Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. XIII. Von der Ernährung ren, wenn man auf das jenige acht giebet,was die Natur wieder abführet. Denn das Unverdauete triefft man darinnen an, und kan daraus auch urtheilen, welche Speisen von uns schweer zu verdauen sind. Jch entsinne mich, daß einige mich des Wiederspieles versichern wollen, als wen sie bey sich gefunden hätten daß sie nicht wohl verdaueten, wenn sie die Speisen gar zu viel käueten: hingegen sie ihnen viel nahrhaffter worden wären, wenn sie sie nicht allzuviel gekäuet hätten. Jch kan nicht sa- gen, ob sie die Sache mit solcher Behutt- samkeit untersucht, wie sichs gebühret: allein wenn man auch ihnen Glauben zu- stellen soll, so wird dadurch das vorige nicht über den Hauffen geworffen. Wenn die Speise gar zuviel gekäuet wird, kan es wohl seyn, daß bey einigen dieselbe zu ge- schwinde aus dem Magen geworffen wird, ehe sie genung aufgelöset worden. Und dieses könnte man auf erst vorgeschriebene Weise erfahren. Man darf sich auch nicht auf das Exempel der Hunde beruffen, die nicht viel käuen: denn diese können stärcker verdauen, als wir. Sie verdauen Kno- chen, die wir nicht verdauen können, wo- ferne sie nicht von der weichen Art, und vor- her sehr kleine zerschnitten worden sind. Nächst diesem träget auch der Speichel viel dazu bey, daß die Speisen im Magen wohl ver-
Cap. XIII. Von der Ernaͤhrung ren, wenn man auf das jenige acht giebet,was die Natur wieder abfuͤhret. Denn das Unverdauete triefft man darinnen an, und kan daraus auch urtheilen, welche Speiſen von uns ſchweer zu verdauen ſind. Jch entſinne mich, daß einige mich des Wiederſpieles verſichern wollen, als wen ſie bey ſich gefunden haͤtten daß ſie nicht wohl verdaueten, wenn ſie die Speiſen gar zu viel kaͤueten: hingegen ſie ihnen viel nahrhaffter worden waͤren, wenn ſie ſie nicht allzuviel gekaͤuet haͤtten. Jch kan nicht ſa- gen, ob ſie die Sache mit ſolcher Behutt- ſamkeit unterſucht, wie ſichs gebuͤhret: allein wenn man auch ihnen Glauben zu- ſtellen ſoll, ſo wird dadurch das vorige nicht uͤber den Hauffen geworffen. Wenn die Speiſe gar zuviel gekaͤuet wird, kan es wohl ſeyn, daß bey einigen dieſelbe zu ge- ſchwinde aus dem Magen geworffen wird, ehe ſie genung aufgeloͤſet worden. Und dieſes koͤnnte man auf erſt vorgeſchriebene Weiſe erfahren. Man darf ſich auch nicht auf das Exempel der Hunde beruffen, die nicht viel kaͤuen: denn dieſe koͤnnen ſtaͤrcker verdauen, als wir. Sie verdauen Kno- chen, die wir nicht verdauen koͤnnen, wo- ferne ſie nicht von der weichen Art, und vor- her ſehr kleine zerſchnitten worden ſind. Naͤchſt dieſem traͤget auch der Speichel viel dazu bey, daß die Speiſen im Magen wohl ver-
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Cap. XIII. Von der Ernaͤhrung
ren, wenn man auf das jenige acht giebet,
was die Natur wieder abfuͤhret. Denn
das Unverdauete triefft man darinnen an,
und kan daraus auch urtheilen, welche
Speiſen von uns ſchweer zu verdauen ſind.
Jch entſinne mich, daß einige mich des
Wiederſpieles verſichern wollen, als wen
ſie bey ſich gefunden haͤtten daß ſie nicht
wohl verdaueten, wenn ſie die Speiſen gar
zu viel kaͤueten: hingegen ſie ihnen viel
nahrhaffter worden waͤren, wenn ſie ſie nicht
allzuviel gekaͤuet haͤtten. Jch kan nicht ſa-
gen, ob ſie die Sache mit ſolcher Behutt-
ſamkeit unterſucht, wie ſichs gebuͤhret:
allein wenn man auch ihnen Glauben zu-
ſtellen ſoll, ſo wird dadurch das vorige nicht
uͤber den Hauffen geworffen. Wenn die
Speiſe gar zuviel gekaͤuet wird, kan es
wohl ſeyn, daß bey einigen dieſelbe zu ge-
ſchwinde aus dem Magen geworffen wird,
ehe ſie genung aufgeloͤſet worden. Und
dieſes koͤnnte man auf erſt vorgeſchriebene
Weiſe erfahren. Man darf ſich auch nicht
auf das Exempel der Hunde beruffen, die
nicht viel kaͤuen: denn dieſe koͤnnen ſtaͤrcker
verdauen, als wir. Sie verdauen Kno-
chen, die wir nicht verdauen koͤnnen, wo-
ferne ſie nicht von der weichen Art, und vor-
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Naͤchſt dieſem traͤget auch der Speichel viel
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