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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Cap. I. Von dem Wesen
in der Natur alle Materie in steter Bewe-
gung seyn müsse: welches ich an diesem
Orte noch etwas umständlicher ausführen
will.

Daß zwi-
schen den
Theilen
der Ma-
terie kein
leerer
Raum
seyn kan.
§. 6.

Damit wir die Nothwendigkeit
sehen, warum alle Materie beständig in
Bewegung seyn müsse; so müssen wir für
allen Dingen erkennen, daß zwischen den
Theilen der Materie, die sich in einem Cör-
per befinden, keine Räumlein seyn können,
die von aller Materie leer sind. Denn ent-
weder es giebet dergleichen leere Räumlein
in einem Cörper, oder es sind keine darinnen
vorhanden. Wir wollen setzen: es wären
einige darinnen vorhanden. So treffen
wir alsdenn kleine Theile oder Stäublein
in dem Cörper an, die eine Figur und
Grösse haben, ohne daß eine Ursache ange-
zeiget werden kan, warum sie dergleichen
Figur und Grösse haben. Und dieses ha-
ben auch schon vor Zeiten diejenigen er-
kandt, welche dergleichen leere Räumlein
in den Cörpern sich eingebildet, und des-
wegen behauptet, daß die kleinesten Stäub-
lein der Materie nothwendig ihre Figur und
Grösse hätten, auch daher ihrer Natur und
ihrem Wesen nach untheilbahr wären. Da
nun aber hieraus folget, daß etwas seyn
kan, davon kein zureichender Grund
vorhanden, warum es ist; so wieder-
spricht der Satz von den leeren Räum-

lein

Cap. I. Von dem Weſen
in der Natur alle Materie in ſteter Bewe-
gung ſeyn muͤſſe: welches ich an dieſem
Orte noch etwas umſtaͤndlicher ausfuͤhren
will.

Daß zwi-
ſchen den
Theilen
der Ma-
terie kein
leerer
Raum
ſeyn kan.
§. 6.

Damit wir die Nothwendigkeit
ſehen, warum alle Materie beſtaͤndig in
Bewegung ſeyn muͤſſe; ſo muͤſſen wir fuͤr
allen Dingen erkennen, daß zwiſchen den
Theilen der Materie, die ſich in einem Coͤr-
per befinden, keine Raͤumlein ſeyn koͤnnen,
die von aller Materie leer ſind. Denn ent-
weder es giebet dergleichen leere Raͤumlein
in einem Coͤrper, oder es ſind keine darinnen
vorhanden. Wir wollen ſetzen: es waͤren
einige darinnen vorhanden. So treffen
wir alsdenn kleine Theile oder Staͤublein
in dem Coͤrper an, die eine Figur und
Groͤſſe haben, ohne daß eine Urſache ange-
zeiget werden kan, warum ſie dergleichen
Figur und Groͤſſe haben. Und dieſes ha-
ben auch ſchon vor Zeiten diejenigen er-
kandt, welche dergleichen leere Raͤumlein
in den Coͤrpern ſich eingebildet, und des-
wegen behauptet, daß die kleineſten Staͤub-
lein der Materie nothwendig ihre Figur und
Groͤſſe haͤtten, auch daher ihrer Natur und
ihrem Weſen nach untheilbahr waͤren. Da
nun aber hieraus folget, daß etwas ſeyn
kan, davon kein zureichender Grund
vorhanden, warum es iſt; ſo wieder-
ſpricht der Satz von den leeren Raͤum-

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[20/0056] Cap. I. Von dem Weſen in der Natur alle Materie in ſteter Bewe- gung ſeyn muͤſſe: welches ich an dieſem Orte noch etwas umſtaͤndlicher ausfuͤhren will. §. 6. Damit wir die Nothwendigkeit ſehen, warum alle Materie beſtaͤndig in Bewegung ſeyn muͤſſe; ſo muͤſſen wir fuͤr allen Dingen erkennen, daß zwiſchen den Theilen der Materie, die ſich in einem Coͤr- per befinden, keine Raͤumlein ſeyn koͤnnen, die von aller Materie leer ſind. Denn ent- weder es giebet dergleichen leere Raͤumlein in einem Coͤrper, oder es ſind keine darinnen vorhanden. Wir wollen ſetzen: es waͤren einige darinnen vorhanden. So treffen wir alsdenn kleine Theile oder Staͤublein in dem Coͤrper an, die eine Figur und Groͤſſe haben, ohne daß eine Urſache ange- zeiget werden kan, warum ſie dergleichen Figur und Groͤſſe haben. Und dieſes ha- ben auch ſchon vor Zeiten diejenigen er- kandt, welche dergleichen leere Raͤumlein in den Coͤrpern ſich eingebildet, und des- wegen behauptet, daß die kleineſten Staͤub- lein der Materie nothwendig ihre Figur und Groͤſſe haͤtten, auch daher ihrer Natur und ihrem Weſen nach untheilbahr waͤren. Da nun aber hieraus folget, daß etwas ſeyn kan, davon kein zureichender Grund vorhanden, warum es iſt; ſo wieder- ſpricht der Satz von den leeren Raͤum- lein

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/56>, abgerufen am 30.04.2024.