeſondert werden, ihre Verknuͤpffung mit einander muͤſſe aufgeho- ben werden und man dannenhero in ſich er- eignenden beſonderen Faͤllen darauf zu ſehen habe, wie es moͤglich ſey die Verknuͤpffung der Theile zu heben. Jn der Kunſt treffen wir jederzeit die Urſachen an, wodurch die Theile, welche mit einander verknuͤpfft ſind, getrennet werden, als in unſerem Exempel geſchiehet es durch das Saͤgen und das Hobeln: allein wenn man in die Natur kommet, muß man keine der Kunſt aͤhnliche Wuͤrckungen zugeben, bis man entweder dieſelben zeigen, oder aus der Gegenwart den kuͤnſtlichen aͤhnlicher Dinge oder auch Wuͤrckungen ſchluͤſſen kan, daß dergleichen Urſachen ſich in der Natur befinden muͤſſen, ob wir ſie gleich mit unſeren Sinnen nicht erreichen koͤnnen, auch oͤffters nicht wiſſen, ob ſie einerley ſind mit andern Dingen, die wir vorhin durch andere Wuͤrckungen ha- ben

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/92>, abgerufen am 30.04.2024.