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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Cap. XI. Von dem Wachsthum
ger breit die Rinde abgescheelet und zwar
gleich nach Johannis, da Blätter und Au-
gen ihre völlige Reiffe erlanget hatten. Nach
wenigen Wochen ist der gantze Zweig bis
an den Ort, wo die Rinde abgescheelet war,
verdorret. Weil auch die Blätter viel von
dieser bläsichten Materie haben; so siehet
man, daß auch in ihnen die Werckstat ist,
darinnen der Nahrungs-Safft zubereitet
wird. Und da aus ihnen derselbe so wohl
in den Zweig, als in das Auge kommen kan
(§. 391.); so erkennet man daraus, daß in-
sonderheit das Auge die beste Nahrung aus
den Blättern ziehet, wenn es zur Reiffe
kommen soll. Die Veränderung, welche
mit dem Wasser vorgehet, kan in nichts
anders als darinnen bestehen, daß die ver-
schiedene Theilgen von verschiedener Mate-
rie, die im Regen-Wasser anzutreffen sind
(§. 394.), von denselben geschieden und auf
eine besondere Art mit einander vereiniget
werden: Welches ohne besondere Bewe-
gungen nicht geschehen kan. Weil nun die
Chymie lehret, daß allerhand Bewegungen
durch Saltze und Oele, so im Wasser auf-
gelöset sind, entstehen können, und derglei-
chen Materie auch in den Pflantzen, son-
derlich der Rinde und den Blättern, anzu-
treffen sind (§. 395.); so müssen auch hier
Chymischen ähnliche Auflösungen gesche-
hen, die sich aber zur Zeit nicht genauer

bestim-

Cap. XI. Von dem Wachsthum
ger breit die Rinde abgeſcheelet und zwar
gleich nach Johannis, da Blaͤtter und Au-
gen ihre voͤllige Reiffe erlanget hatten. Nach
wenigen Wochen iſt der gantze Zweig bis
an den Ort, wo die Rinde abgeſcheelet war,
verdorret. Weil auch die Blaͤtter viel von
dieſer blaͤſichten Materie haben; ſo ſiehet
man, daß auch in ihnen die Werckſtat iſt,
darinnen der Nahrungs-Safft zubereitet
wird. Und da aus ihnen derſelbe ſo wohl
in den Zweig, als in das Auge kommen kan
(§. 391.); ſo erkennet man daraus, daß in-
ſonderheit das Auge die beſte Nahrung aus
den Blaͤttern ziehet, wenn es zur Reiffe
kommen ſoll. Die Veraͤnderung, welche
mit dem Waſſer vorgehet, kan in nichts
anders als darinnen beſtehen, daß die ver-
ſchiedene Theilgen von verſchiedener Mate-
rie, die im Regen-Waſſer anzutreffen ſind
(§. 394.), von denſelben geſchieden und auf
eine beſondere Art mit einander vereiniget
werden: Welches ohne beſondere Bewe-
gungen nicht geſchehen kan. Weil nun die
Chymie lehret, daß allerhand Bewegungen
durch Saltze und Oele, ſo im Waſſer auf-
geloͤſet ſind, entſtehen koͤnnen, und derglei-
chen Materie auch in den Pflantzen, ſon-
derlich der Rinde und den Blaͤttern, anzu-
treffen ſind (§. 395.); ſo muͤſſen auch hier
Chymiſchen aͤhnliche Aufloͤſungen geſche-
hen, die ſich aber zur Zeit nicht genauer

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[630/0666] Cap. XI. Von dem Wachsthum ger breit die Rinde abgeſcheelet und zwar gleich nach Johannis, da Blaͤtter und Au- gen ihre voͤllige Reiffe erlanget hatten. Nach wenigen Wochen iſt der gantze Zweig bis an den Ort, wo die Rinde abgeſcheelet war, verdorret. Weil auch die Blaͤtter viel von dieſer blaͤſichten Materie haben; ſo ſiehet man, daß auch in ihnen die Werckſtat iſt, darinnen der Nahrungs-Safft zubereitet wird. Und da aus ihnen derſelbe ſo wohl in den Zweig, als in das Auge kommen kan (§. 391.); ſo erkennet man daraus, daß in- ſonderheit das Auge die beſte Nahrung aus den Blaͤttern ziehet, wenn es zur Reiffe kommen ſoll. Die Veraͤnderung, welche mit dem Waſſer vorgehet, kan in nichts anders als darinnen beſtehen, daß die ver- ſchiedene Theilgen von verſchiedener Mate- rie, die im Regen-Waſſer anzutreffen ſind (§. 394.), von denſelben geſchieden und auf eine beſondere Art mit einander vereiniget werden: Welches ohne beſondere Bewe- gungen nicht geſchehen kan. Weil nun die Chymie lehret, daß allerhand Bewegungen durch Saltze und Oele, ſo im Waſſer auf- geloͤſet ſind, entſtehen koͤnnen, und derglei- chen Materie auch in den Pflantzen, ſon- derlich der Rinde und den Blaͤttern, anzu- treffen ſind (§. 395.); ſo muͤſſen auch hier Chymiſchen aͤhnliche Aufloͤſungen geſche- hen, die ſich aber zur Zeit nicht genauer beſtim-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/666>, abgerufen am 17.06.2024.