Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. IX. Von dem Wasser kommen, daß einige, welche nicht alles gantzgenau nehmen, oder auch denen zugefallen, denen die astronomische Kunst-Wörter nicht angenehm sind, zusagen pflegen; die erste Fluth fange sich an, wenn der Mond aufgehet, und die andere, wenn er untergehet. Jede daure sechs Stunden und darzwischen jedesmahl die Ebbe gleichfalls sechs Stun- den. Man muß sich aber auch nicht einbil- den, als wenn die Ebbe und Fluth zu dersel- ben Zeit, wie bestimmet worden, an allen Ufern zu observiren wäre: denn was gesa- get worden, gehet nur die offenbahre See an, da der Mond darüber weggehet, und auch hier ist noch nicht alles durch so richtige Observationen ausgemacht, daß man sagen könnte, es verhielte sich alles auf das ge- naueste so und nicht anders. Da das Wasser unterwegens allerhand Zufällen unterworffen ist, ehe es bis an die Ufer kom- met: so findet man auch fast an einem je- den Orte einigen Unterscheid, darauf nebst der Bewegung des Monds diejenigen zu se- hen pflegen, welche die Ebbe und Fluth in die Ealender mit eintragen. Weil es dem- nach zur Zeit noch an einer tüchtigen Histo- rie von dieser wunderbahren Begebenheit der Natur fehlet, ohne welche man doch kei- nesweges zu einer tüchtigen Theorie von dessen Ursache gelangen kan, so hat es auch A. 1701 die Academie der Wissenschafften zu
Cap. IX. Von dem Waſſer kommen, daß einige, welche nicht alles gantzgenau nehmen, oder auch denen zugefallen, denen die aſtronomiſche Kunſt-Woͤrter nicht angenehm ſind, zuſagen pflegen; die erſte Fluth fange ſich an, wenn der Mond aufgehet, und die andere, weñ er untergehet. Jede daure ſechs Stunden und darzwiſchen jedesmahl die Ebbe gleichfalls ſechs Stun- den. Man muß ſich aber auch nicht einbil- den, als wenn die Ebbe und Fluth zu derſel- ben Zeit, wie beſtimmet worden, an allen Ufern zu obſerviren waͤre: denn was geſa- get worden, gehet nur die offenbahre See an, da der Mond daruͤber weggehet, und auch hier iſt noch nicht alles durch ſo richtige Obſervationen ausgemacht, daß man ſagen koͤnnte, es verhielte ſich alles auf das ge- naueſte ſo und nicht anders. Da das Waſſer unterwegens allerhand Zufaͤllen unterworffen iſt, ehe es bis an die Ufer kom- met: ſo findet man auch faſt an einem je- den Orte einigen Unterſcheid, darauf nebſt der Bewegung des Monds diejenigen zu ſe- hen pflegen, welche die Ebbe und Fluth in die Ealender mit eintragen. Weil es dem- nach zur Zeit noch an einer tuͤchtigen Hiſto- rie von dieſer wunderbahren Begebenheit der Natur fehlet, ohne welche man doch kei- nesweges zu einer tuͤchtigen Theorie von deſſen Urſache gelangen kan, ſo hat es auch A. 1701 die Academie der Wiſſenſchafften zu
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Cap. IX. Von dem Waſſer
kommen, daß einige, welche nicht alles gantz
genau nehmen, oder auch denen zugefallen,
denen die aſtronomiſche Kunſt-Woͤrter
nicht angenehm ſind, zuſagen pflegen; die
erſte Fluth fange ſich an, wenn der Mond
aufgehet, und die andere, weñ er untergehet.
Jede daure ſechs Stunden und darzwiſchen
jedesmahl die Ebbe gleichfalls ſechs Stun-
den. Man muß ſich aber auch nicht einbil-
den, als wenn die Ebbe und Fluth zu derſel-
ben Zeit, wie beſtimmet worden, an allen
Ufern zu obſerviren waͤre: denn was geſa-
get worden, gehet nur die offenbahre See
an, da der Mond daruͤber weggehet, und
auch hier iſt noch nicht alles durch ſo richtige
Obſervationen ausgemacht, daß man ſagen
koͤnnte, es verhielte ſich alles auf das ge-
naueſte ſo und nicht anders. Da das
Waſſer unterwegens allerhand Zufaͤllen
unterworffen iſt, ehe es bis an die Ufer kom-
met: ſo findet man auch faſt an einem je-
den Orte einigen Unterſcheid, darauf nebſt
der Bewegung des Monds diejenigen zu ſe-
hen pflegen, welche die Ebbe und Fluth in
die Ealender mit eintragen. Weil es dem-
nach zur Zeit noch an einer tuͤchtigen Hiſto-
rie von dieſer wunderbahren Begebenheit
der Natur fehlet, ohne welche man doch kei-
nesweges zu einer tuͤchtigen Theorie von
deſſen Urſache gelangen kan, ſo hat es auch
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