Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. IX. Von dem Wasser noch mehr zusammen ziehen muß als dasviel wärmere Erdreich (§. 133. T. I. Ex- per.), folgends noch vielmehr Thau ver- ursachen als auf dem platten Lande (§. 342.); so wird man gar gerne zugeben, daß dadurch den Qvellen nicht wenig Was- ser zugeführet wird und sie vielleicht den grösten Theil von dem bekommen, was bey warmen Sommer-Tagen aus der Erde und dem Wasser ausdünstet, wo solche Gebürge vorhanden sind, die sich davon bereichern können. Was den Versuch Herrn de la Hire betrifft, so hat er die Ausdünstungen, oder Transpiration der Pflantzen untersucht und dieselbe so groß be- funden, daß er das Regen-Wasser kaum einig und allein sie zu ernehren für zuläng- lich erachtet. Er hat den 30. Junii frühe um halb 6. Uhr in ein Glaß mit einem en- gen Halse ein Pfund Wasser gegossen und zwey eben nicht allzu grosse Feigen-Blät- ter darein gesetzet, die zusammen 25. Drachmas und 48. Gran (die Drach- mam zu 72. Gran gerechnet) wogen. Da- mit das Wasser nicht anders als durch die Blätter ausdunsten könnte; hat er das Glaß oben feste verkleibet. Er setzte das Glaß mit den Blättern, die gantz frisch wa- ren, in die Sonne, die dazumahl sehr helle und warm schien. Als er gegen Mittag umb 11. Uhr das Glaß wog, war es 2. Drach-
Cap. IX. Von dem Waſſer noch mehr zuſammen ziehen muß als dasviel waͤrmere Erdreich (§. 133. T. I. Ex- per.), folgends noch vielmehr Thau ver- urſachen als auf dem platten Lande (§. 342.); ſo wird man gar gerne zugeben, daß dadurch den Qvellen nicht wenig Waſ- ſer zugefuͤhret wird und ſie vielleicht den groͤſten Theil von dem bekommen, was bey warmen Sommer-Tagen aus der Erde und dem Waſſer ausduͤnſtet, wo ſolche Gebuͤrge vorhanden ſind, die ſich davon bereichern koͤnnen. Was den Verſuch Herrn de la Hire betrifft, ſo hat er die Ausduͤnſtungen, oder Tranſpiration der Pflantzen unterſucht und dieſelbe ſo groß be- funden, daß er das Regen-Waſſer kaum einig und allein ſie zu ernehren fuͤr zulaͤng- lich erachtet. Er hat den 30. Junii fruͤhe um halb 6. Uhr in ein Glaß mit einem en- gen Halſe ein Pfund Waſſer gegoſſen und zwey eben nicht allzu groſſe Feigen-Blaͤt- ter darein geſetzet, die zuſammen 25. Drachmas und 48. Gran (die Drach- mam zu 72. Gran gerechnet) wogen. Da- mit das Waſſer nicht anders als durch die Blaͤtter ausdunſten koͤnnte; hat er das Glaß oben feſte verkleibet. Er ſetzte das Glaß mit den Blaͤttern, die gantz friſch wa- ren, in die Sonne, die dazumahl ſehr helle und warm ſchien. Als er gegen Mittag umb 11. Uhr das Glaß wog, war es 2. Drach-
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Cap. IX. Von dem Waſſer
noch mehr zuſammen ziehen muß als das
viel waͤrmere Erdreich (§. 133. T. I. Ex-
per.), folgends noch vielmehr Thau ver-
urſachen als auf dem platten Lande (§.
342.); ſo wird man gar gerne zugeben,
daß dadurch den Qvellen nicht wenig Waſ-
ſer zugefuͤhret wird und ſie vielleicht den
groͤſten Theil von dem bekommen, was bey
warmen Sommer-Tagen aus der Erde
und dem Waſſer ausduͤnſtet, wo ſolche
Gebuͤrge vorhanden ſind, die ſich davon
bereichern koͤnnen. Was den Verſuch
Herrn de la Hire betrifft, ſo hat er die
Ausduͤnſtungen, oder Tranſpiration der
Pflantzen unterſucht und dieſelbe ſo groß be-
funden, daß er das Regen-Waſſer kaum
einig und allein ſie zu ernehren fuͤr zulaͤng-
lich erachtet. Er hat den 30. Junii fruͤhe
um halb 6. Uhr in ein Glaß mit einem en-
gen Halſe ein Pfund Waſſer gegoſſen und
zwey eben nicht allzu groſſe Feigen-Blaͤt-
ter darein geſetzet, die zuſammen 25.
Drachmas und 48. Gran (die Drach-
mam zu 72. Gran gerechnet) wogen. Da-
mit das Waſſer nicht anders als durch die
Blaͤtter ausdunſten koͤnnte; hat er das
Glaß oben feſte verkleibet. Er ſetzte das
Glaß mit den Blaͤttern, die gantz friſch wa-
ren, in die Sonne, die dazumahl ſehr helle
und warm ſchien. Als er gegen Mittag
umb 11. Uhr das Glaß wog, war es 2.
Drach-
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