Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. IX. Von dem Wasser dem Ursprunge der Qvellen in lateinischerSprache heraus gegeben und ihm Anlaß gegeben hat die Sache genauer zu untersu- chen. Man siehet aus Herrn de la Hire Versuch, daß die Erde ein gewisses Maaß Wasser an sich ziehe und nicht eher etwas weiter rinnen lässet, als biß sie zu viel hat: wie nicht weniger, daß der Regen der Erde nicht über 16. Zoll tief überflüßig Wasser geben kan. Uber dieses ist aus der gemei- nen Erfahrung bekand, daß das Wasser in der Erde durch die Wärme und den Wind austrocknet, und daher nicht alles in der Er- den verbleibet, bis es wieder von neuem re- gnet. Derowegen sollte man vermeinen, es sey daraus mehr als zu klar zu ersehen, daß das Regen-Wasser keines weges von dem obersten Gipffel bis herunter an den Fuß des Berges, wo es hervor qvillet, kom- men könne. Allein man nimmet hier an, als wenn die Berge aus Erde bestünden, der- gleichen diejenige gewesen, darinnen de la Hire seinen Versuch angestellet. Wir wissen aber, daß steinigte und sandichte Ma- terie, ingleichen fette Lette, das Wasser nicht so annimmet, wie die Erde, und daß es darzwischen schief hinab rinnen kan. An den Bergen ist dergleichen anzutreffen. Dero- wegen kan man den Gebürgen nicht abspre- chen, daß in ihnen nicht das Regen-Wasser in die innern Höhlen hinein rinnen könne. Und
Cap. IX. Von dem Waſſer dem Urſprunge der Qvellen in lateiniſcherSprache heraus gegeben und ihm Anlaß gegeben hat die Sache genauer zu unterſu- chen. Man ſiehet aus Herrn de la Hire Verſuch, daß die Erde ein gewiſſes Maaß Waſſer an ſich ziehe und nicht eher etwas weiter rinnen laͤſſet, als biß ſie zu viel hat: wie nicht weniger, daß der Regen der Erde nicht uͤber 16. Zoll tief uͤberfluͤßig Waſſer geben kan. Uber dieſes iſt aus der gemei- nen Erfahrung bekand, daß das Waſſer in der Erde durch die Waͤrme und den Wind austrocknet, und daher nicht alles in der Er- den verbleibet, bis es wieder von neuem re- gnet. Derowegen ſollte man vermeinen, es ſey daraus mehr als zu klar zu erſehen, daß das Regen-Waſſer keines weges von dem oberſten Gipffel bis herunter an den Fuß des Berges, wo es hervor qvillet, kom- men koͤnne. Allein man nimmet hier an, als wenn die Berge aus Erde beſtuͤnden, der- gleichen diejenige geweſen, darinnen de la Hire ſeinen Verſuch angeſtellet. Wir wiſſen aber, daß ſteinigte und ſandichte Ma- terie, ingleichen fette Lette, das Waſſer nicht ſo annimmet, wie die Erde, und daß es darzwiſchen ſchief hinab rinnen kan. An den Bergen iſt dergleichen anzutreffen. Dero- wegen kan man den Gebuͤrgen nicht abſpre- chen, daß in ihnen nicht das Regen-Waſſer in die innern Hoͤhlen hinein rinnen koͤnne. Und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0540" n="504"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. IX.</hi> Von dem Waſſer</hi></fw><lb/> dem Urſprunge der Qvellen in lateiniſcher<lb/> Sprache heraus gegeben und ihm Anlaß<lb/> gegeben hat die Sache genauer zu unterſu-<lb/> chen. Man ſiehet aus Herrn <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">de la Hire</hi></hi><lb/> Verſuch, daß die Erde ein gewiſſes Maaß<lb/> Waſſer an ſich ziehe und nicht eher etwas<lb/> weiter rinnen laͤſſet, als biß ſie zu viel hat:<lb/> wie nicht weniger, daß der Regen der Erde<lb/> nicht uͤber 16. Zoll tief uͤberfluͤßig Waſſer<lb/> geben kan. Uber dieſes iſt aus der gemei-<lb/> nen Erfahrung bekand, daß das Waſſer in<lb/> der Erde durch die Waͤrme und den Wind<lb/> austrocknet, und daher nicht alles in der Er-<lb/> den verbleibet, bis es wieder von neuem re-<lb/> gnet. Derowegen ſollte man vermeinen,<lb/> es ſey daraus mehr als zu klar zu erſehen,<lb/> daß das Regen-Waſſer keines weges von<lb/> dem oberſten Gipffel bis herunter an den<lb/> Fuß des Berges, wo es hervor qvillet, kom-<lb/> men koͤnne. Allein man nimmet hier an,<lb/> als wenn die Berge aus Erde beſtuͤnden, der-<lb/> gleichen diejenige geweſen, darinnen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">de la<lb/> Hire</hi></hi> ſeinen Verſuch angeſtellet. Wir<lb/> wiſſen aber, daß ſteinigte und ſandichte Ma-<lb/> terie, ingleichen fette Lette, das Waſſer<lb/> nicht ſo annimmet, wie die Erde, und daß es<lb/> darzwiſchen ſchief hinab rinnen kan. An den<lb/> Bergen iſt dergleichen anzutreffen. Dero-<lb/> wegen kan man den Gebuͤrgen nicht abſpre-<lb/> chen, daß in ihnen nicht das Regen-Waſſer<lb/> in die innern Hoͤhlen hinein rinnen koͤnne.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [504/0540]
Cap. IX. Von dem Waſſer
dem Urſprunge der Qvellen in lateiniſcher
Sprache heraus gegeben und ihm Anlaß
gegeben hat die Sache genauer zu unterſu-
chen. Man ſiehet aus Herrn de la Hire
Verſuch, daß die Erde ein gewiſſes Maaß
Waſſer an ſich ziehe und nicht eher etwas
weiter rinnen laͤſſet, als biß ſie zu viel hat:
wie nicht weniger, daß der Regen der Erde
nicht uͤber 16. Zoll tief uͤberfluͤßig Waſſer
geben kan. Uber dieſes iſt aus der gemei-
nen Erfahrung bekand, daß das Waſſer in
der Erde durch die Waͤrme und den Wind
austrocknet, und daher nicht alles in der Er-
den verbleibet, bis es wieder von neuem re-
gnet. Derowegen ſollte man vermeinen,
es ſey daraus mehr als zu klar zu erſehen,
daß das Regen-Waſſer keines weges von
dem oberſten Gipffel bis herunter an den
Fuß des Berges, wo es hervor qvillet, kom-
men koͤnne. Allein man nimmet hier an,
als wenn die Berge aus Erde beſtuͤnden, der-
gleichen diejenige geweſen, darinnen de la
Hire ſeinen Verſuch angeſtellet. Wir
wiſſen aber, daß ſteinigte und ſandichte Ma-
terie, ingleichen fette Lette, das Waſſer
nicht ſo annimmet, wie die Erde, und daß es
darzwiſchen ſchief hinab rinnen kan. An den
Bergen iſt dergleichen anzutreffen. Dero-
wegen kan man den Gebuͤrgen nicht abſpre-
chen, daß in ihnen nicht das Regen-Waſſer
in die innern Hoͤhlen hinein rinnen koͤnne.
Und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |