niemanden nichts geben könnten. Die- se legten sich darauf, wie sie andern ih- re Worte verkehreten und wären ver- wegen in den Tag hinein zu schwatzen, was keinen Verstand hätte, damit sie Albere bereden könnten, es wüsten andere eben so wenig wie sie. Es wären Leute, die bey andern stinckend worden wären, und denen thät es wehe, wenn sie hören sollten, wie weit und hoch eines andern Ruhm erschollen. Die sinnten Tag und Nacht darauf, wie sie andern einen Schandfleck anhän- gen möchten, damit sie dadurch in ihrer Schmach ein Labsaal findeten. Es habe auch bey uns muthwillige Jugend, die sich eine Freude machte Leuten von Anse- hen und Meriten grob zubegegnen, weil diejenigen, welchen die Censur der Bücher anvertrauet ist, diese moralische Lehre be- haupten, daß es nicht guten Sitten zu- wiederlauffe, ja einige es wohl gar für eine heroische Tugend halten, wenn es bey einer Gelegenheit geschiehet, dabey sie etwas zugewinnen vermeinen. Jch kan nicht leugnen, daß ich in diesem Ein-
wurffe
Vorrede.
niemanden nichts geben koͤnnten. Die- ſe legten ſich darauf, wie ſie andern ih- re Worte verkehreten und waͤren ver- wegen in den Tag hinein zu ſchwatzen, was keinen Verſtand haͤtte, damit ſie Albere bereden koͤnnten, es wuͤſten andere eben ſo wenig wie ſie. Es waͤren Leute, die bey andern ſtinckend worden waͤren, und denen thaͤt es wehe, wenn ſie hoͤren ſollten, wie weit und hoch eines andern Ruhm erſchollen. Die ſinnten Tag und Nacht darauf, wie ſie andern einen Schandfleck anhaͤn- gen moͤchten, damit ſie dadurch in ihrer Schmach ein Labſaal findeten. Es habe auch bey uns muthwillige Jugend, die ſich eine Freude machte Leuten von Anſe- hen und Meriten grob zubegegnen, weil diejenigen, welchen die Cenſur der Buͤcher anvertrauet iſt, dieſe moraliſche Lehre be- haupten, daß es nicht guten Sitten zu- wiederlauffe, ja einige es wohl gar fuͤr eine heroiſche Tugend halten, wenn es bey einer Gelegenheit geſchiehet, dabey ſie etwas zugewinnen vermeinen. Jch kan nicht leugnen, daß ich in dieſem Ein-
wurffe
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[0030]
Vorrede.
niemanden nichts geben koͤnnten. Die-
ſe legten ſich darauf, wie ſie andern ih-
re Worte verkehreten und waͤren ver-
wegen in den Tag hinein zu ſchwatzen,
was keinen Verſtand haͤtte, damit ſie
Albere bereden koͤnnten, es wuͤſten
andere eben ſo wenig wie ſie. Es
waͤren Leute, die bey andern ſtinckend
worden waͤren, und denen thaͤt es wehe,
wenn ſie hoͤren ſollten, wie weit und
hoch eines andern Ruhm erſchollen.
Die ſinnten Tag und Nacht darauf,
wie ſie andern einen Schandfleck anhaͤn-
gen moͤchten, damit ſie dadurch in ihrer
Schmach ein Labſaal findeten. Es habe
auch bey uns muthwillige Jugend, die
ſich eine Freude machte Leuten von Anſe-
hen und Meriten grob zubegegnen, weil
diejenigen, welchen die Cenſur der Buͤcher
anvertrauet iſt, dieſe moraliſche Lehre be-
haupten, daß es nicht guten Sitten zu-
wiederlauffe, ja einige es wohl gar fuͤr
eine heroiſche Tugend halten, wenn es
bey einer Gelegenheit geſchiehet, dabey
ſie etwas zugewinnen vermeinen. Jch
kan nicht leugnen, daß ich in dieſem Ein-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/30>, abgerufen am 21.11.2024.
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